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Rede von PStS Dr. Max Stadler (†)

Die Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Justiz, Dr. Max Stadler (†) MdB, bei der Feierstunde anlässlich des 80. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. h. c. Ekkehard Schumann am 21. Januar 2012 an der Universität Regensburg

Sehr verehrter Herr Professor Schumann! Sehr verehrte Frau Schumann! Sehr geehrte Damen und Herren!

Es war eine ausgezeichnete Idee von Frau Dr. Mielke, die ehemaligen Doktoranden und Assistenten von Herrn Professor Schumann für den heutigen Tag nach Regensburg einzuladen, damit wir unserem akademischen Lehrer die herzlichen Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstag übermitteln können. Es war ferner eine gute Idee von Frau Kollegin Mielke, dass sie ihren Vorschlag wieder zurückgenommen hat, ich solle aus diesem Anlass eine „Festrede“ halten. Denn ich fühle mich nicht dazu berufen, das Lebenswerk von Herrn Professor Schumann umfassend zu würdigen. Wohl aber ist es eine große Ehre für mich, dass ich einige Impressionen aus meiner dreijährigen Zeit als Mitarbeiter am Lehrstuhl und aus späteren Begegnungen mit Herrn Professor Schumann vortragen darf.

Vor allem aber möchte ich aus höchst aktuellem Anlass die Gelegenheit nutzen, Ihnen, Herr Professor Schumann, für eine Ihrer Eigenheiten sehr herzlich zu danken: Sie haben immer die Auffassung vertreten, dass die Fußnoten bei wissenschaftlichen Abhandlungen besonders wichtig seien. Ich erinnere mich, dass Sie einmal – wohl nur halb im Scherz – geäußert haben, Sie würden ohnehin zuerst die Fußnoten lesen und dann den eigentlichen Text. Und in einer Bewertung Ihres bekannten Buches „Die ZPO-Klausur“, die ich im Internet gefunden habe, heißt es, dass dieses Buch eigentlich fünf Sterne verdient habe, aber nach Auffassung des betreffenden Lesers zu viele Fußnoten enthalte.

Wir Doktoranden sind Ihnen jedenfalls heute für die von Ihnen geforderte Genauigkeit beim Zitieren im Nachhinein sehr dankbar!

Meine Impressionen betreffen das Wirken von Professor Schumann als akademischer Lehrer, als Wissenschaftler und als homo politicus (die letztere Formulierung habe ich bewusst gewählt, denn sie trifft eher zu als die Bezeichnung „Politiker“).

Dass Sie noch heute von der Fakultät gebeten werden, regelmäßig Repetitorien über Verfahrensrecht an der Universität Regensburg abzuhalten, spricht für Ihr Ansehen als Lehrer. Dies war auch in den 70er Jahren schon so. Die Skripten für Ihren damaligen ZPO-Kurs wurden Ihnen von den Studenten förmlich aus der Hand gerissen. Daraus entstand die bekannte JuS-Serie, die dann Ihrerseits in das Buch „Die ZPO-Klausur“ einmündete, das kürzlich  in dritter Auflage erneut erschienen ist.

Sie haben es verstanden, bei den Studenten größtes Interesse für die angeblich trockene Materie „Prozessrecht“ zu wecken. Denn schon in der Einleitung der „ZPO-Klausur“ haben Sie an das angeknüpft, was uns Studenten aus unserem eigenen Erleben bestens bekannt war. Seinerzeit haben wir ja beinahe mehr Zeit in sogenannten studentischen Vollversammlungen als in Vorlesungen verbracht. Darauf haben Sie sich bezogen, als Sie geschrieben haben, dass es dort oft lebhafte Diskussionen um Verfahrensfragen gegeben habe, etwa vor Abstimmungen um die Frage, was denn der „weitestgehende Antrag“ sei. Diese Verfahrensdiskussionen haben mich auch bei meiner politischen Tätigkeit immer verfolgt, sei es auf Parteitagen oder auch im Deutschen Bundestag. So ist beispielsweise im letzten Jahr bei der Debatte um die Zulässigkeit embryonaler Stammzellenforschung intensiv um die Reihenfolge der Abstimmung über die verschiedenen Anträge gerungen worden, weil sich die jeweiligen Befürworter eines Modells dadurch Vorteile bei der Mehrheitsbildung versprochen haben.

Ihr ZPO-Kurs war jedenfalls bei den Studenten so begehrt, dass ich eines Tages von meinen Kommilitonen den  Auftrag erhielt, mit Ihnen darüber zu verhandeln, wie man denn das zeitliche Zusammentreffen Ihres Kurses mit dem bei uns Studenten ebenfalls beliebten Repetitorium von Dr. Dr. Georg Scholz im Öffentlichen Recht vermeiden könne.

Selbstverständlich konnten Sie nicht auf einen anderen Termin ausweichen. Mir wurde später auch klar, dass das Ansinnen einer Terminverlegung eigentlich eine Zumutung gewesen ist. Aus studentischer Sicht lag aber darin eigentlich ein Höchstmaß an Anerkennung, weil wir eben unbedingt Ihren Kurs besuchen wollten.

Wenn man sich die Frage stellt, wie es Ihnen gelungen ist, so viel Interesse am Prozessrecht jenseits der Examensrelevanz zu wecken, so glaube ich, dass dies an einer Spezialität von Ihnen lag: Sie haben uns immer vermittelt, dass Verfahrensrecht konkretisiertes Verfassungsrecht ist. Sie haben bei uns das Empfinden dafür geweckt, dass faires Verfahren, rechtliches Gehör, Interessensausgleich Grundsätze sind, die eben einen Rechtsstaat mit ausmachen.

Zum Verständnis Ihres Denkens empfiehlt sich immer noch die Lektüre der von Ihnen verfassten Einleitung zur 20. Auflage des Stein-Jonas. Hierbei handelt es sich ja eigentlich um ein meisterliches Lehrbuch des Prozessrechts. Diese Einleitung enthält auch eine sehr lesenswerte juristische Methodenlehre. Wenn ich heute einen Vortrag zu prozessrechtlichen Fragen halte, werfe ich immer noch gerne einen Blick in diese Einleitung, die auch noch über drei Jahrzehnte nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat.

Beispielsweise beschreiben Sie dort die Lehre von James Goldschmidt von den Prozesslagen und wecken das Verständnis des Zivilprozesses als eines dynamischen Verfahrens, bei dem aber auch wieder Stadien der Stabilität erreicht werden, von denen aus sich erneut ein dynamisches Geschehen entfaltet.

Einen besonderen Raum nimmt dort Ihre zu Recht kritische Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann und seinem Gedanken von der „Legitimation durch Verfahren“ ein. Dazu haben Sie sich deswegen ablehnend geäußert, weil aus der Einhaltung von Verfahren Regeln alleine nicht auf die inhaltliche Richtigkeit einer Entscheidung geschlossen werden kann.

Dennoch können Verfahrensgestaltungen sehr wohl zur Akzeptanz von Entscheidungen beitragen. Dies gilt auch ähnlich in der Politik.

Dort tauchte diese Thematik in abgewandelter Form immer wieder in der zentralen innenpolitischen Debatte des letzten Jahrzehnts auf, nämlich bei der Frage: Kann es Grundrechtsschutz durch Verfahren geben? Verfahrenssicherungen reichen hierfür nicht immer aus. Die Menschenwürde ist unantastbar. Es kann daher beispielsweise keine durch Verfahrensregeln zulässige Folter geben, auch nicht zum Zwecke der „Rettungsfolter“. Des öfteren werden aber Grundrechtseingriffe gerade dann als zulässig angesehen, wenn der Grundrechtsschutz zugleich verfahrensrechtlich abgesichert wird. Dies ist ein Grundgedanke des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom März 2010 zur Vorratsdatenspeicherung. Diese wird als tiefer Grundrechtseingriff beschrieben, der aber dann nicht gänzlich unzulässig sei, wenn durch Verfahrensvorschriften geklärt sei, dass die so gespeicherten Daten nicht zweckwidrig genutzt würden. Somit wäre rechtlich eine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, wenn Grundrechtsschutz durch Verfahren beachtet würde, nicht gänzlich unzulässig. Dass ich persönlich sie politisch gleichwohl für falsch halte, ist eine andere Sache.

Ein weiteres Beispiel ist die Änderung der Befugnisse der Nachrichtendienste nach dem 11. September 2001. Wenn Nachrichtendienste mehr Eingriffsmöglichkeiten denn je erhalten haben, schien es mir immer die logische Folge, als Gegengewicht die parlamentarische Kontrolle durch eine Reform des Gesetzes über das Parlamentarische Kontrollgremium zu stärken. Ich bin ein wenig stolz darauf, dass es gelungen ist, diese Reform aus der Opposition heraus anzustoßen.

Schon an diesen Beispielen sieht man, wie man durch Ihr wissenschaftliches Werk auch noch Jahrzehnte später in der eigenen Praxis beeinflusst wird.

Und noch eines fällt auf: In Ihren wissenschaftlichen Abwandlungen haben Sie schon frühzeitig heutige Megathemen antizipiert.

So haben Sie als Erster umfassend die Verfassungsbeschwerde durchdrungen und die Menschenrechtsbeschwerde in Deutschland etabliert.

Beide Institute sind Erfolgsgeschichten sondergleichen. Fast sind sie – wenn man die Quantität betrachtet – zu erfolgreich.

Daher wird derzeit überlegt, ob man wegen der Fülle der Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht mit einer „Mutwillensgebühr“ das Gericht entlasten könnte, indem aussichtslose Beschwerden nur dann weiter behandelt werden, wenn vom Beschwerdeführer eine  Gebühr entrichtet wird.

Solche Vorschläge sind freilich nicht unproblematisch. Ich erinnere mich dabei daran, dass Sie, Herr Professor Schumann, immer vor der „Überbeschleunigung“ von Gerichtsverfahren gewarnt haben.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird so stark beansprucht, dass es schon eine Konferenz in Interlaken und eine weitere in Izmir gegeben hat, wie man den Zugang zum Gerichtshof besser kanalisieren könnte. Dennoch ist die Menschenrechtsbeschwerde unverzichtbar und hat auch zur Fortentwicklung des Menschenrechtsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder beigetragen.

Auf Veranlassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben wir eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor überlangen Verfahren geschaffen. Dies ist nach jahrelanger Diskussion jetzt endlich gelungen.

Auch in der Kontroverse mit dem Bundesverfassungsgericht zur Rechtsnatur der Sicherungsverwahrung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Auffassung vertreten, die durchaus Plausibilität für sich beansprucht, nämlich dass das Rückwirkungsverbot hier sehr wohl zu beachten sei. Dem hat sich bekanntlich das Bundesverfassungsgericht in seiner großen Entscheidung zur Sicherungsverwahrung vom Mai 2011 gebeugt.

Einen alten Fehler, den Sie immer wieder moniert haben, haben wir als Gesetzgeber jetzt ebenfalls beseitigt. Nachdem anerkannt worden war, dass ein obsiegendes Urteil beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Restitutionsgrund bildet, stellte sich heraus, dass die Fünf-Jahres-Frist für Wiederaufnahmeverfahren zu kurz ist. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beträgt nämlich acht Jahre. Also kann die Frist für die Erhebung einer Wiederaufnahmeklage nicht schon fünf Jahre nach Erlass des Ausgangsurteils enden.

Die alte Rechtslage hat den Beschwerdeführern nur Steine statt Brot gegeben.

Sie haben darauf schon in Ihrer Dissertation 1963 hingewiesen und dürfen stolz darauf sein, letztlich Recht behalten zu haben. Der Gesetzgeber hat – leider erst nach Jahrzehnten, aber immerhin! – die Wiederaufnahmevorschriften in dem von Ihnen immer vorgeschlagenen Sinn verändert.

Überhaupt war es eines Ihrer maßgeblichen Themen als Wissenschaftler, dass Sie sich mit den Konkurrenzverhältnissen der Verfassungsräume und Verfassungsgerichtsbarkeiten befasst haben. Frühzeitig haben Sie diese Konkurrenz bezüglich der Verfassungsbeschwerden zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht untersucht. Ebenso haben Sie sich immer wieder mit dem Verhältnis zwischen dem Bundesrecht und dem Europarecht befasst. Dies ist eine höchst aktuelle Thematik. Im Lissabonurteil von 2009 hat das Bundesverfassungsgericht ja in der Rand-Nr. 240 und 241 für  sich die Ultra-Vires-Kontrolle beansprucht und sich weiterhin für die Wahrung der deutschen Verfassungsidentität die Kompetenz vorbehalten.

Man sieht, dass bei den Themen, die immer wieder Gegenstand Ihres wissenschaftlichen Werkes waren, noch keineswegs alle Fragen bis zu Ende geklärt sind.

Aus der Zeit meiner Tätigkeit am Lehrstuhl erinnere ich mich auch daran, dass Sie sich besonders mit der Frage der Gerichtsstände befasst haben und dabei den Grundsatz vertreten haben, dass die Festlegung des Gerichtsstandes primär dem Schutz der beklagten Partei, die eben mit einem Rechtsstreit überzogen wird, zu dienen habe.

Auch dieser Schumannsche Gedanke ist mir ganz aktuell wieder in meiner politischen Arbeit begegnet. Bei den Verhandlungen über ein gemeinschaftliches Europäisches Patent und über die Europäische Patentgerichtsbarkeit gab es eben Vorschläge, die diesem Schutz der beklagten Partei zuwiderlaufen würden.

Auch bei der Debatte über die Abschaffung des § 522 Absatz 2 ZPO habe ich mich an das erinnert, was ich bei Ihnen gelernt habe. § 522 Absatz 2 ZPO hat es in der alten Fassung bekanntlich erlaubt, ohne mündliche Verhandlung Berufungen in Zivilsachen per Beschluss unanfechtbar als offensichtlich aussichtslos zurückzuweisen. Dies ist von vielen Betroffenen heftig kritisiert worden. Die Einwände haben mich auch deswegen überzeugt, weil ich an Ihrem Lehrstuhl an einer Verfassungsbeschwerde mitgearbeitet habe, die Sie gutachtlich vorbereitet haben.

Es ging um den Fall, dass ein Vorsitzender Richter nebenher an einer Habilitationsschrift gearbeitet hat. Damit er hierfür genug Zeit hatte, hat er – entgegen der Urlaubsverordnung – seinen Urlaub nicht zusammenhängend, sondern immer tageweise genommen, nämlich jeweils am Sitzungstag seines Senats. Somit hat er seine Hauptaufgabe, durch Sitzungsleitung und Leitung der Urteilsberatung die Rechtsprechung maßgeblich zu beeinflussen, nicht erfüllt. Sie haben minuziös dargelegt, dass damit den Prozessparteien der gesetzliche Richter in unzulässiger Weise entzogen worden sei. Trotz einer ausführlichen und substantiierten Begründung ist diese Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht mit wenigen Worten abgewiesen worden, ohne dass es sich mit der Argumentation wirklich auseinandergesetzt hätte.

Seither bin ich skeptisch gegenüber derartigen Verwerfungsmöglichkeiten.

Ein anderes Erlebnis am Lehrstuhl bestand darin, dass Sie ein sehr interessantes Seminar über das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgehalten haben. Eines der Themen setzte sich mit im Verhältnis des Schutzes des Persönlichkeitsrechts und der Pressefreiheit auseinander. Ich machte als Assistent die etwas törichte Bemerkung, dass dies das einfachste der Themen in diesem Seminar sei. Die Tatsache, wie sehr mit der Abgrenzung von Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit noch heute die Obergerichte befasst sind, zeigt, dass es sich in Wahrheit um ein äußerst schwieriges Thema handelte, dem Sie sich schon frühzeitig gewidmet haben.

Zu Professor Schumann als „homo politicus“ möchte ich mich auf eine kurze Bemerkung beschränken: Sie waren der ideale Senator in Bayern!

Dies sage ich nicht aus persönlicher Zuneigung, sondern dies war die allgemeine Meinung zu der damaligen Zeit, als Sie Vizepräsident des Bayerischen Senats gewesen sind. Personen prägen Institutionen. Nicht alle Akteure hatten Ihr Format, sonst hätte es einen viel stärkeren Widerstand gegen die Abschaffung des Senats gegeben.

Gleichwohl ist mir aus Ihrer Tätigkeit, die Ihnen höchste öffentliche Anerkennung eingebracht hat, noch in Erinnerung, dass über Sie als Senator ein Portrait im bayerischen Fernsehen gesendet wurde. Noch heute erinnere ich mich daran, dass Sie gefragt worden sind, welchen Einfluss denn ein Mitglied des Senats nehmen könne. Sie haben geantwortet:

„Ich vertraue auf die Kraft des Arguments.“

Das hat mich damals wie heute tief beeindruckt. Denn wir wissen alle, dass es in der Politik um Interessen, um Machtausübung, um Mehrheitsbildung geht. Und dennoch trifft es zu, dass man bisweilen mit der Kraft des Wortes, mit dem sachlichen Argument auch etwas erreichen kann. Ihnen ist das in vorbildlicher Weise gelungen.

Aus den Impressionen, die ich vorgetragen habe, wird sehr deutlich, dass Sie niemals ein Wissenschaftler nur im Elfenbeinturm gewesen sind, sondern in vielfältiger Weise auf die Praxis eingewirkt haben.

So waren Sie als junger Hochschullehrer vor dem Bundesgerichtshof als Strafverteidiger tätig in dem Verfahren gegen Hannsheinz Porst. Es mag sein, dass Herr Porst ein sehr eigenwilliger Mensch war, der die seltsame Vorstellung hatte, er könne mit gleichzeitiger Mitgliedschaft in der FDP und SED gewissermaßen im Alleingang die deutsche Teilung überwinden. Der Strafprozess gegen ihn wegen landesverräterischer Beziehungen ist aber wohl nur aus der speziellen historischen Situation der 60er Jahre heraus verständlich. Dass Sie, der Sie in der DDR zum Widerstand gehört hatten und dort persönliche Unfreiheit erleiden mussten, Herrn Porst verteidigt haben, war schon beachtlich. Ich erinnere mich noch gut, dass Gerhard Mauz im Spiegel Ihnen ein glänzendes Auftreten als Verteidiger bescheinigt hat.

Sie waren Berater der Bundesregierung beispielsweise bei dem vorzüglichen Bericht zur Lage der Nation, in dem Sie die Rechtssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der DDR verglichen haben. Mit Ihren Untersuchungen zum anwaltlichen Berufsrecht haben Sie maßgeblich zu dessen Liberalisierung in den 90er Jahren beigetragen.

In einem Untersuchungsausschussdes Bundestags  bin ich Ihnen später wieder begegnet, als Sie dort als Zeugenbeistand Ihren Mandanten bestens betreut haben. Und schließlich waren Sie an dem großes öffentliches Aufsehen erregenden Prozess von Leo Kirch gegen die Deutsche Bank maßgeblich und erfolgreich beteiligt.

Die Erwähnung dieses Namens gibt mir allerdings Gelegenheit, mich endlich am Ende meiner Rede  in einem Punkt als Schüler von Ihnen als meinem Lehrer zu emanzipieren und einen Dissens anzumelden. Ihre Prognose über die inhaltliche Qualität des Privatfernsehens schien mir immer  etwas zu optimistisch auszufallen.

Das sage ich aber auch deswegen, weil ich beim Studium von Wahlkämpfen in der amerikanischen Provinz gelernt habe, dass man in den USA als Politiker mit zwei Anmerkungen immer sicheren Beifall bekommt: nämlich erstens mit Kritik an Washington und zweitens mit Kritik am Fernsehprogramm. Diese Erfahrung ist sicherlich auch auf Deutschland übertragbar. Ich will aber auch erwähnen, dass die bayerische Medienpolitik viele hochwertige Arbeitsplätze in Bayern geschaffen hat, was auch Ihr Verdienst als stellvertretender Vorsitzender der Landeszentrale für Neue Medien gewesen ist.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass alle Ihre Assistenten die Zeit an Ihrem Lehrstuhl als eine faszinierende Erfahrung, die einen für das Leben geprägt hat, empfunden haben. Sie haben viel verlangt von uns, aber dennoch war – und ich übertreibe hier nicht – der Lehrstuhl für uns wie ein zweites Zuhause (auch wenn als Treffpunkt oftmals die Tiefgarage der Universität vereinbart wurde, weil Sie schon wieder eilig zu einem nächsten Termin mussten).

Die höchste Form der Anerkennung bestand darin, dass man den Schlüssel für die Universitätsbibliothek erhielt, damit man dort auch sonntags arbeiten konnte. Für mich war es jedenfalls ein Genuss, in absoluter Stille sich an Sonntagen inmitten all der Bücher aufzuhalten und in Ruhe an einem Thema zu arbeiten.

Zu Ihrem 80. Geburtstag wollte ich in Anlehnung an Ihren Vornamen Ekkehard an ein Prädikat erinnern, das Hans Welzel in der letzten Auflage seines Strafrechtslehrbuchs Eberhard Schmidt gewidmet hat. Welzel nannte diesen den "getreuen Eckart der Rechtsidee“.

Meine historischen Forschungen sind freilich nicht so weit gediehen, um abschließend zu klären, ob dieses Prädikat nicht ein wenig "kontaminiert" ist, weil es früher unpassenderweise auch noch auf andere Personen angewandt worden ist.

Daher belasse ich es bei einer Feststellung, der sicherlich alle hier im Saal zustimmen: Sie sind ein großartiger Verfechter der Rechtsidee!

Dafür gebührt Ihnen unser Dank und Respekt und der Wunsch:

ad multus annos!"



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PStS Dr. Max Stadler

 

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