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Hintergrund

Warum?

Warum braucht man eine Saatgutbank? Weil Vielfalt überlebenswichtig ist.


Pflanzen sind die Grundlage allen Lebens auf der Erde – auch wir Menschen ernähren uns hauptsächlich direkt von Pflanzen. Trotzdem ist das Handeln der Menschen hauptverantwortlich für den Rückgang der Artenvielfalt: mit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Vielfalt an Habitaten und an Arten drastisch abgenommen (Poschlod 2017).


Landnutzungswandel, Monokulturen, Herbizide, versiegelte Flächen  –  der Lebensraum für Wildpflanzen  wird immer knapper“, Zitat Prof. Peter Poschlod 2018 - Gründer Saatgutbanken Regensburg, Gesamtleitung WIPs-Projekt


30,8% der Pflanzenarten in Deutschland sind laut Roter Liste 2018 in die Kategorien „gefährdet“ bis „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (Metzing et al. 2018). Dabei spielt nicht nur der Verlust von vielfältigen Habiten, sondern auch der Verlust innerartlicher genetischer Vielfalt eine entscheidende Rolle für den Verlust von Arten. 


Die genetische Bandbreite innerhalb einer Art bestimmt darüber, wie gut sich diese Art an Veränderungen des Ökosystems – zum Beispiel durch den Klimawandel – anpassen kann und welche Überlebenschancen sie hat“,
Zitat Prof. Beate Jessel 2018 -  BfN-Präsidentin 2007-2021


Der Wert biologischer Vielfalt ist seit Jahrzehnten bekannt (CITES 1973) und seit vielen Jahren auch ins öffentliche Bewusstsein gerückt (Naeem et al. 2012). Bereits 1992 haben 159 Länder die Convention on Biological Diversity (CBD) unterzeichnet, die 2022 erneuert und angepasst wurde (CBD 1992; Convention on Biological Diversity (CBD) und Conference of the Parties (COP) 2022). Zum Schutz der Pflanzen entstand 2002 die ‚Global Strategy for Plant Conservation‘, deren Ziele 2012 angepasst wurden (Sharrock 2012; GSPC 2002). In Deutschland wurden konkrete die Ziele in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt benannt und werden derzeit im Rahmen der Dekade der Restoration überarbeitet (BfN 2021; BMU 2007) . 


Als ein wichtiger Baustein im Artenschutz gilt auch bei Pflanzen der Ex-Situ-Erhalt, d.h. der Erhalt außerhalb des Lebensraumes, denn für einige Arten ist ein Ex-Situ-Erhalt in den kommenden Jahren eine gute Möglichkeit das Überleben zu sichern #Bsp. In den neueren Zielen der NBS wird gefordert, 75% aller gefährdeten Wildpflanzen in Ex-Situ-Sammlungen zu erhalten (Ziele- & Maßnahmenkatalog zur NBS 2030.pdf)


Bis 2025 werden 75 % der in Deutschland vom Aussterben bedrohten Gefäßpflanzenarten und solche mit besonderer Verantwortlichkeit Deutschlands in Erhaltungskulturen oder Samenbanken bewahrt (ex-situ-Schutz), von denen mindestens 25 % für Populationsstützungs- und (Wieder-) Ansiedlungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.“ Ziele- und Maßnahmenkatalog zur NBS 2030 (BMUV)


Das Bundesland Deutschland geht seiner Verantwortung mit der IPK Gatersleben für die meisten Nutzpflanzen nach (https://www.ipk-gatersleben.de/). Seit 2009 existiert mit der Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (WEL) für wildlebende Verwandte von Nutzpflanzen (crop wild relatives) ein weiterer Baustein zum Erreichen dieses Zieles: Genbank WEL bei GENRES.


Wildpflanzen, die in besonderer Verantwortung Deutschlands stehen werden seit 2013 im Verbundprojekt Wildpflanzenschutz Deutschland mit einem Konzept gesichert, das Saatgutbanken,Erhaltungskulturen und Wiederansiedlungen an den ursprünglichen und neuen Standorten kombiniert: Homepage WIPs-De.


Das Land Bayern hat zudem von 2009 bis 2015 die Genbank Bayern Arche gefördert, die über 500 Arten gefährdeter Wildpflanzen Bayerns ex-situ in der Saatgutbank und in Erhaltungskulturen sichern konnte: Genbank Bayern Arche.


Literaturverzeichnis

BfN (2021): Neuauflage der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Unter Mitarbeit von Bundesamt für Naturschutz, Referat N I 1. Online verfügbar unter www.bfn.de/neuauflage-der-nationalen-strategie-zur-biologischen-vielfalt.

BMU (2007): Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt.

CBD (1992): Convention on Biological Diversity. Rio de Janeiro, Argentina (Convention on Biological Diversity). Online verfügbar unter www.biodiv.org/convention.

CITES (1973): Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora. Washington, DC. Online verfügbar unter cites.org/eng.

Convention on Biological Diversity (CBD); Conference of the Parties (COP) (2022): Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework. Decision Adopted by the conference of the parties to the Convention on Biologocal Diversity 15/4. Online verfügbar unter www.cbd.int/gbf/.

GSPC (2002): Global Strategy for Plant Conservation. Hg. v. The Secretariat of the Convention on Biological Diversity. Montreal.

Metzing, D.; Garve, E.; Matzke-Hajek, G.; Adler, J.; Bleeker, W.; Breunig, T. et al. (2018): Rote Liste und Gesamtartenliste der Farn-und Blütenpflanzen (Trachaeophyta) Deutschlands. In: Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (7), S. 13–358.

Naeem, Shahid; Duffy, J. Emmett; Zavaleta, Erika (2012): The functions of biological diversity in an age of extinction. In: Science 336 (6087), S. 1401–1406.
 

Poschlod, Peter (2017): Geschichte der Kulturlandschaft: Entstehungsursachen und Steuerungsfaktoren der Entwicklung der Kulturlandschaft, Lebensraum-und Artenvielfalt in Mitteleuropa. Stuttgart: Eugen Ulmer.
 

Sharrock, Suzanne (2012): GSPC -Global Strategy for Plant Conservation. Hg. v. Botanic Gardens Conservation International. Richmond, UK. Online verfügbar unter //efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://plants2020.net/files/Plants2020/popular_guide/englishguide.pdf.


Was passiert in einer Saatgutbank?

Pflanzensamen sind nicht nur eine wichtige Nährstoffquelle für Mensch und Tier, sondern auch ein bedeutendes Stadium im Leben einer Pflanze.


Viele Pflanzensamen sind daran angepasst, ungünstige klimatische Phasen wie Dürre, Hitze, Frost oder Feuer zu überdauern und dabei auch weite Strecken zurücklegen (Poschlod et al. 2013; Baskin und Baskin 1998). In Mitteleuropa sind daher viele Pflanzensamen in der Lage zu trocknen, ihre Stoffwechselprozesse dabei herunterfahren und so Hitze und Dürre im Sommer und Frost in Winterphasen zu überleben (orthodoxe Samen, Roberts 1973).


In einer Saatgutbank macht man sich diese Eigenschaft zu Nutze: die Samen werden in einem klimatisierten Raum für mehrere Wochen bei 15°C und 15% Luftfeuchte getrocknet und so „haltbar“ gemacht. Im eigenen Saatgutlabor werden die Samen gereinigt, gewogen und Vakuum-verpackt. 
 

Studentin bei der Arbeit im Saatgutlabor und Raum mit Klimakammern, in denen verschiedene Licht- und Temperaturbedingungen zur Keimung von Samen eingestellt werden können © J. Lang und D. Listl

Ein Großteil der Samen wird bei -18°C tiefgefroren. Mit Hilfe einer kleinen Portion der Samen wird die Qualität der Saatgutprobe getestet. Die Samen werden dazu in einem Samen-Röntgengerät durchleuchtet. Anschließend werden die Samen im Saatgutlabor zur Keimung gebracht, wobei für jede Art die besten Keimungsbedingungen herausgefunden werden. Dies geschieht in verschiedenen Versuchsansätzen, die in den 8 zur Verfügung stehenden Klimakammern durchgeführt werden. Die Keimungsbedingungen werden statistisch ausgewertet und die Ergebnisse stehen über Veröffentlichungen der verschiedenen Projekte zur Verfügung: Broschüre Genbank Bayern Arche, Handbuch Genbank WEL.

Foto und Röntgenaufnahme von Samen der Stengellosen Kratzdistel (Cirsium acaulon) © J. Lang

Die Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden ist die Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Nutzung der eingelagerten Samen. Die tiefgefrorenen Samen können nach Bedarf für verschiedene naturschutzfachliche Maßnahmen und Fragestellungen verwendet werden. Abgabe und Verwendung von Samen gefährdeter und geschützter Arten erfolgen nur in Absprache mit den zuständigen Behörden und Fachleuten.

Die Qualität der Sammlungen wird durch wissenschaftliche Standards gesichert (Richtlinien nach ENSCONET und Kew, Millenium Seed Bank).


Literaturverzeichnis

Baskin, Carol C.; Baskin, Jerry M. (1998): Seeds: ecology, biogeography, and, evolution of dormancy and germination: Elsevier.

Poschlod, Peter; Abedi, Mehdi; Bartelheimer, Maik; Drobnik, Juliane; Rosbakh, Sergey; Saatkamp, Arne (2013): Seed Ecology and Assembly Rules in Plant Communities (Vegetation Ecology), S. 164–202.

Roberts, E. H. (1973): Predicting the storage life of seeds. In: Seed Science and Technology (1), S. 499–514.



Saatgutbank Regensburg - Kontakt


Projektleitungen
Prof. Dr. Peter Poschlod
Prof. Dr. Christoph Reisch

Saatgutlabor
Dipl.-Ing. agr. Univ. Judith Lang 
Email: judith.lang@ur.de
Tel. 0941-943-3133

Bearbeitung aktuelles Projekt WIPS-DE
Dr. Daniela Listl, Dr. Lina Begemann, Dipl.-Ing. Judith Lang
Email: wips@ur.de
Tel. 0941-943-3124