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Ein Blick in die Arbeitsgruppe "Schule in Vielfalt

Die Arbeitsgruppe „Schule in Vielfalt“ ist seit 2019 ein festes, regelmäßiges Angebot an der Universität Regensburg, das sich an alle Lehrenden in der Lehrer*innenbildung und Interessierte richtet. Bereits in der ersten Projektlaufzeit von KOLEG (2015-2018) trafen sich – damals noch unter dem Namen „Ausschuss für Inklusion und Mehrsprachigkeit“ – in wechselnden Zusammensetzungen rund 45 Mitglieder aus 19 verschiedenen Disziplinen, Fach- und Arbeitsbereichen. Die Dozierenden sollten bei der Realisierung von praxisnahen und auch videogestützten Lernsettings in der Hochschullehre unterstützt werden. Die Arbeitsgruppe „Schule in Vielfalt“ widmet sich nun verstärkt der interdisziplinären Thematisierung und Diskussion von verschiedenen Perspektiven auf das Themenfeld „Inklusion und Heterogenität“.

Die Sitzungen werden von den Mitarbeiter*innen des Projekts Impuls+ organisiert, die sich auch in ihrer Forschung mit dem Thema Heterogenität und Inklusion beschäftigen. Die Veranstaltungen der Arbeitsgruppe sind offen für alle und jede*r ist jederzeit willkommen.

Ich – Christina Ehras - habe die Mitarbeiterin Bernadette Mischka (Lehrstuhl für Europäische Geschichte) in einem Schreibgespräch etwas genauer zur Veranstaltungsreihe „Schule in Vielfalt“ befragt.

Wie läuft denn so eine Sitzung ab? Oder kann man das gar nicht so allgemein beantworten?

B.M.: Eigentlich ist jede Sitzung sehr individuell und ist je nach Fachbereich und Thema unterschiedlich gestaltet. Wir hatten bereits richtige Mitmach-Workshops zum Beispiel zum Thema „Sprache im Fach“ aber natürlich auch die klassische Variante eines informativen Vortrags mit anschließender Diskussion, wie in der letzten Sitzung mit Prof. Dr. Rainer Liedtke.

Im Impuls+ Projekt sind acht Personen aus der Grundschulpädagogik, Physikdidaktik und der Europäischen Geschichte beteiligt. Wie entscheidet ihr im Team, über welches Thema ihr diskutieren möchtet? 

B.M.: Meist orientieren wir uns der Planung an aktuellen Debatten oder aber auch unseren eigenen Interessen als Projektmitarbeiter*innen. Mittlerweile hat sich eine Art Zyklus ergeben, in dem jedes beteiligte Fach sich in einer Sitzung einbringt. Aus der Europäischen Geschichte wurde neben dem Vortrag von Prof. Dr. Rainer Liedtke zum Beispiel bereits eine Sitzung zu Erfahrungen mit der digitalen Lehre gestaltet. Heterogenität wird somit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und zieht sich sowohl strukturell als auch inhaltlich durch die AG Schule in Vielfalt.

Die letzte digitale Sitzung hat Prof. Dr. Rainer Liedtke (Lehrstuhl für Europäische Geschichte) gestaltet und mit einem Vortrag mit dem Titel "Why are there so many Greek restaurants in Germany...and so few Portuguese? European Migrations in the 19th and 20th Centuries" begkonnen. Mich würde interessieren, wie ihr den fachwissenschaftlichen Input für die Diskussion über Schule genutzt habt.

B.M.: Der Vortrag von Prof. Dr. Rainer Liedtke (Lehrstuhl für Europäische Geschichte) war eine historische Perspektive auf das Thema Migration und migrationsbedingte Heterogenität. Es wurden nicht nur verschiedene Migrationsströme des 19. und 20. Jahrhunderts erläutert, sondern auch die Sozialisierung der Migrant*innen in ihrer neuen Heimat. Verschiedene fachwissenschaftliche Perspektiven, wie die des Vortrags bieten die Möglichkeit, das eigene Wissen und auch der Umgang mit dem Thema Migration zu reflektieren. Fachbegriffe der Migrationsforschung werden immer mehr Teil aktueller Diskurse und sollten vor allem im Bereich der Schule kritisch hinterfragt werden - denn: Sprache schafft Wirklichkeit. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist die Debatte um die Bezeichnungspraxis des „Migrationshintergrundes“.

Des Weiteren ist eine Reflexion des Sprachgebrauchs auch notwendig, um Migration nicht als potenziell bedrohliches Geschehen darzustellen. Migrationsformen sollten also in möglichst vielen Formen und Ausprägungen thematisiert werden. Dass Migration zum Beispiel oft noch sehr einseitig betrachtet wird, zeigt die Bezeichnung Deutschlands als „Einwanderungsland“. Der Begriff ist nicht falsch, jedoch stammt er aus einer Zeit, in der verschiedene Akteur*innen versucht haben, die Politik zu einer Anerkennung der zunehmenden Diversität der Bevölkerung durch Migration zu zwingen. Deutschland ist jedoch nicht nur ein Einwanderungsland. Allein 2019 sind 1,6 Mio. Menschen nach Deutschland zugewandert und gleichzeitig 1,2 Mio. Fortzüge erfasst worden (Zahlen aus Migrationsbericht 2019). Migration ist keine Einbahnstraße nach Deutschland, sondern die Deutsche Gesellschaft an sich ist als Migrationsgesellschaft zu sehen. Lehrer*innen sollten sich somit mit gängigen Begriffen der Migrationsforschung auseinandersetzen, um diese verantwortungsbewusst einzusetzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist daher auch das Wissen der Schüler*innen zu analysieren und entsprechend zu erweitern. Bereits in der Grundschule sind bestimmte Wissensbestände zu verschiedenen Aspekten von Migration erkennbar (Studie HANAHRT, 2020). Mit diesen individuellen Präkonzepten sollten Lehrer*innen umgehen können. Wichtig ist es hier kein Spartenwissen zu etablieren, sondern das „Big Picture“, das auch im Vortrag von Prof. Dr. Rainer Liedtke deutlich wurde, zu kennen und lernen, dieses zu vermitteln. Verschiedene Studien und Analysen haben gezeigt, dass auch aktuelle Schulmedien teilweise noch immer problematisierende Akzentuierungen des Themas Migration oder kritische Aufgabenstellungen bzw. Adressierung der Schüler*innen enthalten. Die gängigsten Beispiele sind die ausschließliche Darstellung von Migration als Flucht bzw. krisenhafte Bewegung oder das Erforschen des „Migrantischen“ an Untersuchungsobjekten, sprich: Migrant*innen in der persönlichen Umgebung. In ihrer Ausbildung sollten Lehrer*innen daher angeleitet werden sich einen kritischen Habitus anzulegen, mit dem sie ihr Vorgehen, ihre Sprache und die Ziele ihres Unterrichts diskriminierungssensibel reflektieren können. Auch hier kann Wissen aus den Fachwissenschaften helfen, um Problematiken aufzulösen und neue Ansatzpunkte zur Thematisierung von Migration zu finden. Eine historische Grundbildung ermöglicht in vielen Fällen ein „Zerzählen von Herrschaft“ (Begriff von LÜCKE, 2018) und Machtregimen der Gegenwart oder aber auch die Möglichkeit, Migration aus anderen Perspektiven zu erzählen, z. B. als Motor für die Entwicklung von Städten. Eine inter- bzw. transdisziplinäre Ausbildung und Professionalisierung von Lehrer*innen kann somit helfen, verantwortungsbewusst mit Themen um Migration umzugehen und eine reflektierte Haltung zu einem politisch stark umkämpften Thema einzunehmen.

Könnt ihr uns neugiereig auf die nächste Sitzung machen? Welches Thema werdet ihr aufgreifen? 

Aktuell gibt es noch keinen neuen Termin für das kommende Sommersemester, da unsere Koordinationsstelle aktuell vakant ist. Im Februar werden wir die Themen und Formate für das kommende Sommersemester 2021 festlegen. Die neuen Termine werden in einem Newsletter an Dozierende in der Lehrer*innenbildung an der UR bekannt gegeben.

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