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Forschungsziele

Unsere Forschung hat gezeigt, dass das Immunsystem den evolutionär konservierten Signalweg des Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) für seine Zwecke verwendet.

Beispielsweise fanden wir, dass der EGF-ähnliche Wachstumsfaktor Amphiregulin ein Zytokin ist, das von Leukozyten exprimiert wird und zur Resistenz gegen Wurminfektionen beiträgt. (Zaiss et al. Science 2006). Kürzlich haben wir dann gezeigt, dass Amphiregulin dies erreicht, indem es die Bildung von Heterokomplexen / Signalclustern zwischen EGFR und IL-33R auf der Oberfläche von Th2-Zellen ermöglicht. Diese Heterokomplexe/Cluster ermöglichen es Th2-Zellen, IL-13 zu exprimieren, wenn sie IL-33 ausgesetzt werden. Auf diese Weise tragen Th2-Zellen am Ort der Infektion Antigen-unabhängig zur Wurmaustreibung bei. (Minutti et al. Immunity 2017).

Darüber hinaus entdeckten wir, dass ein Crosstalk zwischen EGFR und TGFβ lokale Immunantworten steuert. Basierend auf einem „biased agonism“ des EGFR induziert der niederaffine EGFR-Ligand Amphiregulin die lokale Aktivierung von TGFβ (Minutti et al., Immunity 2019). Auf diese Weise verstärkt Amphiregulin die Unterdrückungskapazität regulatorischer T-Zellen und trägt dadurch entscheidend zur Auflösung von Entzündungen und zur Gewebehomöostase bei. (Zaiss et al. Immunity 2013). TGFβ wird in Geweben in Form eines latenten Komplexes exprimiert und gelagert. Als EGFR-Ligand mit niedriger Affinität induziert Amphiregulin ein tonisch anhaltendes Signal, das Integrin-αV-Komplexe auf Zielzellen aktiviert und so die lokale Freisetzung von bioaktivem TGFβ induziert (Minutti et al. Immunity 2019). Auf diese Weise trägt Amphiregulin zur lokalen Immunsuppression und zur Differenzierung gewebebewohnter Stammzellen wie Perizyten und damit zur Gewebereparatur bei (Minutti et al. Immunity 2019).

Dieses unerwartete Konzept der lokalen Immunregulation legt die Neubewertung mehrerer unserer gegenwärtigen Wahrnehmungen in Bezug auf Entzündungen, Wundheilung und Gewebehomöostase nahe; und damit auch ihre Bedeutung für die Entstehung von Gewebefibrose, Krebs und Autoimmunerkrankungen.

Wir untersuchen die grundlegenden Implikationen dieses neuartigen Forschungszweiges weiter und wenden unsere Erkenntnisse für die Entwicklung eines therapeutischen Forschungsprogramms an.

Derzeit entwickeln wir Forschungsprojekte auf verschiedenen Ebenen:


Auf molekularer Ebene

Zytokin-Heterokomplexe als Gerüst für die Zytokin-Signalübertragung:

Der EGFR kann mit anderen Zytokinrezeptoren Heterokomplexe bilden (Minutti et al. Immunity 2017). Die Bildung von Heterokomplexen zwischen Zytokinrezeptoren ist ein rätselhafter Prozess. Wir gehen derzeit davon aus, dass die transiente Aktivierung des EGFR eine deutliche Clusterbildung von aktivierten Rezeptoren auf der Zelloberfläche induziert. Diese Cluster werden dann zu intrazellulären Signalkomplexen geleitet, von denen wir annehmen, dass sie Aktin-verankert sind. Nur in diesen signalkompetenten Clustern wird dann eine Interaktion zwischen den verschiedenen Signaltransduktionswegen initiiert. Wir verwenden mikroskopiebasierte Ansätze, um diese Fragen zu beantworten.

EGFR-Signalweg in der Tumorentstehung und Krebstherapie:

Mehrere unterschiedliche Arten von Tumoren überexprimieren entweder eine wt- oder eine mutierte Form des EGFR. Diese Tumorarten sind oft schwer zu behandeln, weisen einen „Lymphozyten-Ausschluss“-Phänotyp auf und sprechen schlecht auf eine Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren an. Wir vermuten, dass ähnlich wie die Amphiregulin-vermittelte EGFR-Aktivierung auch die EGFR-Komplexe auf diesen Tumoren eine anhaltende Aktivierung des PLCγ-Signalwegs und damit die lokale Aktivierung von latentem TGFβ induzieren. Eine Übersicht zu diesem Konzept finden Sie unter: Kapoor & Zaiss (2022) Biomedicines 27:52.

Um unsere Hypothese zu testen, etablierten wir zusammen mit dem MRC Mouse Genetics Research Institute in Harwell einen Mausstamm mit einer Punktmutation im EGFR (EGFR-Y992F). Bei diesem Mausstamm ist die selektive Verbindung zwischen dem EGFR- und dem PLCγ-Signalweg unterbrochen. Somit kann bei diesem Mausstamm die Überexpression des EGFR nicht mehr zur lokalen Aktivierung von TGFβ führen. In Mausmodellen von spontanen Tumoren, die bekannt dafür sind, den EGFR überzuexprimieren, werden wir nun bestimmen, ob die Unterbrechung der Verbindung zwischen dem EGFR- und dem PLCγ-Signalweg die Fähigkeit des Immunsystems verbessert, neu entstehende Tumore spontan zu beseitigen.

Diese Experimente werden zeigen, ob man durch die gezielte Blockade des EGFR in einer klinischen Applikation die lokale Tumormikroumgebung beeinflusst. Das ermöglichte es uns dann, klinisch zugelassene EGFR-Inhibitoren als Mittel zur Verbesserung der Wirksamkeit der Tumorimmuntherapiezu verwenden.


Auf zellulärer Ebene

Um die Koordination von Immunantworten in Geweben zu gewährleisten, zum Beispiel bei Infektionen, beeinflusst der EGFR die Funktionalität von Leukozyten, wie z. B. T-Zellen, während verschiedener Phasen einer Immunantwort:

Während der Einarbeitungsphase:

Unter Verwendung von Einzelzellsequenzierung und TCR-Klonierung fanden wir heraus, dass hochaffine TCR-Liganden die Expression des EGF-ähnlichen Wachstumfaktors HB-EGF induzieren. Diese Expression von HB-EGF erhöht die Überlebensrate von geprimten naiven CD4-T-Zellen und verhindert die TGFβ-induzierte Th-17-Differenzierung dieser Zellen. Somit führt die EGFR-vermittelte Signalübertragung zur Expansion von TCR-Klonen mit hoher Affinität und verzerrt erregerspezifische Immunantworten in Richtung eines Th1-Phänotyps, wodurch Autoimmunerkrankungen verhindert werden.

Während der Effektorphase:

Unter Verwendung eines adoptiven T-Zell-Transfersystems in MHC-II-defiziente Mäuse haben wir die Mechanismen analysiert, durch die CD4-T-Zellen die EGFR-Expression verwenden, um den lokalen Entzündungszustand zu erkennen (Minutti et al. Immunity 2017). Wir fanden heraus, dass der EGFR Heterokomplexe mit IL-1R-verwandten Transmembranrezeptoren (TIR) ​​bildet. Auf diese Weise können T-Zellen am Ort der Infektion Antigen-unabhängig funktionieren.

Während der Abklingphase:

Anhand eines passiven Transfermodells stellen wir fest, ob die HB-EGF-Expression es lokalen Effektor-CD4-T-Zellen ermöglicht, der TGFβ-vermittelten Immunsuppression zu entkommen und so die lokale Entzündung, beispielsweise in entzündeten arthritischen Gelenken, aufrechtzuerhalten


Auf Gewebe-Ebene

Indem wir experimentell induzierte Entzündungen mit einem auf intravitaler Mikroskopie basierenden Ansatz bei Reportermäusen kombinieren, bestimmen wir, wie lokale Entzündungen das EGFR / TGFβ-Crosstalk nutzen, um ein dynamisches, räumlich-zeitliches Aktivitätsmuster von TGFβ zu erzwingen, das die Pathogenbeseitigung mit der Wundheilung koordiniert.

Anhand von Infektionsmodellen testen wir, ob am Ort der Infektion die von Monozyten stammende HB-EGF-Expression vorherrscht und die TGFβ-Funktion unterdrückt und somit eine effiziente lokale Immunantwort aufrechterhält. Gleichzeitig herrscht in der Peripherie Amphiregulin vor und dadurch die TGFβ-Aktivierung, was dann zur Auflösung der lokalen Entzündung führt. Dadurch wird die Wundheilung erleichtert, indem die Differenzierung von Gewebestammzellen sowie von Myofibroblasten induziert wird.

Diese verstärkte Myofibroblasten-Differenzierung trägt über eine verstärkte Kollagenablagerung zur Wundheilung und zur Einkapselung der Infektionsstelle bei. Diese verstärkte Kollagenablagerung kann aber auch zu Gewebefibrose und Verlust der Organfunktion führen.


Auf translationaler Ebene

Wir entwicklen neutralisierende Antikörper und peptidbasierte Inhibitoren, die spezifisch die Aktivität von entweder Amphiregulin oder HB-EGF blockieren können.

Der Amphiregulin-spezifische Inhibitor verhindert und kehrt Lungenfibrose in einem chronischen Lungenentzündungsmodell (Hausstaubmilbenextrakt) und einem Bleomycin-Modell um. Wir beabsichtigen, diese Inhibitoren für den therapeutischen Einsatz bei lungentransplantierten Patienten und bei Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) weiterzuentwickeln.

Außerdem möchten wir den HB-EGF-Hemmer in Mausmodellen auf seine therapeutische Wirksamkeit testen, etwa bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis. Wir gehen davon aus, dass HB-EGF das Überleben von T-Effektorzellen verbessert und sie resistent gegen regulatorische T-Zell- und TGFβ-vermittelte Immunsuppression macht. HB-EGF-spezifische Inhibitoren sollten in entzündeten Gelenken eine Situation nachahmen könnten, die nach einer Behandlung mit TNFα-Inhibitoren beobachtet wird. Da war gezeigt worden, dass TNFα-Inhibitoren die Unterdrückungskapazität regulatorischer T-Zellen in entzündeten Gelenken verstärkt. Somit könnten HB-EGF-spezifische Inhibitoren potenziell verwendet werden, um TNFα-Inhibitorbehandlungen bei ihrer klinischen Verwendung zu ergänzen oder sogar zu ersetzen.