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Kristalliner Schnee

Von allen chemischen Elementen fällt dem Wasser durch die Evolution die größte Bedeutung zu: Wasser ist nicht nur eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Leben, sondern auch der prozentual größte Bestandteil des menschlichen Körpers. Darüber hinaus präsentiert sich Wasser in seinem natürlichen Vorkommen in drei Aggregatszuständen, wobei die Metamorphose zur festen Gestalt unterschiedlich ablaufen und sich ausdrücken kann:

Eis entsteht, wenn Wassertröpfchen gefrieren. Schneekristalle bilden sich, wenn Wasserdampftröpfchen resublimieren (also direkt von dem gasförmigen Zustand in den festen übergehen) und sich um einen winzigen Kristallisationskeim (Schmutzpartikel, Staub, Pollen, Sporen, aber auch Aerosole ab 60 Nanometer etc.) in einer Kristallstruktur anlagern. Beide Prozesse können in der Natur, z. B. in den Wolken, ablaufen, allerdings mit dem Unterschied, dass im ersten Fall Hagel oder Graupel und im zweiten Schnee als Niederschlag ausfallen, sofern sie nicht durch wärmere, tiefer liegende Schichten kondensieren und als Regen niederkommen.


Runde Hagelkörner

Runde Hagelkörner (Fotografie: Wilson Bentley)


Wie der japanische Forscher Ukichiro Nakaya im 20. Jahrhundert nachweisen konnte, formt sich die bizarrste und sicherlich schönste Gestalt des Schneekristalls nur unter bestimmten Bedingungen als Stern mit farnartigen Dendriten aus. Sowohl die sechseckige Form eines Eiskristallplättchens als auch gefiederte sechsarmige Sterne regten bereits vor der Zeitenwende Gelehrte an, den Grund für diese regelmäßige Form zu suchen.

Sternförmiger Eiskristall mit Dendriten

Sternförmiger Eiskristall mit Dendriten (Aufnahme: Kenneth Libbrecht)


Im Jahre 135 v. Chr. beschrieb der chinesische Gelehrte Han Ying die sechseckige Gestalt des Schneesternchens als Symbol für das Element Wasser, dem die Zahl 6 zugeordnet sei. Die gleiche Zahlensymbolik lag dreizehn Jahrhunderte später zugrunde, als der Philosoph Zhu Xi postulierte: „Sechs, die aus der Erde hervorgeht, ist die vollkommene Zahl des Wassers, so wie sich Schnee zu Kristallblumen verdichtet, die immer sechs Ecken haben.“ (Zitiert nach Englisch: S. 57.)

Im 13. Jahrhundert schrieb Albertus Magnus in seinen Kommentaren zur Natur, dass Schneekristalle immer sternförmig seien. Schnee und Hagel entstünden durch die Kälte höherer Luftschichten. 1555 teilte der schwedische Kleriker Olaus Magnus in seiner Geschichte über die nordischen Völker die Schneekristalle phantasievoll in 23 Typen ein, die er bildlich für den Leser in Holzschnitt wiedergab:

Olaus Magnus: Historia de gentibus septentrionalibus earumque diversis statibus conditionibus moribus ritibus

Olaus Magnus: Historia de gentibus septentrionalibus earumque diversis statibus conditionibus moribus ritibus […]. Rom 1555. S. 37.


Die wichtigsten naturwissenschaftlichen Meilensteine in der Schneeforschung sind mit den Namen Johannes Kepler, René Descartes, Robert Hooke, Ukichiro Nakaya und Kenneth Libbrecht verbunden, die im Folgenden vorgestellt werden sollen. Letzterem verdanken wir die freundliche Genehmigung, seine mikroskopischen Aufnahmen von Schneekristallen verwenden zu dürfen.

Hexagonaler Schneekristall in mikroskopischer Aufnahme

Hexagonaler Schneekristall (Aufnahme: Kenneth Libbrecht)


Literatur:

  • Charlie Englisch: Das Buch vom Schnee. 2009 Berlin.
  • Max. J. Kobbert: Diamant und Schneekristall. Faszinierende Welt der Kristalle mit über 400 Farbaufnahmen und in 3D. München 2016.
  • Hans Christian von Baeyer: Regenbogen, Schneeflocken und Quarks. Physik und die Welt, die wir täglich erleben. [Originaltitel: Rainbows, snowflakes and quarks]. Reinbek bei Hamburg 1996. S. 137-149.


Bildnachweis:


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Universitätsbibliothek Regensburg

Dendritische Formen von Schneekristallen

Eine Virtuelle Ausstellung

der Universitätsbibliothek Regensburg