2. – 4. Oktober 2014
12. Symposium für europäisches Familienrecht
Aufgrund der medizinischen Fortschritte und der Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins gewinnt die künstliche Fortpflanzung zunehmend an Bedeutung. Eine Reihe von damit verbundenen Rechtsfragen ist freilich streitig oder ungeklärt. Zudem sehen die Rechtsordnungen in Europa keine einheitlichen Problemlösungen vor.
Ziel des Symposiums war es, die zentralen Fragen dieses Problembereichs herauszuarbeiten und rechtsvergleichend zu erörtern. Damit sollten auch die Chancen einer europäischen Rechtsangleichung auf diesem Gebiet und der Bedarf für Reformen des deutschen Rechts ausgelotet werden. Weiterhin sollten die einschlägigen Fragen des Internationalen Privatrechts zur Sprache kommen. Schließlich sollte auch erörtert werden, welche vertraglichen Regelungen in dem genannten Bereich getroffen werden können.
Hauptsächlich ging es um folgende Problemfelder: (1) Künstliche Insemination; (2) Eizellenspende; (3) Embryonenspende; (4) Ersatzmutterschaft; (5) Besonderheiten der Adoption bei künstlicher Fortpflanzung; (6) Umgang mit Keimzellen Verstorbener; (7) Recht auf Kenntnis der Abstammung bei künstlicher Zeugung; (8) Internationales Privat- und Verfahrensrecht; (9) Probleme der Vertragsgestaltung.
Tagungsleitung Prof. Dr. Anatol Dutta Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Gottwald Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Henrich Prof. Dr. Martin Löhnig | Sponsoren Die Tagung wurde gefördert vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie von der Bundesnotarkammer. |
Tagungsbericht
von Lukas Meyer, Regensburg
„Künstliche Fortpflanzung“ hieß der übergreifende Titel des 12. Symposiums für europäisches Familienrecht, das vom 2. bis 4. Oktober 2014 an der Universität Regensburg stattfand. Der Aktualität des Themas gemäß stieß die Tagung auf hohes Interesse. Der bayerische Staatsminister der Justiz Winfried Bausback, selbst Professor der Rechtswissenschaften, unterstrich in seinen eröffnenden Worten Bedeutung und Brisanz dieses in der Gesellschaft kontrovers diskutierten Rechtsgebiets. In besonderem Maße würden die Justizministerien vom Symposium profitieren, betonte auch Daniela Goerdeler, Ministerialrätin im Bundesjustizministerium, die Grußworte des Bundesjustizministers Heiko Maas überbrachte. Hier werde bedeutende Vorarbeit für den Gesetzgeber geleistet. Dieter Schwab (Regensburg) griff dies in seiner Einführung auf. Vieles sei im Fluss, doch seien die Unterschiede in den europäischen Staaten zum Teil sehr groß, ein Streben nach europäischer Rechtseinheit daher schwer, zumindest aber könne die Tagung diese vorbereiten helfen.
Auch diesmal konnten wieder namhafte Referenten aus dem In- und europäischem Ausland gewonnen werden. Ausgehend von der Rechtslage in Deutschland (Martin Löhnig, Regensburg) einschließlich der Möglichkeiten der Vertragsgestaltung (Herbert Grziwotz, Regen) und Fragen des Kollisionsrechts (Tobias Helms, Marburg) ging der Blick alsbald über die deutsche Rechtsordnung hinaus. Walter Pintens (Leuven) referierte über die belgische und französische Rechtslage, Philipp M. Reuß (München/Utrecht) stellte das Recht der künstlichen Fortpflanzung in den Niederlanden dar. Es folgten Länderberichte über die Schweiz (Regina Aebi-Müller, Luzern) und Österreich (Susanne Ferrari, Graz). Griechisches und spanisches Recht wurden von Eleni Zervogianni (Thessaloniki) und Josep Ferrer Riba (Barcelona) skizziert. Es folgten Berichte aus Polen (Blazej Bugajski, Krakau) und Slowenien (Barbara Novak, Ljubljana). Den Abschluss der Länderberichte bildeten Ausführungen über das Recht in England/Wales (Jens Scherpe, Cambridge) und in Norwegen (Anneken Sperr, Bergen). Dabei fanden zwischen den Berichtspaaren intensive Diskussionen über die jeweilige Rechtslage statt. Die zentralen Fragen des Rechts der künstlichen Fortpflanzung – Samenspende, Eizellenspende, Embryonenspende, Leihmutterschaft, postmortale Verwendung von Keimzellen, die von den Referenten behandelt worden waren, wurden so mit neuem Erkenntnisgewinn vertieft. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der europäischen Rechtsordnungen traten offen zu Tage. Angesichts des Reproduktionstourismus, vor allem aus den europäischen Staaten als „Nachfragerstaaten“ in „Anbieterstaaten“ wie etwa Kalifornien und Indien, drängte sich ein Blick über Europa hinaus (Anatol Dutta, Regensburg) vor allem bezüglich der (kommerziellen) Leihmutterschaft auf.
Schlussbetrachtung (Dieter Henrich, Regensburg) und Schlussdiskussion unterstrichen, was schon in der Einführung angeklungen war: Die Divergenzen sind so vielfältig, dass eine europäische Rechtsangleichung in absehbarer Zeit vor hohen Hürden steht. Während in einigen Rechtsordnungen anonyme Samen - und Eizellenspenden, eine Co-Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare und eine Leihmutterschaft möglich sind, gestatten andere Rechtsordnungen lediglich eine Samenspende innerhalb traditioneller Paarbeziehungen oder fokussieren das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung. Diese Unterschiede zeigen, dass das Recht bei der künstlichen Fortpflanzung in besonderer Weise auch auf außerrechtliche Ansichten in der Gesellschaft zu Fragen der Ethik und Moral reagiert.
Weitere Tagungsberichte
Konrad Duden, FamRZ 2014, 1904-1905
Claudia Mayer, ZEuP 2015, 661-663