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Jüdisch-christliche Symbolik des Apfels

Das Alte Testament stellt den Apfel in ein generell positives Licht. Insbesondere der Verfasser des Hohenliedes kommt in seiner bildhaften Ausdrucksweise immer wieder gerne auf die Frucht zu sprechen (Hld 4,3: Deine Schläfen sind hinter deinem Schleier wie eine Scheibe vom Granatapfel; Hld 7,9: Lass […] den Duft deines Atems wie Äpfel; Hld 4,13: Du bist gewachsen wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, Zyperblumen mit Narden). Granatäpfel standen für die Fruchtbarkeit des Landes (Num. 13,23; Dtn. 8,8). Die Form der Frucht lieferte die Vorlage für die Gestaltung der Obergewandes des Hohepriesters Aaron (Ex. 28,33-34; zur allegorischen Ausdeutung der mit kleinen Glöckchen abwechselnden Granatäpfel vgl. Engemann, S. 706) und die Säulen vor dem Tempel Salomos (1 Reg. 7,18-20).

Weinmann 2 2 Tab

Granata seu malus Punica. In: Johann Wilhelm Weinmann: Phytanthoza-Iconographia, Sive Conspectus Aliquot millium, tam Indigenarum quam Exoticarum, ex quatuor mundi partibus, longa annorum serie indefessoque studio, a Joanne Guilielmo Weinmanno, Dicasterii Ratisbonensis Assessore et Pharmacopola Seniore collectarum Plantarum, Arborum, Fructicum, Florum, Fructuum, Fungorum etc. Regensburg 1735-1745. Dauerleihgabe Regensburgische Botanische Gesellschaft. Universitätsbibliothek Regensburg. Bd. 2,2. Tab. 557.

Das Christentum erweitert die positive Einschätzung des Apfels im Alten Testament um eine explizit negative: Der Apfel bezeichnete nun, da man den in Gen. 3,3-5 erwähnten „Baum der Erkenntnis“ mit einem Apfelbaum identifizierte (vgl. Cyprian. Gall. Gen. 77 und Avit. Poem. 2,210), auch die Aspekte Sünde und Tod. Freilich findet sich auch – anschließend an die jüdische Exegese (vgl. Reichmann, Sp. 668-669) – die Auffassung, die im Erkenntnisbaum den in der Bibel ebenfalls erwähnten paradiesischen Feigenbaum (Gen. 3,7) sah.

Ficus carica

Ficus carica. In: Elizabeth Blackwell: Vermehrtes und verbessertes Blackwellisches Kräuterbuch. Herbarium Blackwellianum emendatum et auctum. Nürnberg 1754-1773. Bd. 2. Tab. 125. Dauerleihgabe Regensburgische Botanische Gesellschaft. UB Regensburg.

Die Bestimmung des Gewächses als Apfelbaum wurde in der späteren ikonographischen Tradition aufgegriffen: Der Apfel wird in mittelalterlichen Darstellungen der Paradiesschlange in den Mund gegeben oder erscheint in der Hand Mariens, der „neuen Eva“, als Zeichen der durch die Erlösungstat Christi überwundenen Sünde. Auch in der Paradiesspieltradition hat der Apfel einen festen Platz als Requisit, wenn auch weniger aus streng exegetischen denn aus pragmatischen Gründen. Ob es sich nun um eine Feigen- oder einen Apfelbaum handelte, der „Baum der Erkenntnis“ bildet eine wichtige Schnittstelle zwischen Altem und Neuem Testament: Man setzte ihn gleich mit dem „Kreuzesbaum“, an dem Christus wie ein Apfel hängt (Ps.-Greg. M. i. Cant. 8,5 = PL 79,541) – bis hin zu der Vorstellung, dass durch das Ausheben des Erdbodens auf dem Berg Golgotha beim Aufstellen des Kreuzes der Schädel Adams gefunden wurde. (siehe folgende Kapitel Das Paradiesspiel im Mittelalter und in der Neuzeit und Der Apfel zwischen Sünde und Verheißung).

Vielfach sind die Versuche, in den im Bibeltext erwähnten Äpfeln allegorische Bezüge zu Christus zu sehen. Besonders der Wohlgeruch und die Süße sind Aspekte der Frucht, auf die man hier verwies. Ambrosius (i. Ps. 118,5,9) spricht von der wohlriechenden Gnade Christi, seinem Wohlgeruch der Erlösung und nennt eine ihn süße Speise, die der Kirche zur Nahrung dient (ibid. 118,5,16). Seine botanischen Eigenschaften boten aber v. a. auch beim Granatapfel Möglichkeiten zur allegorischen Deutung (vgl. zusammenfassend Engemann, Sp. 708-711). Besonders drei Aspekte kamen hier ins Spiel: Die harte, rote Schale der Frucht bezog man auf die vom Blut Christi und der Märtyrer blutrot gefärbte Kirche (vgl. z. B. Beda in Cant. expos. 4 = PL 91,1145). Die vielen süßen Kerne repräsentieren die Einheit der Glieder der Kirche (vgl. z. B. Ambr. Iac. 2,1,3 = PL 14,646). Auch die unsichtbaren, aber wohlschmeckenden Kerne wurden allegorisch bezogen, etwa auf die verborgenen Tugenden einer gottgeweihten Seele (vgl. Beda in Cant. Expos. 6,24 = PL 91,1180).

Granatäpffelbaum, Malus Punica

Granatäpffelbaum, Malus Punica. In: Adam Lonitzer: Herrn Adami Loniceri, Der Artzney D. und weyland Ordinarii Primarii Physici zu Franckfurt Kräuter-Buch und Künstliche Conterfeyungen der Bäumen, Stauden, Hecken, Kräutern, Geträyde, Gewürtzen etc. Ulm 1703. S. 58. Dauerleihgabe Regensburgische Botanische Gesellschaft. Universitätsbibliothek Regensburg.

Literatur

  • AKL = Günter Meißner (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, München/Leipzig 1991ff.
  • Christian Dutilh: Art. „Granatapfel“. In: LCI 2. Sp. 198-199.
  • Josef Engemann: Art. „Granatapfel“. In: RAC 12. Sp. 689-718.
  • Karl Heisig: Woher stammt die Vorstellung vom Paradiesapfel? In: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der Älteren Kirche 44 (1953,1). S. 111-118.
  • Friedrich Muthmann: Der Granatapfel. Symbol des Lebens in der alten Welt. Mainz 1982.
  • Franz Olck: Art. „Apfel“. In: RE 1. Sp. 2700-2708.
  • Hendrik Willem van Os: Art. „Apfel“. In: LCI 1. Sp. 123-124.
  • Victor Reichmann: Art. „Feige I (Ficus carica)“ und „Feige II (Sykomore)“. In: RAC 7. Sp. 640-689.
  • August Steier: Art. „Malum Punicum“. In: RE XIV,1. Sp. 928-942.
  • Sibylla Zenker u. Eduard Stemplinger: Art. „Apfel“. In: RAC 1. Sp. 493-495.

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