Der Appetit der Ameisen…
Dr. Enikő Csata, Humboldt-Stipendiatin am Institut für Zoologie, erforscht, wie Parasiten sich auf Leben und Sozialstruktur von Ameisen auswirken
19. Mai 2021 ǀ Von Tanja Wagensohn, Fotos © Katalin Erős
Biologie des Verhaltens und der Sinne: Auf diesem Feld forscht Dr. Enikő Csata derzeit an der Fakultät für Biologie und Vorklinische Medizin der Universität Regensburg mit einem Forschungsstipendium für Postdoktorand:innen der Alexander von Humboldt-Stiftung. Sie arbeitet dabei unter anderem mit Professor Dr. Joachim Ruther (Chemische Ökologie) und Professor Dr. Jürgen Heinze, Inhaber des Lehrstuhls für Evolution und Zellbiologie, zusammen. Aktuell untersucht die Biologin die Auswirkung eines ektoparasitischen Pilzes auf die Lebensweise und vor allem die Sozialstruktur einheimischer Ameisen der Gattung Myrmica. Während ihres MSc- und PhD-Studiums an der Babeș-Bolyai-Universität im rumänischen Cluj-Napoca interessierte sich die Biologin bereits für die Thematik Wechselwirkungen zwischen Wirt und Parasit und konzentrierte sich dann hauptsächlich auf Ameisen und ihre Parasiten. Ihre erste Postdoc-Station vor der UR war die Universität Toulouse in Südfrankreich. Ameisen zu studieren ist für Enikő Csata nicht nur ein Beruf, sondern auch Hobby und Leidenschaft.
Willkommen an der Universität Regensburg, Enikő Csata! Ameisen, deren Parasiten und Ernährung – wie sieht Ihr Forschungsansatz aus, welche Fragen leiten Ihren Alltag im Labor?
Enikő Csata: Was und wie viel wir essen, wirkt sich stark auf unser Leben aus. Zum Beispiel ist eine ausgewogene Ernährung mit ausreichenden Nährstoffen und angemessenen Kalorien eine entscheidende Voraussetzung für eine gute Gesundheit. Eine gute Ernährung trägt zu einem gesunden Leben bei. Ebenso beeinträchtigt eine schlechte Ernährung die individuellen Fähigkeiten zur Bekämpfung von Infektionen und infolgedessen das Überleben des Organismus. Das ist auch Thema bei Insekten: In meiner Forschung versuche ich unter anderem, die Frage zu beantworten, welche Nährstoffe Parasiten von ihren Wirtsameisen beziehen. Darauf basierend stellt sich eine weitere Frage: Kann es sein, dass Parasiten das kollektive Verhalten eines Ameisenwirts beeinflussen?
Können Sie uns das an einem Beispiel erklären?
Wir wissen, dass Einzeltiere nach einer Infektion häufig ihre Futterwahl ändern, um die Immunfunktion zu erhöhen. Ob soziale Tiere, die Nahrung für ihre Brut oder für Nestkameraden sammeln, ihre Nährstoffaufnahme an die Infektionszustände ihrer Sozialpartner anpassen, ist praktisch unerforscht. Mein Projekt an der UR soll zeigen, dass soziale Tiere wie Ameisen auch Appetit auf Gesundheit haben. Im Fokus meiner Forschung steht dabei die Ameisenart Myrmica scabrinodis, die Trockenrasen-Knotenameise, und ein parasitärer Pilz, Rickia wasmannii, der ungewöhnlich und wenig bekannt ist: Dieser Pilz wächst auf der Kutikula der Ameisen und sorgt für ein “behaartes” Erscheinungsbild. Bei sozialen Insekten haben wir nicht so viele Informationen über den Zusammenhang zwischen Parasiten und Ernährung. Diese Informationen versuche ich zusammenzutragen.
Von Parasiten befallener Kopf einer Trockenrasen-Knotenameise.
Foto: Ciprian Mihali, published in: Csata, E., Erős, K. & Markó, B. Effects of the ectoparasitic fungus Rickia wasmannii on its ant host Myrmica scabrinodis: changes in host mortality and behavior. Insect. Soc. 61, 247–252 (2014).
https://doi.org/10.1007/s00040-014-0349-3
Wie machen Sie das?
Kurz gesagt: Ich koche die meiste Zeit verschiedene Diäten für die Ameisen, mische verschiedene Mengen an Aminosäuren, Zucker, Fettsäuren usw. und beobachte dann, wie sich die Ameisen im Kontext verschiedener Diäten verhalten, etwa, wie sie sich putzen. Wir erwarten, dass einige der Diäten den infizierten Ameisen helfen werden, den parasitischen Pilz zu bekämpfen. Also verbringe ich mehr Zeit damit, für meine Ameisen zu kochen als für mich selbst…
Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, an der UR zu forschen?
In den letzten sechs Jahren war ich ein sehr häufiger Gast an der Fakultät für Biologie und Vorklinische Medizin der UR. Das erste Mal kam ich als Doktorandin im zweiten Jahr mit einem Erasmus-Stipendium in das Labor von Professor Dr. Jürgen Heinze. Hier zu arbeiten ist für mich die perfekte Wahl: Professor Heinze ist einer der führenden Verhaltens- und Evolutionsbiologen in Europa. Während meines ersten Aufenthalts an der UR traf ich wundervolle Forscher:innen und arbeitete sehr konstruktiv mit allen im Labor zusammen. Dann bekam ich eine kurzfristige Finanzierung vom DAAD, also kam ich noch einmal zurück. Bei meinem Aufenthalt an der UR lernte ich, neue Methoden anzuwenden. Diese Erfahrungen konnte ich an meine Kolleg:innen der Fakultät für Biologie und Geologie meiner Heimatuniversität, der Babeș-Bolyai-Universität, weitergeben. Später wurde für mich ein Traum wahr, als ich ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung erhielt und Professor Jürgen Heinze es mir ermöglichte, mein Projekt in seinem Labor durchzuführen. Aus früheren Erfahrungen weiß ich, wie wichtig das Arbeitsumfeld für die Unterstützung der Mitglieder der Gruppe ist, insbesondere bei neuen Herausforderungen. Für mich ist es wichtig, in einer Gruppe zu arbeiten, in der alle offen und bereit sind, Probleme im Forschungskontext anzusprechen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Ich erlebe eine schöne, offene und freundliche Atmosphäre hier am Institut.
Ihr Bild zeigt Sie beim Sammeln von Ameisen in Lappland. Wie entdecken Sie ihre „Forschungsobjekte“?
Nach dem europäischen Kongress der Internationalen Union zur Erforschung sozialer Insekten in Helsinki machte ich mit einem Freund eine Wanderung in Lappland, und während dieser Reise hatten wir auch forschungstechnisch Glück: Wir entdeckten rote Holzameisen, die mit dem Pilz Pandora formicae infiziert waren. Was man dabei wissen muss, ist, dass dieser Pilz Ameisen zu regelrechten Zombies macht. Bevor der Pilz ausbricht, werden die sterbenden Ameisenarbeiterinnen extrem unruhig und aufgeregt. Sie klettern an Pflanzen auf und ab, halten sich schließlich mit ihren Unterkiefern fest und sterben in diesem „Todesgriff“. Grund dafür ist der Pilz: Er verzehrt in rascher Geschwindigkeit die Muskeln der Ameisen und legt so ihr zentrales Nervensystem lahm. Nach solchen Dingen halte ich überall Ausschau. Da ich die meiste Zeit im Labor verbringe, nutze ich jede Gelegenheit, biologische Vielfalt bei Exkursionen an die unterschiedlichsten Orte zu entdecken. 2018 etwa war ich im Amazonas-Regenwald in Brasilien, der mich sehr faszinierte.
Außerhalb der Forschung – gibt es etwas, das Sie an der Universität Regensburg besonders mögen?
Die Liste ist ziemlich lang, um ehrlich zu sein, aber als Biologin und Zoologin fallen mir als erstes die Insektenhotels ein. Es ist sehr schön zu sehen, dass die UR Insektenhotels auf dem Campus installiert hat und dass sie auch von vielen verschiedenen Insekten besetzt sind. Diese Insektenhotels bieten Schutz und beherbergen eine Vielzahl von Insekten. Sie sind besonders wichtig für die Bestäuber, von denen wir abhängig sind, deren Anzahl jedoch dramatisch zurückgegangen ist. Ich mag den grünen Campus sehr, es gibt Wiesen und auch einen wunderschönen botanischen Garten. Für mich ist es wichtig, von einer grünen Umgebung umgeben zu sein, weil sie mir viel Energie und Freude im Alltag spendet.
Danke für das Gespräch, Enikő Csata!