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Zu jung für eine neue Hüfte?

Prof. Renkawitz im Gespräch mit BRIGITTE-Redakteurin Sabine Hoffmann

Warum müssen Hüftgelenke durch Kunstgelenke ersetzt werden?

Prof. Dr. Tobias Renkawitz: Die Hauptursache ist Arthrose, also altersbedingter Gelenkverschleiß. Bei jüngeren Patienten liegt häufiger eine Hüftkopfnekrose vor: Aufgrund einer Durchblutungsstörung des Hüftkopfs stirbt das Knochengewebe ab. Langfristig kann das ebenso zu Verschleiß führen. Auch Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, starkes Übergewicht oder einseitige Ernährung können die Knorpelbiologie stören und die Gelenkfunktion beeinträchtigen. Gut 273 000 Implantationen künstlicher Hüften wurden laut Endoprothesenregister 2023 durchgeführt.

Etwa 60 Prozent bei Frauen. Warum?

Ab dem 75. Lebensjahr kommt bei Frauen eine Hüftarthrose häufiger vor. Die genaue Ursache ist noch nicht geklärt. Genetische Faktoren, hormonelle Unterschiede und anatomische Gründe könnten aber eine Rolle dabei spielen, dass der Hüftknorpel weniger belastbar wird.

Inzwischen ist jede*r sechste Betroffene jünger als 60 Jahre. Wird in Deutschland zu schnell und oft ein künstliches Gelenk eingesetzt?

Die Frage ist berechtigt, denn im internationalen Vergleich zählen wir zu den Spit- zenreitern. Das liegt sicherlich auch an der guten medizinischen Versorgung und den vielen modernen Behandlungsmöglichkeiten, die bei uns zur Verfügung stehen. Oft könnten die konservativen Maßnahmen auch noch intensiver ausgeschöpft werden, damit die OP nicht an erster, sondern wirklich nur an letzter Stelle steht.

Welche Folgen kann es haben, wenn zu früh implantiert wird?

Kunstgelenke haben nur eine begrenzte Haltbarkeit. Gerade bei Patienten im mittleren Alter ist dann irgendwann eine Wechseloperation erforderlich. Diese ist herausfordernd und bedeutet, wie jede OP, Stress für den Körper. Ein künstliches Gelenk sollte nur eingesetzt werden, wenn es wirklich nicht mehr anders geht.

Wie lässt sich das hinauszögern?

Beispielsweise durch den Lebensstil. Das geht bei der Ernährung los. Am besten ist die Mittelmeerküche: Omega-3-reiche Fette aus Ölen, Nüssen und Seefisch wie Lachs, Hering oder Makrele hemmen Entzündungen. Ebenso wichtig ist regelmäßige Bewegung, denn diese regt den Stoffwechsel und die Durchblutung an. So werden Knorpel und Knochen im Gelenk besser mit Nährstoffen versorgt. Gut sind Nordic Walking, Schwimmen und Radfahren, also Gelenktraining ohne zu große Belastung. Gerade bei Übergewicht eignen sich diese Sportarten auch zur Gewichtsreduktion. Je stärker die Belastung durch ein erhöhtes Körpergewicht ist, desto schneller kann es zu einem Verschleiß kommen. Am besten auch auf übermäßig Alkohol, Nikotin und Softdrinks verzichten, denn sie schaden den Gelenken nachhaltig.

Und wann muss es wirklich ein neues Gelenk sein?

Es gibt vier einfache Fragen: Treten die Schmerzen auch im Ruhezustand und vielleicht sogar nachts auf, sodass Sie aufwachen? Nehmen Sie mehrmals die Woche Schmerzmittel, oder würden Sie diese am liebsten ständig nehmen, weil die Beschwerden so heftig sind? Schaffen Sie es, keine halbe Stunde mehr, schmerzfrei zu laufen? Ist Ihre Lebensqualität stark eingeschränkt? Wenn alle konservativen Maßnahmen bereits ausgeschöpft sind und das alles bejaht wird, kann man über eine OP sprechen.

Wie bereitet man sich am besten auf den Eingriff vor?

Es gilt: Je besser die körperliche Verfassung vor dem Eingriff, desto schneller erholen sich die Patienten nach der OP. Optimal ist ein Trainingsprogramm zur Kräftigung der Muskulatur und Stabilität. Um das Risiko von Infektionen zu vermeiden, ist es zudem wichtig, Entzündungsherde, beispielsweise auch an den Zähnen oder zwischen den Zehen, sowie offene Wunden zu behandeln.

Sie erhielten für Ihr OP-Verfahren am Knie- und Hüftgelenk 2014 den Oskar-Medizinpreis, eine der höchstdotierten Auszeichnungen für Ärzte und Ärztinnen in Deutschland. Was macht das Verfahren so besonders?

Anders als früher werden keine Muskeln durchtrennt. Das Implantat wird mini- malinvasiv – das bedeutet in diesem Fall besonders muskelschonend – durch eine anatomische Lücke zwischen zwei Muskeln eingesetzt. Dadurch wird die Muskulatur um das Hüftgelenk geschont und nicht verletzt. Bereits vor dem Eingriff wird die exakte Lage der Hüftendoprothese mithilfe digitaler Röntgenaufnahmen exakt geplant. Während der OP wird mit einem speziellen Fluoroskop kontrolliert, dass das Implantat präzise platziert ist. Auf diese Weise hält es länger, und das Risiko von Nachoperationen sinkt. Der Schmerz wird gleich während der OP dort, wo er entsteht, mit einem speziellen Schmerzmittel bekämpft. Die Patienten sind deshalb bereits wenige Stunden nach der OP mithilfe eines Physiotherapeuten zum ersten Mal auf den Beinen.

Was sind weitere Vorteile einer minimalinvasiven OP?

Durch das muskelerhaltende Vorgehen sinkt der Blutverlust, die Wunde heilt besser, und die Patienten sind schneller wie- der auf den Beinen – auch weil das künstliche Gelenk mit der richtigen Technik sofort voll belastet werden darf. Läuft alles wie geplant, verlassen sie etwa am fünften Tag nach der Operation die Klinik.

Wie lange dauert es dann, bis man wieder richtig fit ist?

Im Regelfall erfolgt drei Wochen lang eine ambulante oder stationäre Reha. Bis man wieder alles wie gewohnt machen kann, sollte man mit sechs bis sieben Wochen rechnen.

Interview: Sabine Hoffmann, 18.06.2025, BRIGITTE

Zum Download: Originalartikel


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