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DFG Projekt "Von der Informalität zur Korruption (1817-2018): Serbien und Kroatien im Vergleich" (KorrInform)

Interdisziplinäres Verbundprojekt


Deutsch

Von der Informalität zur Korruption (1817-2018): Serbien und Kroatien im Vergleich

Anders als noch vor 10 Jahren hat sich heute in der Korruptionsbekämpfung Pessimismus breit gemacht. Die seit den 1990er Jahren global praktizierte schematische Einführung von Institutionen und Gesetzen führt oft nicht zu dem Eindruck, dass die Korruption wirklich zurückgeht. In der Forschung wächst das Verständnis dafür, dass Korruptionskontrolle ohne entsprechenden Willen und Möglichkeiten der Gesellschaft schwierig ist. Als wenig sinnvoll erscheint auch eine Korruptionsbekämpfung, die eine Gesellschaft an externen Maßstäben misst und dabei Logik und Werte lokaler Akteure ignoriert. Gleichwohl haben sich viele Gesellschaften, meist im Zusammenhang mit der eigenen Staatsgründung, dem Aufbau verregelter Bürokratien verschrieben, deren Handeln sich an universellen, formalisierten Regeln orientieren soll; ältere, partikularistische Praktiken gelten aus der Sicht des so eingeführten formellen Systems oft als Korruption. In vielen Fällen hat sich das formelle System nur partiell durchsetzen können, so dass die Frage nach den langfristigen Gründen für die Persistenz von Informalität (welche dann oft als Korruption kritisiert wird) berechtigt ist. Dieses Projekt untersucht die Korruptionsgeschichte zweier benachbarter Territorien in Südosteuropa vergleichend und im historischen Längsschnitt. Ein ehemals osmanisches Territorium (Serbien) wird mit einem ehemals habsburgischen Territorium (Kroatien) verglichen, und das über den Zeitraum der letzten 200 Jahre. Wir versuchen, folgende Thesen zu erhärten: 1) Insgesamt hat im Untersuchungszeitraum die Regelungsdichte zugenommen. Allerdings führten tiefe historische Zäsuren wiederholt dazu, dass der Formalisierungsprozess in seiner Wirkung begrenzt blieb. 2) Beide Regionen/Länder hatten in Bezug auf Korruption recht unterschiedliche Voraussetzungen - an formelle Regeln gebundenes Handeln war in der Habsburgermonarchie stärker durchgesetzt als im späten Osmanischen Reich, wo sich Staatsmisstrauen und Informalität wechselseitig stärkten. Die gemeinsame Geschichte Serbiens und Kroatiens im 20. Jahrhundert sorgte aber dafür, dass sich beide Regionen im Bezug auf die Korruptionsproblematik anglichen und die unterschiedliche imperiale Vorprägung teilweise verblasste. Um das Forschungsfeld übersichtlich zu halten, konzentrieren wir uns auf Korruptionsskandale, in denen die Regeln korrekter Interaktion öffentlich verhandelt werden. Wir arbeiten als interdisziplinäres Team zusammen - zu zwei historischen Teilprojekten kommt ein wirtschaftswissenschaftliches, welches der im Postsozialismus drastisch gewachsenen Rolle von Business-Akteuren gerecht wird; und ein linguistisches, welches die semantischen Veränderungen des Wortfeldes "Informalität/Korruption" in der Langfristperspektive analysiert und so kontextsensibel nachzeichnet, was die betreffenden Gesellschaften unter Korruption jeweils verstanden haben bzw. heute verstehen.


Englisch

From Informality to Corruption (1817-2018): Serbia and Croatia in Comparison

During the last years, scholars have become increasingly pessimistic about anti-corruption efforts. It has become clear that in many cases, the mechanical introduction of institutions and laws has not appeared to diminish corruption. Scholars increasingly understand that corruption is difficult to control unless a society has both the will and the possibilities to curb corrupt institutions and practices. In addition, there is a growing understanding that anti-corruption should take into account local logic and values rather than measure a society by purely external standards, even as many societies have committed themselves to creating formalized bureaucracies (as part of their state building process) that are supposed to function according to universal written rules. The perspective of this new system regards older particularistic practices as corruption. In many cases, the formal system has been implemented only partially, a fact that justifies asking the question why informality (though often criticized as corruption) has been able to survive until the very present. This project examines the history of corruption in two neighboring territories in Southeastern Europe by means of a comparative longitudinal perspective spanning 200 years; a former Ottoman territory (Serbia) and a former Habsburg territory (Croatia). The project will test two hypotheses. 1) During the last two decades, rules concerning the behavior of state officials have solidified. But at the same time, historical ruptures have limited the effectiveness of this formalization process. 2) At the beginning of the nineteenth century, both regions followed different patterns concerning corruption. The Croat territory within the Habsburg Monarchy featured more formalized state activity than the Serbian territories of the late Ottoman Empire, where public mistrust and informality reinforced each other. Convergence started with the Serbian state building process and intensified during the twentieth century, when Serbia and Croatia coexisted in a common Yugoslav state and shared similar experiences. For purposes of manageability and intellectual clarity, we limit our research to corruption scandals, i.e. to cases where the limit between correct and incorrect interactions became a subject of public negotiation. We work together as an interdisciplinary team. We examine the period from the early nineteenth century up to 1989 in two historical sub-projects, and the period from 1990-2018 within the framework of business administration, since that approach best fits the drastically enlarged role of business actors in post-socialism. A fourth sub-project uses linguistics to analyze long-term changes within the semantic field of informality/corruption, attempting to show how the public sphere(s) in Serbia and Croatia has shaped its understanding of the phenomenon under different regimes.



  1. Universität
  2. Institut für Slavistik

Institut für Slavistik