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Eine der
größten Leistungen des mittelalterlichen Bürgertums war
die Durchsetzung seines Rechtes auf Freiheit und Selbstbestimmung.
Stadträte und Bürgermeister standen an der Spitze der
Bürgerschaft. Stadtschreiber, Kämmerer und Notare sorgten
für die geordnete Stadtverwaltung. In Dresden, wie in vielen
anderen mittelalterlichen Städten, zogen die Bürger vor den
Stadtrat, um ihre Geschäfte, Familien- oder Rechtsangelegenheiten
zu regeln: Eheverträge, Testamente, Erbteilungen, Quittungen,
Stiftungen für die Dresdner Kirchen und Hospitäler, Kauf- und
Kreditgeschäfte, Handwerksordnungen, Neubürgerlisten,
Schiedssprüche und Ratsbeschlüsse - die Dresdner
Stadtbücher gewähren einen faszinierenden Einblick in den
Alltag des städtischen Gemeinwesens und seiner Bürger. Mit
ihrer Hilfe lässt sich die Geschichte Dresdens im Zeitalter des
glanzvollen wettinischen Aufstiegs, der Hussitenkriege und der
Reformation neu schreiben.
Das Stadtarchiv Dresden bewahrt sechs der sieben Dresdner
Stadtbücher aus den Jahren 1404 bis 1535 sowie die beiden
Altendresdner Stadtbücher von 1412 bis 1549. Lediglich das zweite
Dresdner Buch von 1437 bis 1453 ging während des Zweiten
Weltkrieges verloren. Für das älteste Stadtbuch liegt eine
Transkription von Elisabeth Boer aus dem Jahre 1963 vor. Ebenfalls
überliefert sind ein Findregister für die Jahre 1454 bis 1519
sowie eine Reihe von Wachstafeln, ein äußerst seltener Fund
aus den Jahren 1437 bis 1456. Jedes Buch umfasst zwischen 60 und 150
Pergament- oder Papierblättern. Mit wenigen lateinischen Ausnahmen
sind die Einträge in frühneuhochdeutscher Sprache mit
obersächsischer Einfärbung gehalten. Die
spätmittelalterliche Kursivschrift variiert zwischen den
verschiedenen Stadtschreibern, denen die Stadtbücher oblagen.
Gemeinsam mit dem Stadtarchiv Dresden ist die Edition der insgesamt
acht Bücher mit historisch-philologischem Kommentar,
ausführlichen Registern und Forschungshinweisen bis Ende 2008
geplant. Ein Workshop zu den Perspektiven und Problemen der
Stadtbuchforschung und -edition wird für Ende 2006 geplant.
Vorarbeit:
Jörg Oberste: Alltag und Lebenswelt im spätmittelalterlichen
Dresden, in: Geschichte der Stadt Dresden, hg. v. Karlheinz Blaschke,
Stuttgart 2005 (im Druck).
Religiöse Kommunikation und städtische Eliten im mittelalterlichen Regensburg
Die
künftigen Forschungen an der Universität Regensburg
untersuchen die religiös-kirchlichen Rahmenbedingungen und
sozialen Erscheinungsformen des Aufstiegs städtischer Eliten im
13. und 15. Jahrhundert. Sie gehen dabei generell von der Beobachtung
aus, dass die Beziehungen der wirtschaftlich führenden Familien
zur lokalen Kirche, zu den Pfarreien, Stiften und Klöstern ihrer
Heimatstadt und des näheren Umfeldes, wesentliche Funktionen bei
der Etablierung einer sozialen Führungsposition innerhalb der
städtischen Gesellschaft erfüllten, während der
zeitgenössische Diskurs in Theologie und Kanonistik eine eher
restriktive Ethik städtischer Berufe und kaufmännischer
Praktiken formulierte. Mit welchen theologischen Argumenten,
religiös-ethischen Verpflichtungen, medialen Formen und
praktischen Konsequenzen die Integration der städtischen Welt im
allgemeinen und ihrer sozialen Eliten im besonderen gelang und welche
Rolle dabei die insbesondere die Bettelordenskonvente spielten, soll am
gut dokumentierten Regensburger Fallbeispiel veranschaulicht werden.
In einem weiteren Schritt wird konkret nach dem Spektrum
religiöser Verhaltensweisen kaufmännisch-städtischer
Gruppen, insbesondere ihren komplexen Interaktionen mit kirchlichen und
klösterlichen Einrichtungen des lokalen und regionalen Umfelds
sowie ihrer pastoralen Betreuung und Integration zu fragen sein. Die
bezeichneten Manifestationen stadtbürgerlicher Frömmigkeit
lassen in einer erweiterten Perspektive einerseits nach
Möglichkeiten öffentlicher Repräsentation von
Führungsansprüchen fragen (die "rituell-religiöse
Dimension stadtbürgerlicher Identitätsbildung", K. Schreiner)
und andererseits nach den institutionellen Mechanismen für
Kommunikation und Kooperation der familiär eng verflochtenen, im
Eigeninteresse agierenden kommunalen wie kirchlichen Eliten. Die reiche
Überlieferung von Testamenten, Stiftungen und Urkunden aus
kirchlichen und städtischen Archiven Regensburgs bildet die
Grundlage der Untersuchungen. Eine Aufarbeitung des großen
Bestands Regensburger Testamente im Bayerischen Hauptstaatsarchiv und
lokalen Archiven soll in diesem Zusammenhang angestrebt werden und
möglicherweise eine Edition vorbereiten.
Vorarbeiten:
Jörg Oberste: Bonus negotiator Christus - malus negotiator
dyabolus. Kaufmann und Kommerz in der Bildersprache
hochmittelalterlicher Prediger, in: Institutionalität und
Symbolisierung. Verstetigungen kultureller Ordnungsmuster in
Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. G. MELVILLE, Köln/Weimar/Wien
2001, S. 425-449.
Jörg Oberste: Zwischen Heiligkeit und Häresie.
Religiosität und sozialer Aufstieg in der Stadt des hohen
Mittelalters, Bd. 1: Städtische Eliten in der
hochmittelalterlichen Kirche, Bd. 2: Städtische Eliten in Toulouse
(Norm und Struktur 17), Köln/Weimar/Wien 2003.
Jörg Oberste: Das Bistum Regensburg im Spätmittelalter
zwischen Krise und Erneuerung. Zwei Reformschriften Konrads von
Megenberg (†1374), in: Zeitschrift für bayerische
Landesgeschichte 64 (2001), S. 663-692.
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