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DaF - Theatergruppe Babylon - Aufführungen - 2016

"...und alle seine Mörder"

ein Schauspiel in zwei Teilen

von Erich Fried

im Theater an der Uni

vom 3. bis 7. Juli


Inhalt

Erster Teil
Prolog und erste Szene: Zuerst stellen sich alle Hauptpersonen vor. Dabei wird klar, dass es ein Mordkomplott gegen den reichen Arden gibt. Seine Frau Alice möchte ihn töten lassen, weil sie mit ihrem Geliebten Mosbie zusammenleben und ihr Vermögen, das sie in die Ehe gebracht hat, nicht verlieren möchte, Greene und Reede, zwei kleine Pächter, weil sie Angst um ihre Existenz haben, da Arden sie aus Habgier vielleicht von ihrer Pachtstelle vertreibt. Mosbie, um Alice zu gewinnen und weil Arden ihn wegen seiner niederen Herkunft als Schneider verspottet. Die Diener Michel und Susanne gehören auch zu dem Mordkomplott, da Alice ihnen versprochen hat, dass sie dann heiraten dürfen. Außerdem hatte Arden eine erzwungene Affaire mit Susanne.
Arden hat einen Freund, seinen Kollegen Franklin, der auf seiner Seite ist. Zu den Hauptfiguren gehört noch die Nachbarin, Frau Bradshaw, die mit ihren Fragen und Bemerkungen Motive aufdeckt und die Handlung vorantreibt und versucht, sich mit beiden Seiten gut zu stellen.
Alice beauftragt die beiden Berufsmörder Bill und Beutelschneid mit dem Mord an Arden, die beiden legen sich hinter der Abtei auf die Lauer.
Arden und Franklin treten auf und Arden beklagt sich, dass ihn seine Frau nicht mehr liebt. Franklin dagegen hat gute Neuigkeiten, da Arden jetzt auch die Pacht der Abtei Faversham bekommen hat und so noch reicher wird. Greenes und Reedes Befürchtungen werden wahr, Arden kündigt an, sie von ihrem Land zu vertreiben. Er muss aber zuerst nach London, um für sein neues Land alles zu klären. Alice beteuert ihre Liebe zu ihm und erzählt ihm, sie hätte im Traum nur nach Mosbie gerufen, weil sie Kleider für Arden beim Schneider Mosbie abholen wollte. Sie schwört ihm Treue, solange er lebt. Arden bricht nach London auf, Alice und Mosbie ziehen sich zu einem Schäferstündchen zurück, die anderen warten auf den Tod Ardens, dem Bill und Beutelschneid auflauern.
Zweite Szene: Bill und Beutelschneid warten im dicken Nebel am Fluss auf Arden und Franklin, verfehlen sie aber. Arden und Franklin versuchten, nach London zu kommen, sie kehren aber um, weil der Nebel zu dicht ist.
Dritte Szene: In Ardens Haus warten die Verschwörer auf die Nachricht von Ardens Tod. Dabei zeigt sich schon, dass sie einander misstrauen. Reede und Greene haben Angst, dass sie Alice nach Ardens Tod ignoriert und nur für Mosbie sorgt. Ein Hirte kommt zu Ardens Haus und berichtet von dem Tod Ardens, der im Sumpf ertrunken sein soll. Was er aber gehört hat, war, wie Beuteschneid in den Sumpf gefallen ist, und so kommen Arden und Franklin mitten in der „Trauer“feier für Arden heim. Arden ist erst sehr zornig, da er sieht, dass alle seine Feinde (Mosbie, Reede und Greene) bei ihm zu Hause sind. Mosbie schwört, dass er Alice bis zu Ardens Tod nicht anrührt, Arden ist versöhnt und lädt alle zu einem Fest in sein Haus ein, wenn er aus London zurück ist.
Vierte Szene, London: Alice schickt Frau Bradshaw mit einem Brief nach London zu Bill und Beutelschneid. Sie sollen Arden bei einem Laden auflauern, um ihn zu ermorden. Der Ladenbesitzer lässt aber einen Fensterladen auf Bill fallen und während sich die beiden mit dem Ladenbesitzer streiten und er droht, die Wache zu rufen, können Arden und Franklin ohne Gefahr vorbeigehen.
Fünfte Szene, London: Auch der nächste Plan misslingt. Der Diener Michel soll die Tür von Ardens Stadthaus unverriegelt lassen und Bill und Beutelschneid wollen Arden im Schlaf umbringen. Franklin und Arden wachen aber von den Schreien auf, die Michel während eines Alptraums ausstößt, entdecken die unverriegelte Tür und verriegeln sie, so dass Bill und Beutelschneid nicht in das Haus kommen können. Auch für diesen Fall hat Alice einen Vorschlag, Bill und Beutelschneid reiten zurück und der Mord soll bei dem großen Fest in Ardens Haus stattfinden, zu dem er alle eingeladen hat.

Zweiter Teil
Während alle auf das Essen warten, ermorden Bill und Beutelschneid sowie Alice und Mosbie schließlich Arden. Die Leiche wird weggeschafft, die Täter werden sich ihrer Tat bewusst. Während Bill und Beutelschneid ungerührt bleiben, bedauern die anderen schon ihre Tat. Die Leiche wird auch sehr schnell entdeckt und so kommt der Bürgermeister mit seinen Konstablern, um den Mord aufzuklären.
Das ist schnell geschehen, da Frau Bradshaw als Kronzeugin das ganze Komplott offengelegt hat. Der Bürgermeister entscheidet allerdings aus politischen Gründen, so droht er neben Alice und Mosbie auch Reede und Greene sowie Michel und Susanne, da er Angst vor einem Aufstand der einfachen Leute hat. Die Verschwörer verraten sich auch gegenseitig und sind so leicht zu überführen. Bill und Beutelschneid dagegen entkommen, indem sie dem Bürgermeister ihre Dienste als Henker anbieten und so von freiberuflichen Berufsmördern zu staatlich beauftragten Berufsmördern werden.


Interpretation

Man braucht sich eigentlich nicht an den 400. Todestag von Shakesspeare zu erinnern, um zu wissen, dass alle großen Stoffe des Theater schon lange verhandelt sind. Denn wir sind Menschen und so teilen wir uns alle die großen Fragen und die großen Themen unseres Lebens: Angst und Rache, Furcht, Reue, Liebe und Freundschaft. Und das Theater zeigt, seit es Schauspiel gibt, exemplarisch diese Grundkonstanten des Menschseins und gibt uns - zum Sich-Wundern und zum Mitfühlen, zum Erkennen und Widersprechen - die Geschichten von Menschen - wie uns.
Dieses Jahr also ein elisabethanisches Racheschauspiel, ein Ehedrama - was haben wir uns dabei gedacht? Nun, zum einen hat uns die Übertragung des anonymen Schauspiels Arden of Faversham durch Erich Fried einfach gefallen. Die Handlung hat moritatenhafte Züge, die Meuchelmörder sind ein bisschen ungeschickt und man wartet die ganze Zeit darauf, dass sie sich selbst in den Fuß schießen und die Figuren und Themen, denen wir in diesem Text begegnen, sind eben im besten Sinne überzeitlich.
Dass Liebe sich in Hass verwandelt, dass man keinen Ausweg außer dem brutalsten sieht und dass jeder in diesem Stück seine und nur seine Interessen verfolgt - das ist leider überzeitlich. Und dass keiner ganz gut, manche aber ganz schlecht sind in diesem Stück, das kommt uns auch sehr bekannt vor.
Schon der Ausgangstext ist  - trotz der bekannten Themen - ein ganz besonderes Schauspiel. Nicht nur dass es als ein frühes Beispiel für eine Gattung der Literatur gilt, die wir heutzutage als „Real crime“ wiederfinden, also eine literarische Umsetzung von wahren und kürzlich geschehenen Ereignissen eher als von mythologischen und allegorischen Stoffen. Die Geschichte mit den vielen missglückten tölpelhaften Mordversuchen und dann der laienhaften Verschleierung und schnellen Aufdeckung des Verbrechens ist schon kurios genug.
Wenn wir näher hinschauen, dann findet man in der Übertragung und Bearbeitung von Erich Fried auch unter der holzschnittartig angelegten Mordgeschichte die feineren Züge. Denn Alice und Mosbie haben sich in eine literarische Liebe hineingesteigert, die mit dem Monolog von Julia und auch den anderen Anspielungen an die großen Texte der Literaturgeschichte von Walther von der Vogelweide bis Goethe doch eher in die Liebe und in das Gefühl der großen Liebe verliebt ist als in die jeweilig andere Person. Das Leben ist ein bisschen öde und so schreibe ich mir selbst eine Tristangeschichte - und merke erst nach dem Mord an Arden, dass Menschen im Ernst sterben und nicht einfach wieder aufstehen, wenn man sich dann doch geirrt hat und dass es Entscheidungen im Leben gibt, die unumkehrbar sind und durch die das Leben  zu Asche zerfällt. Nach der Mordtat stehen sie eigentlich alle fassungslos da, zumindest die, die die Gesellschaft und das Stück als die Übeltäter identifiziert: Die armen Pächter, die sich rächen wollten, weil Arden sie ausbeutete, Alice und Mosbie, die feststellen, dass ihre Liebe nicht stärker ist als der Tod und Michel und Susanne, die als Diener unter Arden litten, aber doch nicht mit der Realität des Mordes zurechtkommen.
Arden, das Opfer und sein Freund Franklin auf der anderen Seite, sind auch nicht unschuldig, nur von einem naiven Glauben an den freien Handel beflügelt und auf diese Art unschuldig grausam wie es nur unempathische Reiche sein können, die einfach nicht verstehen, dass zu Liebe und Freundschaft erst einmal Sicherheit und ein voller Magen gehören; und sie Leute in den Hunger treiben, mit ihren abstrakten Spekulationen.
Nur die wahrhaft Schurkenhaften und Abgebrühten werden am Ende gewinnen, da sie sich mit der Gesellschaft und der Autorität verbünden können und von einer genauso zynischen Gesellschaft - verkörpert durch den Bürgermeister - als brauchbar und passend erkannt werden.
Erich Fried hat dem Text nicht nur durch die vielen literarischen Zitate eine intertextuelle, spielerische und persiflierende Ebene gegeben, er hat ihn darüber hinaus mit zeitgeschichtlichen Bezügen aufgeladen von dem finalen Rettungsschuss bis zu der Kritik an Mrs. Bradshaws ostentativ postulierten Mitläufertum „Ich war schon stets dagegen“.
Auch wenn für uns über dreißig Jahre später das Klima der siebziger und achziger Jahre in der BRD nicht mehr so virulent zu kritisieren und so präsent ist, die Nahrungsmittelspekulaten, die die kleinen Leute in den Hunger stürzen, die Gelangweilten, die sich in einer saturierten Gesellschaft eine hochemotionale  Liebesgeschichte als Hobby suchen und die Opportunisten, die am Ende gewinnen, die kennen wir immer noch.
Und wie uns der Epilog am Ende erinnert, es gibt in unserer Welt systematischen Mord, er ist nur viel besser organisiert als das Slapstick-Bravado von Bill und Beutelschneid - in unserer Welt gibt es Drohnen und Splitterbomben und Menschen  ertrinken im Mittelmeer, weit, weit weg von uns, auch wenn uns die Medien die Bilder in Farbe 24/7 ins Haus liefern.
Vielleicht ist der Stoff als Shakespeare-Apokryph auch nur deswegen so verführerisch, weil er endlich mal nicht zu Tode zitiert wurde: Aber um  zum Ende noch einmal den Barden zu bemühen, der eigentlich alles schon gesagt hat „All the world‘s a stage, And all the men and women merely players;“ ( As You Like It, Act II Scene VII). Zwischen unserem Auf- und Abgang können wir aber, auch wenn der Regisseur Evolution über unser Menschsein und seine Beschränkungen unsere Rollengrenzen festgelegt hat, doch unsere Rollen individuell interpretieren.


Rollen

Prolog/Epilog
Arden
Alice
Mosbie
Franklin

Michel
Susanne
Mrs. Bradshaw
Der schwarze Bill
Beutelschneid
Greene/Reede
Ein Fährmann
Ein alter Hirt
Ein Ladenbesitzer
Der Bürgermeister
Konstabler
Priester


Autor

Erich Fried wurde am 6. Mai 1921 in Wien geboren und starb am 22. November 1988 in Baden-Baden. Bekannt ist er in erster Linie als Lyriker, für seine Shakespeare-Übersetzung und politisches Engagment in der Außerparlamentarischen Opposition. im Rahmen seines politischen Engagement beteiligte er sich am politischen Diskurs seiner Zeit, hielt Vorträge und nahm an Demonstrationen teil.

Erich Fried wuchs in Wien als einziges Kind einer jüdischen Familie auf. Bereits als Fünfjähriger trat er mit einer Kinderschauspielgruppe in Wien auf. In Wien wurde er auch eingeschult und kam aufs Gymnasium. Bald nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland wurden seine Eltern von der Gestapo verhaftet. An den Folgen eines Verhörs starb am 24. Mai 1938 sein Vater. Im Juli wurde der Familie die Wohnung gekündigt, am 4. August gelang die Flucht über Belgien nach London, wo er bis zu seinem Tod wohnte. Er gründete dort die Selbsthilfegruppe Emigrantenjugend, der es gelang, viele Gefährdete, darunter auch seine Mutter, nach England zu bringen. 1940 veröffentlichte er erste Gedichte in Exilzeitschriften Während des Kriegs schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, wurde vor allem in den ersten Nachkriegsjahren Mitarbeiter bei zahlreichen neu gegründeten Zeitschriften und arbeitete von 1952 bis 1968 für den German Service der BBC.

In London trat der linken Organisationen bei, den Kommunistischen Jugendverband verließ er allerdings bereits 1943 wegen dessen zunehmenden stalinistischen Tendenzen.

1944 heiratete er Maria Marburg, kurz vor der Geburt seines Sohnes Hans. Im selben Jahr erschien sein erster Gedichtband Deutschland im Exilverlag des österreichischen PEN-Clubs.

1946 trennte er sich von Maria, die Ehe wurde 1952 geschieden. Im selben Jahr heiratete er Nan Spence-Eichner, mit der er zwei Kinder hatte. 1953 besucht Erich Freid zum ersten Mal seit 1938 wieder das europäische Festland. 1962 kam Erich Fried erstmals nach seiner Flucht wieder nach Wien und wurde 1963 Mitglied der Gruppe 47. Im Sommer 1965 heiratete er Catherine Boswell. Im Herbst kam ihre gemeinsame Tochter Petra zur Welt, 1969 die Zwillinge Klaus und Tom.

Seit Anfang der sechziger Jahre arbeitete Fried verstärkt an literarischen Texten und Übersetzungen aus dem Englischen. Gleichzeitig entwickelte sich sein bis zu seinem Lebensende anhaltendes verstärktes schriftstellerisches und politisches Engagement, insbesondere in Westdeutschland. Er trug in einer Vielzahl öffentlicher Auftritte seine Gedichte bei großen politischen Veranstaltungen vor, häufig im Rahmen der 68er-Bewegung.

Im Jahr 1979 erschien Frieds Buch Liebesgedichte, welches einer der erfolgreichsten Lyrikbände der deutschen Nachkriegszeit wurde. Es folgten weitere Gedichtbände, ein Band mit autobiographischen Texten und Prosa. 1982 bekam Erich Fried wieder die österreichische Staatsbürgerschaft, behielt zugleich aber die britische, die er seit Oktober 1949 besaß.
Am 17.Oktober 1987 kam es bei dem Festakt anlässlich der Verleihung des „Georg-Büchner-Preises“ zu einem einer Kontroverse, da kritisiert wurde, dass Fried als linker und kritischer Schriftsteller einen von öffentlichen Mitteln getragenen Preis angenommen habe.

Erich Fried starb am 22. November 1988 in Baden-Baden nach einer Krebsoperation. Begraben liegt er auf dem Londoner Friedhof Kensal Green.

Unter Verwendung des Wikipedia-Artikels und des Bandes Erich Fried. Ein Leben in Bildern und Geschichten von Cathrine Fried-Boswell (Herausgeber), Volker Kaukoreit, Berlin, 1996.



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