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Interviews

Krea:// im Gespräch

Prof. Dr. Christof Kuhbandner und Nils Bloom über ihre Motive, dem Theorie-Praxis-Problem zu begegnen und über Chancen, verschiedene Phasen der Lehramtsausbildung miteinander zu verknüpfen


Was treibt euch an? Was ist euer Motiv, eure Maßnahme voranzubringen?

C.K.: Die ganze Maßnahme beruht auf dem Hintergrund des Theorie-Praxis-Problems, das seit Jahrzehnten bekannt ist. Wie schafft man es geschickt, die Schnittstelle zwischen Theorie oder Forschung auf der einen Seite und Praxis oder Tätigkeit jetzt im weitesten Sinne an Schulen auf der anderen Seite fruchtbar zu gestalten? Oft erlebt man so eine Einbahnstraßenvorstellung, dass die Wissenschaft gewisse Theorien oder gewisses Wissen produziert, das dann einfach so in die Praxis transferiert wird und dort wenden es dann die Nutzer:innen an. Aber in Wissenschaft und Praxis gibt es jeweils eine ganz eigene Logik zu denken, es gibt eigene Wertmaßstäbe und jeweils ein eigenes Erkenntnisinteresse. Also das sind sehr heterogene Bereiche, die gar nicht so einfach zu verknüpfen sind. Und hier ein Werkzeug zu schaffen, was diesen Theorie-Praxis-Transfer auf Augenhöhe gestaltet und den bisherigen Versuchen die fruchtbare, neue Perspektive hinzufügt, das war so die Motivation dahinter.

N.B.: Und um noch einen Aspekt zu ergänzen, die Bedeutung der Psychologie als Grundlagendisziplin des Lehramts auch rauszustellen, das war für mich auf jeden Fall auch eine Motivation. Also oft denkt man bei Psychologie an diesen klinischen Bereich. Die wenigsten machen sich bewusst, dass ein einfacher Erklär- und Verstehensprozess auch ganz viele psychologische Abläufe beinhaltet.

Nun seid ihr in eurer Maßnahme auch mit Herausforderungen konfrontiert gewesen oder seid es auch aktuell.

N.B.: Eine ganz große Herausforderung für uns ist, wo man sinnvoll anfängt, den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn in so einen Theorie-Praxis-Transfer-Prozess einfließen zu lassen. Also der schiere Umfang dessen, was man alles theoretisch berücksichtigen könnte und wie man sinnvoll „reinzuzoomen“ kann in das Handlungsfeld Schule. Und natürlich war der Start unter Pandemiebedingungen eine große Herausforderung.

C.K.: Viele Menschen haben meiner Wahrnehmung nach kein ausreichend entwickeltes Verständnis davon, was denn Wissenserwerb eigentlich ist. Sie meinen, man lernt irgendwelche Definitionen und empirischen Befunde auswendig und gibt diese Worthülsen in der Klausur wieder. Und das sei Wissenserwerb. Aber aus einer sinnhaften Perspektive sollte Wissenserwerb eigentlich jemanden dazu befähigen, mit Hilfe dieser Begriffe wirklich Dinge im echten Leben zu sehen, Dinge zu denken, Verbindungen herzustellen, was jemand bisher
noch nicht konnte. So eine Art von Wissensvermittlung ist in diesen klassischen Lehrformaten der Universitäten nur schwer hinzubekommen. Hinzu kommt, dass Psychologie genuin in sich trägt, dass es die eine wahre Perspektive nicht gibt, sondern sich unterschiedliche Erklärmöglichkeiten  aus verschiedenen Ebenen der Psyche betrachtet anbieten. Und daraus ergab sich  die Idee in unserer Maßnahme eben mit Fallbeispielen zu arbeiten, die wirklich von echten Lehrkräften aus der Praxis kommen. Diese bieten die Möglichkeit, dann wirklich die verschiedenen theoretischen Perspektiven einzunehmen.
Und eine weitere Herausforderung, die man gerade in der Psychologie hat, besteht darin, dass unsere Fachbegriffe gleichzeitig in der Alltagssprache existieren. Also zum Beispiel der Begriff Emotionen. Das heißt, da ist der Fachbegriff schon mit irgendwelchen Dingen assoziiert. Man muss also erstmal die alten Verknüpfungen verlernen und dann mit neuen Verknüpfungen versehen. Das ist eine fundamentale Herausforderung.

N.B.: Bei der Psychologie fürs Lehramt kommt aus meiner Erfahrung noch dazu, dass die Personen, die Lehramt studieren, selbst schon viele Jahre Erfahrung mit diesem Beruf haben, nämlich aus der Perspektive des Schülers oder der Schülerin. Also das ist nochmal ein weiterer Aspekt, wo so eine aufs Lehramt speziell gemünzte Art der Voreinstellungen dazu kommt.

Was würdet ihr sagen, was ihr bei dieser Maßnahme vor allen Dingen gelernt habt?

N.B.: Als jemand, der kein Lehramt studiert hat, habe ich zu allererst ganz viel über diesen Bereich gelernt, wie so ein Lehramtsstudium zum Beispiel  aufgebaut ist. Also wo müssen wir denn die Leute abholen mit dem was wir vermitteln wollen an pädagogisch-psychologischem Wissen.
Aber natürlich auch über diese Austarierungsprozesse, über die wir gerade gesprochen haben.

C.K.: Wir haben einerseits das psychologische, theoretische Wissen, welche psychologischen Mechanismen existieren im Menschen an sich. Aber dass man dann im Alltag mit diesen theoretischen „Brillen“ auf Individuen gucken muss, welche Emotion genau in welcher Situation auf welchen Reiz hin ausgelöst wird, das ist eine völlig andere Art von Wissen. Das ist erfahrungsbezogenes, biografisches oder auf das individuum bezogenes Wissen. Und dass das qualitativ zwei völlig verschiedene Arten von Wissen sind, die ich aufbauen muss bei einem Theorie-Praxis-Transfer, das ist, denke ich, eine wirklich spannende Erkenntnis.

Worauf seid ihr stolz?

C.K.: Stolz ist immer ein schwieriger Begriff, aber für mich ist es wirklich was motivational ganz Starkes, was mich da so antreibt, dass wirklich mit dieser Plattform etwas zur Verfügung steht, was einfach offen für jeden nutzbar ist, einfach for free, für jede Person, die Lust hat, sich damit zu beschäftigen.

N.B.: Da sich nicht zu verlieren in fachinternem Austausch, wenn man drüber redet, dieses Wissen in die Praxis zu tragen, ist für mich persönlich auch was, wenn wir das Projekt abgeschlossen haben, worauf ich hoffentlich sehr stolz sein werde. Worauf ich jetzt schon ein bisschen stolz bin, ist unsere Herangehensweise, unsere Grundidee. Da glaube ich haben wir ein ganz gutes Fundament gegossen.

Wie malt ihr euch die zukünftige Perspektive für eueren Maßnahmenbereich aus?

C.K.: Die Idee ist ja wirklich, die verschiedenen Phasen der Lehramtsausbildung da auch miteinander zu verknüpfen. Und Nils z.B. bietet dann explizit ein interdisziplinäres Seminar mit Psychologie und Lehramt an, wo dann diese Fälle in der Lehre aufgegriffen werden und dann gemeinsam mit den Studierenden erarbeitet werden. Und das wäre zumindest ein Wunsch, dass wir das auch langfristig in der Lehre hier bei mir am Lehrstuhl als Seminar anbieten, was dann eine der tragenden Säulen der Weiterentwicklung
der Plattform sein wird. Und das Ziel ist natürlich, die Plattform dann sehr attraktiv zu gestalten, auch von der Aufmachung her, damit man auch wirklich Lust und Spaß hat, sich damit zu beschäftigen.
Oder ob man nicht gemeinsam mit der Lehrerforbildungsakadmie in Dillingen die Plattform vielleicht tatsächlich mal in Richtung Lehrerfortbildungen mit irgendeinem Kooperationsprojekt noch weiter ausarbeitet, die Idee würde auch noch im Raum stehen.

Das Gespräch führte Prof. Dr. Karsten Rincke


L-DUR wird im Rahmen der gemeinsamen "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. (FKZ: 01JA2010)

L-DUR wird im Rahmen der gemeinsamen "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. (FKZ: 01JA2010)


L-DUR

Wissenschaftliche Projektleitung:

Prof. Dr. Meike Munser-Kiefer

Prof. Dr. Karsten Rincke

Logo L-DUR - Lehrkräftebildung Digital an der Universität Regensburg

Organisatorische Projektleitung:

Natascha Lehner