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Vom Reaktionär zum Label

Das Gedicht Herr Winter von Hermann Rollett wurde erstmalig in den Fliegenden Blättern 1847 veröffentlicht. Moritz von Schwind illustrierte humorvoll das jährlich wiederkehrende Schicksal des Kälteboten: Obgleich Herr Winter seine Aufgabe gewissenhaft erfüllt, indem er die Welt mit Eis und Schnee überzieht, erntet er keine Dankbarkeit bei den Menschen. Einsam durch die Fluren und Gassen ziehend, sucht er verzweifelt Einlass in warme Stuben und Aufnahme in die bürgerliche Gesellschaft zu finden. Sogar als er mit einem geschmückten Christbaum und Geschenken an Heilig Abend aufwartet, wird er enttäuscht: Die Gaben werden gerne entgegengenommen; der frostige Geselle muss jedoch vor der Tür stehen bleiben. Aus allen Häusern und Hütten verjagt, sucht Herr Winter, vom Märzwind getrieben, eine Familie mit einem Neugeborenen auf: Nur der Frühling in der goldenen Wiege, sein eigenes Kind, streckt ihm schließlich fröhlich die Hände entgegen.

Der Münchener Bilderbogen nahm in seinem ersten Jahrgang 1848 die tragikomischen Begebenheiten des Herrn Winter auf, jedoch in stark verkürzter Textform. Die ursprüngliche politische Konnotation des Gedichts wurde getilgt: Der greise Winter als Zeit der Unterdrückung wird von der Freiheits- und Nationalbewegung abgelöst, die zu der Märzrevolution (1848/9) führen sollte. Die junge Idee eines staats- und gesellschaftsumfassenden Neubeginns wird als personifizierter Frühling im Hause des Dichters geboren, vor eisigen Stürmen geschützt, liebevoll umhegt und –  in Verse gefasst.

Schwinds Bilderzyklus wurde unverändert zu dem neuen Text abgedruckt. Die Herausgeber Braun und Schneider wählten als Umschlag für die Sammelbände des Münchener Bilderbogens eine Darstellung des Protagonisten, die bislang noch nicht publiziert worden war und unser diesjähriges Kartenmotiv stellt. Moritz von Schwind schuf mit seiner Darstellung eines bärtigen, in einen Kapuzenmantel gehüllten Gabenbringers einen Vorläufer des Weihnachtsmanns, in dem sich Elemente allegorischer Winterdarstellungen mit Brauchtum vermischen.

Herr Winter

Herr Winter reicht dem Frühlingskind in der Wiege das erste Blümchen. Aus: Herr Winter. Münchener Bilderbogen Nr. 5 (1. Jahrgang, 1848)


Quellen und weiterführende Literatur

Gerald Huber: 12000 Jahre Weihnachten. Ursprünge eines Fests. München 2019. S. 222 f.

www.goethezeitportal.de/digitale-bibliothek/quellen-und-studien-zur-bildungs-und-kulturgeschichte/moritz-von-schwind-herr-winter.html

www.uni-regensburg.de/bibliothek/bilderbogen/der-engel-lichterglanz-und-schwarze-narretei


  1. Universität

Universitätsbibliothek Regensburg

Herr Winter