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Scheidung ohne Gericht 2016

6. - 8. Oktober 2016

13. Symposium für europäisches Familienrecht

Das Scheidungsrecht hat in den europäischen Ländern seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tiefgreifende Änderungen erfahren. Das betrifft zum einen das Recht der Scheidungsgründe: Die Tendenz geht seitdem dahin, die Scheidung zu erleichtern. Der zentrale Topos dieser Liberalisierungstendenzen ist - wie man es formuliert hat - der "Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip": Eheverfehlungen sind als Scheidungsgründe entweder abgeschafft oder spielen nur noch neben der Scheidung wegen unheilbarer Ehezerrüttungen eine Rolle. In vielen Rechtsordnungen hat sich das Prinzip durchgesetzt, dass ein Ehegatte auch gegen den Willen des anderen die Scheidung einer aus seiner Sicht zerrütteten Ehe durchsetzen kann; Härteklauseln, wie sie das deutsche Recht kennt, haben sich als ineffektiv erwiesen.

Neben die Zerrüttungsscheidung tritt mehr und mehr auch der Gedanke der zwischen den Ehegatten vereinbarten Scheidung (Konventionalscheidung) als Ausfluss der Privatautonomie. Innerhalb des herkömmlichen Systems, das die Eheauflösung an eine Gerichtsentscheidung bindet, erfolgt die einverständliche Scheidung durch entsprechende Erklärungen der Ehegatten gegenüber dem Gericht, die dann die Grundlage der richterlich ausgesprochenen Scheidung bilden. In neueren Reformen einiger Länder wird demgegenüber auf die Mitwirkung einer richterlichen Erkenntnis verzichtet: Die Scheidung erfolgt privatautonom durch Erklärung gegenüber den für die Registrierung zuständigen Stellen. Ein solches Verfahren ist beispielsweise neuerdings in Italien möglich: Die Ehegatten können etwa unter bestimmten Voraussetzungen in Gegenwart ihrer Anwälte eine Scheidungsvereinbarung treffen, die vom Staatsanwalt überprüft und, wenn nicht beanstandet, an den Standesbeamten zur Eintragung weitergeleitet wird. Ähnliche Regelungen bestehen auch in anderen Ländern. Auch in Deutschland werden Forderungen nach Einführung einer privatautonomen Scheidung erhoben.

Der Kongress verfolgt das Ziel, aus Anlass der neuen Entwicklungen den derzeitigen Stand des europäischen Scheidungsrechts rechtsvergleichend in den Blick zu nehmen. Dabei stehen das Recht der Scheidungsgründe und das Scheidungsverfahren, insbesondere die Frage der obligatorischen richterlichen Mitwirkung im Mittelpunkt. Zu thematisieren ist aber auch das Recht der Scheidungsfolgen, das mit der Formulierung der Scheidungsgründe in engem Zusammenhang steht. Das staatliche Scheidungsrecht verfolgt üblicherweise auch das Ziel, eine gerechte Regelung der ökonomischen Scheidungsfolgen (Unterhalt, Vermögensausgleich, Familienheim) zu bieten und das Wohl der betreuungsbedürftigen Kinder zu wahren. Unter diesen Aspekten ist entscheidend, wie sich Scheidungsgründe und Scheidungsverfahren zu diesen Zielsetzungen jeweils verhalten. Insbesondere ist zu fragen, welche Verknüpfungen zwischen Scheidungsgründen und Scheidungsfolgen jeweils bestehen und inwieweit die Scheidungsfolgen Thema des Scheidungsprozederes - sei es mit oder ohne gerichtlicher Mitwirkung - sind oder werden können.


Tagungsleitung

Prof. Dr. Anatol Dutta
Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab
Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Gottwald
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Henrich
Prof. Dr. Martin Löhnig


programm

Tagungsprogramm


Donnerstag, 6. Oktober 2016

14.00 Begrüßung und Einführung
14.15 Einleitung: Wie kommt die Ehe zum Gericht? (Dieter Schwab)
14.45 Der Stand des deutschen Scheidungsrechts (Anatol Dutta)
15.15 Einvernehmliche Scheidung in Deutschland aus notarieller Sicht (Markus Buschbaum)
15.45 Diskussion
16.15 Kaffeepause
16.45 Länderbericht Österreich (Susanne Ferrari)
17.15 Länderbericht Schweiz (Regina Aebi-Müller)
17.45 Diskussion
20.00 Gemeinsames Abendessen (gesonderte Anmeldung erforderlich)

Freitag, 7. Oktober 2016

9.00 Länderbericht Italien (Salvatore Patti)
9.30 Länderbericht Spanien (Josep Ferrer Riba)
10.00 Diskussion
10.30 Kaffeepause
11.00 Länderbericht Frankreich (Frédérique Ferrand)
11.30 Länderbericht Belgien (Walter Pintens)
12.00 Länderbericht Niederlande (Willem Breemhaar)                                            
12.30 Diskussion
13.00 Mittagspause
14.00 Länderbericht Polen (Błażej Bugajski)
14.30 Länderbericht Tschechien (Lenka Westphálova)
15.00 Diskussion
15.30 Kaffeepause
16.00 Länderbericht Norwegen (Anneken Sperr)
16.30 Länderbericht Slowenien (Barbara Novak)
17.00 Diskussion

Samstag, 8. Oktober 2016

9.00 Länderbericht Vereinigtes Königreich (Jens Scherpe)
9.30 Das Scheidungsrecht in islamischen Ländern (Nadjma Yassari)
10.00 Diskussion
10.30 Kaffeepause
11.00 Neue Entwicklungen im Scheidungsrecht als Herausforderung für das Internationale Privatrecht (Tobias Helms)
11.30 Diskussion
12.00 Schlussbetrachtung (Dieter Henrich) und Diskussion
13.00 Tagungsende

Referenten

Prof. Dr. Regina Aebi-Müller
Universität Luzern, Schweiz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Henrich,
Universität Regensburg, Deutschland

Prof. Dr. Willem Breemhaar
Universität Amsterdam, Niederlande

Prof. Dr. Barbara Novak
Universität Ljubljana, Slowenien

Dr. Błażej Bugajski
Universität Krakau, Polen
Prof. Dr. Salvatore Patti
Universität La Sapienza, Rom, Italien
Dr. Markus Buschbaum
Köln, Deutschland
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Pintens
Universität Leuven, Belgien
Prof. Dr. Anatol Dutta
Universität Regensburg, Deutschland
Dr. Dr. Jens Scherpe
Universität Cambridge, UK

Prof. Dr. Frédérique Ferrand
Universität Lyon III, Frankreich

Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab
Universität Regensburg, Deutschland

Prof. Dr. Susanne Ferrari
Universität Graz, Österreich

Dr. Anneken Sperr
Universität Bergen, Norwegen
Prof. Dr. Josep Ferrer Riba
Universität Pompeu Fabra, Barcelona, Spanien
Dr. Lenka Westphálova
Universität Olomouc, Tschechien
Prof. Dr. Tobias Helms
Universität Marburg, Deutschland

Dr. Nadjma Yassari
MPI für ausl. und int. Privatrecht
Hamburg, Deutschland



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