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Mitteilungen der Universität Regensburg

Regensburgs Stadtverwaltung in der NS-Zeit

Universität Regensburg und Stadt Regensburg unterzeichnen Vereinbarung für langfristig angelegtes Forschungsprojekt am Zentrum Erinnerungskultur


30. Oktober 2024

In den kommenden zwölf Jahren untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Regensburg (UR) in einem groß angelegten Forschungsprojekt die Geschichte der Regensburger Stadtverwaltung in der NS-Zeit. Mit der Unterzeichnung einer Zuwendungsvereinbarung durch Präsidium und Projektverantwortliche der UR sowie Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer erfolgte am 29. Oktober 2024 im Kurfürstenzimmer des Alten Rathauses in Regensburg der offizielle Startschuss für ein umfassendes und interdisziplinäres Forschungsprojekt.

Das Zentrum Erinnerungskultur (ZE) der UR koordiniert das Forschungsvorhaben, das der Präsident der Universität Regensburg, Professor Dr. Udo Hebel, bei der Unterzeichnung als paradigmatisch und eminent bedeutsam beschrieb. „Es ist der Universität Regensburg ein großes Anliegen, gemeinsam mit der Stadt Regensburg unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und einen wissenschaftlichen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Zeit zu leisten.“


Vertreterinnen der Stadt und Mitglieder der Universität Regensburg am 29. Oktober 2024 bei der Unterzeichnung einer Zuwendungsvereinbarung für ein Forschungsprojekt, das Regensburgs Stadtverwaltung in der NS-Zeit untersucht. Alle Fotos: Julia Dragan / Universität Regensburg

Gegen Vergessen und Unwissen

In seinem Dank an die Projektbeteiligten hob Hebel Bedeutung, Relevanz, Kompetenz und Attraktivität des vergleichsweise jungen UR-Zentrums Erinnerungskultur (ZE) und dessen Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg hervor. Er erinnerte an die Strahlkraft der jüngsten gemeinsamen Projekte, etwa zum Ende der Zeitzeugenschaft. Auch das Projekt zur Regensburger Stadtverwaltung in der NS-Zeit verdeutliche nun „die zentrale Rolle des Zentrum Erinnerungskultur der Universität Regensburg als eine wichtige Plattform für Erinnerung, Erinnerungskultur und Erinnerungsarbeit.“

Hebel erinnerte daran, dass sich die Stadt Regensburg nahezu zeitgleich mit den UR-Planungen für das ZE ein Konzept zur Erinnerungskultur gegeben habe und vieles „parallel und korrespondierend“ gelaufen sei. Für die Universität Regensburg und ihn persönlich, so Hebel sei es zentral, „dass die Linien der Erinnerung nicht verschoben werden“, es dürfe keine Lücken im Gedächtnis geben, schon gar nicht institutionell und kollektiv: „Wir müssen gegen Geschichtsvergessenheit und Geschichtsrevisionismus eintreten und mit solchen Projekten dafür sorgen, dass die Zukunft nicht von falschem Wissen, Unwissen oder gar Gegenwissen dominiert wird. Es wird eine große Dynamik entstehen, parallel auch positive Energie in einem schlimmen Feld der Vergangenheit. Das ist die Botschaft, die wir mitnehmen.“

Universitätspräsident Professor Dr. Udo Hebel und Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer bei der Pressekonferenz.

Umfassende Aufarbeitung

Im Juni 2023 hatte der Regensburger Stadtrat einstimmig beschlossen, die bislang nur unzureichend erforschten Bereiche der Stadtverwaltung und das Handeln des dort zwischen 1933 und 1945 (und darüber hinaus) tätigen Spitzenpersonals im Rahmen einer mehrjährigen wissenschaftlichen Kooperation mit der Universität Regensburg untersuchen zu lassen.„Mit diesem Forschungsprojekt gehen wir die schon lange notwendige Aufarbeitung der Stadtverwaltung im Nationalsozialismus endlich wissenschaftlich an und haben mit der Universität Regensburg den geeigneten Partner dafür. Die gewonnenen Erkenntnisse werden künftig das Rückgrat für eine nachhaltige Erinnerungs- und Gedenkkultur in Regensburg bilden“, so Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer.

Die Stadt Regensburg fördert das Projekt mit jährlich 190.000 Euro. Aus diesen Mitteln werden die entsprechenden Stellen an der Universität finanziert. Die Studien sind an den Lehrstühlen von Professor Dr. Bernhard Löffler (Bayerische Landesgeschichte, Direktorium ZE), Professor Dr. Daniel Drascek (Vergleichende Kulturwissenschaft) und Professor Dr. Mark Spoerer (Wirtschafts- und Sozialgeschichte) angesiedelt.

Beteiligte des Projektes zur Geschichte der Regensburger Stadtverwaltung im Nationalsozialismus (v. l.) Martina Köglmeier (Stabsstelle Erinnerungs- und Gedenkkultur, Stadt Regensburg), Dr. Sabine Kellner-Mayrhofer (Referentin für Bildung, Stadt Regensburg), Prof. Dr. Daniel Drascek (Vergleichende Kulturwissenschaft) und im Vortrag Prof. Dr. Bernhard Löffler (Bayerische Landesgeschichte, Direktorium Zentrum Erinnerungskultur).

Kontexte und Querverbindungen

Die verantwortlichen Forschenden übernehmen in kollegialer Abstimmung die Funktion der fachlichen Betreuung, die Personalauswahl sowie den direkten Kontakt mit den zuständigen städtischen Stellen, Stadtarchiv und Stabsstelle für Gedenk- und Erinnerungskultur der Stadt Regensburg. Das Projekt zielt auf Fertigstellung bzw. Publikation einer wissenschaftlichen Studie zu jedem der Themenfelder. Löffler verwies darauf, dass die fachliche Expertise für das Unternehmen aus verschiedenen Disziplinen ein gutes Fundament bilde; man sei „inhaltlich weit aufgefächert, mit einem zeithistorischen Kern, aber breiten interdisziplinären Facetten“.

Nach den ersten Themen „Kulturverwaltung und Kulturpolitik“ in Regensburg sowie „Wirtschaft und Messerschmitt“ werde es ein weites Spektrum an Fragestellungen und Politikfeldern geben, berichtete Löffler. Untersucht werden Finanzen; die Stadtspitzen (Bürgermeister und Stadtrat), Stadtplanung und Bauwesen; Recht, Sicherheit, Polizei und Ordnung; Gesundheitswesen sowie Bildungswesen. Konzeptionell wichtig ist dem Historiker, „dass es weniger um einzelne Personen gehe als um den jeweiligen größeren Kontext, um Querverbindungen, um eine exemplarisch-typologische und vergleichende Interpretation der Zusammenhänge“. Über das ZE ließen sich Verknüpfungen zu dort angesiedelten Projekten, etwa zur Bayerischen Ostmark oder zum Festspiel der Landshuter Hochzeit im Nationalsozialismus, schaffen, ebenso zu Arbeitsfeldern der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg (Zwangsarbeit und Messerschmitt). Erste Manuskripte erwartet Löffler 2028.

UR-Vizepräsidentin Prof. Dr. Ursula Regener bei der Pressekonferenz.

Zum aktuellen Projektbeginn erinnerte die Vizepräsidentin für Internationalisierung und Diversity der Universität Regensburg (UR), Professorin Dr. Ursula Regener, daran, dass Forschungsprojekte auch immer „Ergebnisse anbrandender Fragestellungen“ seien: „Wir möchten alle wissen, wie eine Stadtgesellschaft, wie eine Stadtverwaltung mit Radikalisierungen umgeht, wir möchten auch die Taktiken von Widerständen kennenlernen.“ Somit seien die Perspektiven auf das Thema andere als vor zehn Jahren und von jetzt drängenden Fragen bestimmt. „Diese zusammen bearbeiten und beantworten zu können“, sagte Regener, „scheint mir auch ein Glücksfall zu sein“.

Bei der Unterzeichnung der Zuwendungsvereinbarung (v. l.) Prof. Dr. Daniel Drascek und Prof. Dr. Bernhard Löffler, (stehend v. r.) Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Lorenz Baibl (Stadtarchiv) und Wolfgang Dersch (Kulturreferent).

twa.

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