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Vormundschaftsrecht in Europa

12. - 13. Dezember 2014

Sonderworkshop zum europäischen Familienrecht

Zu den wenigen Instituten im deutschen Familienrecht, die von den zahlreichen Reformwellen im vierten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs nahezu vollständig verschont geblieben sind, gehört die Vormundschaft. Im Zentrum der gesetzlichen Regelung steht bis heute der Einzelvormund, der sich aus einer altruistischen Motivation heraus um eine Waise wie um ein eigenes Kind kümmert. Mit der Wirklichkeit hat diese Konzeption freilich nur wenig gemein. Ein Vormund wird heute überwiegend für Kinder bestellt, deren Eltern ihren Sorgeverpflichtungen nicht nachkommen können. Das Vormundschaftswesen ist von der Vormundschaft des Jugendamtes als Amtsvormund geprägt; der mit den Aufgaben der Vormundschaft betraute Mitarbeiter des Jugendamts ist typischerweise für eine große Anzahl von Kindern zuständig, deren Erziehung er delegiert und überwacht.

Nach zahlreichen aufsehenerregenden Fällen, in denen die Grenzen des deutschen Vormundschaftssystems deutlich geworden sind und auf die der Gesetzgeber mit ersten Maßnahmen reagiert hat, ist es an der Zeit, über eine grundlegende Reform des Vormundschaftsrechts nachzudenken. Da es sich bei der Vormundschaft – der Übernahme von Sorgeverantwortung an Stelle der Eltern durch einen Dritten – um ein universell auftretendes Phänomen handelt, lohnt dabei vor allem auch der Blick in das Ausland, zumal die Vormundschaft bisher nicht im Fokus der Familienrechtsvergleichung stand.

Auf Anregung aus dem Bundesjustizministerium haben sich die Veranstalter der Regensburger Symposien für europäisches Familienrecht deshalb entschlossen, außerhalb des zweijährigen Turnus einen Sonderworkshop zu veranstalten, der ein rechtsvergleichendes Fundament für eine Reform des Vormundschaftsrechts schaffen soll. Ausgewiesene Familienrechtsexperten aus dem europäischen Ausland sollen über die Entwicklung des Vormundschaftsrechts in ihren Rechtsordnungen berichten.


Guardianship for Minors in Europe

One of the few institutions in German family law which has not been the object of comprehensive legislative reform, since the original adoption of the German Civil Code (Bürgerliches Gesetzbuch) in 1896, is the guardianship of minors. The law remains centred on the individual guardian who – out of altruistic motivations – cares for an orphan as if his or her own child. This concept of guardianship has, of course, little in common with reality. A guardian nowadays is, in most cases, appointed for minors whose parents are not able fulfil their parental responsibilities.

After numerous tragic cases which demonstrated the limits of the present German guardianship system and which prompted the first reactions of the legislator, it is now high time to systematically review the German law on guardianship. As guardianship – the exercise of parental responsibility by third persons – is a universally recognised institution, a comparative perspective appears to be rather promising, especially as comparative family law has not focussed on guardianship so far.

Seizing upon a suggestion of the German Federal Ministry of Justice, we have therefore decided to organise – outside the biennial cycle of the Regensburg symposia series – a special workshop which shall lay the comparative foundations for a reform of the German law on guardianship. In furtherance of this effort, distinguished scholars from European jurisdictions shall report on the developments of guardianship in their legal systems.



Tagungsleitung

Prof. Dr. Anatol Dutta
Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab
Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Gottwald
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Henrich
Prof. Dr. Martin Löhnig

Sponsoren

Die Tagung wurde gefördert vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie von der Universität Regensburg.

Sonderworkshop

 

Tagungsbericht

von Lukas Meyer, Regensburg

Dass die Ausgestaltung des deutschen Vormundschaftsrechts in weiten Teilen noch aus der Entstehungszeit des Bürgerlichen Gesetzbuchs stammt, betonte der Bundesjustizminister Heiko Maas in seinen Grußworten, überbracht von Thomas Meyer (Berlin), Ministerialrat im Bundesjustizministerium zur Eröffnung des Sonderworkshops: "Die Vorschriften aus den Anfängen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die auf den Vormund aus der Familie zugeschnitten sind, passen nicht mehr zu den gegenwärtigen Verhältnissen." Nach punktuellen Änderungen im Jahre 2011 steht nun eine weitergehende Modernisierung des Vormundschaftsrechts an - so wurde es im vergangenen Jahr auf Bundesebene im Koalitionsvertrag beschlossen.

Auf Anregung und mit Unterstützung des Bundesjustizministeriums fand daher im vorweihnachtlichen Regensburg, veranstaltet von den Organisatoren der Regensburger Symposien für Europäisches Familienrecht, am 12. und 13. Dezember 2014 ein rechtsvergleichender Sonderworkshop zum Vormundschaftsrecht in Europa statt. Der Reformbedarf trat bereits in den Worten von Dieter Schwab (Regensburg) zu Tage, der Entwicklung und Probleme des deutschen Vormundschaftsrechts skizzierte, für die Thomas Meyer bisher anvisierte Lösungsansätze des Bundesjustizministeriums vorstellte. In Länderberichten ausgewiesener Familienrechtsexperten zur Rechtslage in anderen Staaten Europas und Diskussionen mit dem kundigen Fachpublikum offenbarte sich, was angesichts der Natur des Vormundschaftsrechts als Rechtsgebiet an der Schnittstelle zwischen öffentlichem Recht und Familienrecht, überrascht: Losgelöst von den Begriffen der nationalen Rechtsordnungen ergeben sich bei funktionaler Betrachtung recht ähnliche Lösungsansätze. Oftmals werden Extrempositionen zu bestimmten Einzelfragen, die sich allesamt in den Rechtsordnungen Europas wiederfinden, an anderer Stelle ausgeglichen. Unterschiede bestehen freilich im Detail, vor allem auch, soweit die Ausgestaltung der Vormundschaft kostenrelevant ist. Anatol Dutta (Regensburg) kam in seinem Schlusswort deshalb zu dem Resümee, dass die Regelungen in besonderem Maß auch davon abhingen, welches Vormundschaftsrecht sich eine Gesellschaft leisten könne und wolle, was ihr also der Schutz Minderjähriger wert sei.


Programm

Tagungsprogramm


Freitag, 12. Dezember 2014

09.00

Eröffnung und Grußworte (Anatol Dutta)

09.30 Entwicklung des deutschen Vormundschaftsrechts (Dieter Schwab)
10.00

Reformbedarf - Reformpläne im deutschen Vormundschaftsrecht    (Thomas Meyer)

10.30 Diskussion
11.00 Kaffeepause
11.30 Länderbericht Schweiz (Alexandra Rumo-Jungo)
12.00 Länderbericht Österreich (Astrid Deixler-Hübner)
12.30 Diskussion
13.00 Mittagspause
14.00 Länderbericht Slowenien (Barbara Novak)
14.30 Diskussion
15.00 Kaffeepause
15.30 Länderbericht Finnland (Markku Helin) *
16.00 Länderbericht Ungarn (Orsolya Szeibert) *
16.30 Diskussion
19.00 Gemeinsames Abendessen (gesonderte Anmeldung erforderlich)

Samstag, 13. Dezember 2014

09.00 Länderbericht England und Wales (Brian Sloan) *
09.30 Länderbericht Spanien (Josep Ferrer Riba)
10.00 Diskussion
10.30 Kaffeepause
11.00 Länderbericht Polen (Błażej Bugajski)
11.30 Länderbericht Griechenland (Eleni Zervogianni)

12.00

Diskussion

12.30

Schlussbetrachtung (Anatol Dutta) und Diskussion

14.00

Tagungsende

 

* Referate in englischer Sprache

 


referenten

Dr. Błażej Bugajski,
Universität Krakow, Polen

Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner,
Johannes Kepler Universität Linz, Österreich

Prof. Dr. Anatol Dutta,
Universität Regensburg, Deutschland

Prof. Dr. Josep Ferrer Riba,
Universität Pompeu Fabra, Barcelona, Spanien

Prof. Markku Helin,
Universität Turku, Finnland

Dr. Thomas Meyer,
Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin, Deutschland

Prof. Dr. Barbara Novak,
Universität Ljubljana, Slowenien

Prof. Dr. Alexandra Rumo-Jungo,
Universität Freiburg, Schweiz

Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab,
Universität Regensburg, Deutschland

Dr. Brian Sloan,
Universität Cambridge, UK

Dr. Orsolya Szeibert,
Eötvös Loránd Universität, Budapest, Ungarn

Dr. Eleni Zervogianni,
Universität Thessaloniki, Griechenland



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