Regulierungsinstrumente in der realen Welt
Prof. Dr. Alexander Hellgardt erhält Förderung der VolkswagenStiftung
26. März 2021 | Foto von Prof. Hellgardt: privat
Professor Dr. Alexander Hellgardt, Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Grundlagen des Rechts an der Universität Regensburg, erhält für sein Forschungsprojekt „Regulatory Instruments in the Real World“ eine Million Euro Fördergeld von der VolkswagenStiftung. Der Rechtswissenschaftler setzt sich in den kommenden Jahren intensiv mit der Steuerungsfunktion des Rechts, der „Regulierung“, auseinander. Er will unterschiedliche Regulierungsinstrumente unter Rückgriff auf etablierte Methoden der empirischen Sozialforschung empirisch untersuchen und vergleichen. Vorrangig sollen statistische Daten verwendet werden, aber auch durch Feldexperimente, klassische Labor- und Virtual Reality-Experimente will der Rechtswissenschaftler Daten generieren. Zudem sollen Computersimulationen auf Grundlage von Big Data zum Einsatz kommen. Sachlich soll sich das Forschungsprogramm zunächst auf zwei Referenzgebiete konzentrieren: „Finanzmärkte und Aktiengesellschaften“ und die sogenannte „Verkehrswende“, also der Versuch, den CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs signifikant zu senken.
Ein enormes Desiderat im Bereich der empirischen Rechtsforschung
„Es gibt noch ein enormes Desiderat im Bereich der empirischen Rechtsforschung“, sagt Professor Dr. Alexander Hellgardt. Die Ergebnisse des von der VolkswagenStiftung nun mit einer Million Euro geförderten Forschungsprojektes für die kommenden sieben Jahre werden nicht nur das Grundlagenwissen über die Funktionsweise des Rechts erweitern, sondern haben auch wichtige Implikationen für die Praxis der Gesetzgebung, Behörden und Gerichte. Die Förderung könne ein erster Schritt dazu sein, ein ganz neues Forschungsfeld für die Rechtswissenschaft systematisch zu erschließen. Denn die klassische Rechtswissenschaft beschäftigt sich mit der Auslegung und Systematisierung des Rechts. „Welche Auswirkungen die geltenden Regeln haben, wird dagegen bislang nicht von der Rechtswissenschaft, sondern ein bisschen von der Rechtssoziologie, teils der Sozialpsychologie und vor allem der Ökonomie erforscht. Dabei ist das Erkenntnisinteresse aber immer vom jeweiligen Fach getrieben“, so der Wissenschaftler. Nicht untersucht werden von der Rechtswissenschaft bislang so wichtige Fragen, wie „Welches Regulierungsinstrument eignet sich am besten zur Erreichung eines (politisch vorgegebenen) Regulierungsziels?“, „Welche Nebenwirkungen hat ein bestimmtes Regulierungsinstrument?“, „Wie kann man das Recht so anwenden, dass das Regulierungsziel möglichst gefördert und Nebenwirkungen möglichst vermieden werden?“
Empirische Untersuchung der verhaltenssteuernden Wirkung des Rechts
In seiner Forschung beschäftigt sich Alexander Hellgardt schon länger mit der verhaltenssteuernden Wirkung des Rechts, bislang aber rein theoretisch. So hat er in seiner Habilitationsschrift, die als juristisches Buch des Jahres 2017 ausgezeichnet wurde, eine umfassende Systematik von Regulierungsinstrumenten, Regulierungszielen, Regulierungsstrategien und Regulierungskonzepten entwickelt und unterschiedliche Regulierungsinstrumente hinsichtlich der Kriterien Zielgenauigkeit, Nebenwirkungen und Kosten eingestuft. Letztlich sind das aber Fragen, die nur empirisch beantwortet werden können: „Ich habe mich daher entschlossen, ein neues Forschungsprogramm zu starten, um systematisch empirisch die verhaltenssteuernde Wirkung des Rechts aus rechtswissenschaftlicher Sicht zu untersuchen.“ Alexander Hellgardts Forschungsprogramm ist sehr umfassend gedacht und wird ihn mindestens zehn bis 15 Jahre beschäftigen. Die Förderung durch die VolkswagenStiftung beschreibt der Jurist als „genialen Einstieg“. Über sieben Jahre wird seine Forschung durch großzügige Personal- und Sachmittel gefördert. Das eröffnet ihm selbst Zeit und Ressourcen, sein Forschungsprogramm so aufzustellen, dass er im Anschluss einzelne Projektanträge und möglicherweise einen großen Folgeantrag stellen kann.
Kooperation mit der Fakultät für Informatik und Data Science geplant
Die momentan gewählten zwei Referenzgebiete sollen später ausgeweitet werden, damit die Ergebnisse verallgemeinerbar sind. Zudem plant der Rechtswissenschaftler in der zweiten Hälfte des Projekts mit der neuen Fakultät für Informatik und Data Science zu kooperieren und auch Big-Data-Analysen zur Simulation von Reaktionen auf unterschiedliche Regulierungsinstrumente einzusetzen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, die den Präsidenten der Universität Regensburg, Professor Dr. Udo Hebel, ebenso freut wie die Förderung des Projektes durch die VolkswagenStiftung: „Glückwunsch an Alexander Hellgardt. Seine interdisziplinär relevanten Fragestellungen ermöglichen neue Blicke auf eine vernetzte Welt. Die Dynamiken dieser Welt nehmen wir an der Universität Regensburg als eines unserer Gestaltungsfelder besonders in den Blick. Die VolkswagenStiftung schafft mit dieser Förderung einen essentiellen Freiraum, den solche Themenfelder benötigen.“
Forschung anhand existierender Daten und Datensets aus Computerexperimenten
Die Referenzgebiete bzw. Beispielsfelder, mit denen Alexander Hellgardt startet, sind „Finanzmärkte und Aktiengesellschaften“ sowie die „Verkehrswende“. „Insbesondere im ersten Bereich gibt es eine Vielzahl existierender Daten, die ich für meine Forschung verwenden kann“, so der Wissenschaftler. „Häufig werde ich aber eigene Daten generieren müssen, um die mich interessierenden Detailfragen zu analysieren. Die Idee ist, durch Computerexperimente und Virtual Reality-Experimente solche eigenen Datensets zu generieren.“ Besonders gut eigne sich dafür die Verkehrswende, weil es dabei um Alltagserfahrungen gehe: „So könnte zum Beispiel eine Situation aus dem Straßenverkehr simuliert werden und es tauchen dann unterschiedliche Verkehrsschilder auf, um zu testen, welche rechtlichen Sanktionen dazu führen, dass eilige Fahrer tatsächlich langsamer fahren.“ Ein anderes Beispiel: Es wird simuliert, dass man einen wichtigen Termin hat, aber nur mit dem Diesel-Fahrzeug, nicht aber mit dem umweltfreundlichen Fahrrad rechtzeitig da sein wird. Dann ließe sich testen, unter Einsatz welcher Regulierungsinstrumente die Menschen umsteigen (Geldbuße, Führerscheinverlust, sehr hoher Dieselpreis, kostenloses E-Bike etc.) und wann sie doch das Auto nehmen.
Forschungsprogramm fügt sich in die Neuausrichtung der Fakultät ein
Wichtig ist Alexander Hellgardt, dass sich sein Forschungsprogramm in die Neuausrichtung der Fakultät für Rechtswissenschaft einfügt. Sie will den Einsatz sozialwissenschaftlicher Methoden stärken, wodurch zugleich vielfältige Anknüpfungspunkte für interdisziplinäre Vernetzung entstehen: „Diesem Ziel dient etwa auch die derzeit ausgeschriebene W3-Professur für Transregionale Normentwicklung. Andererseits stärkt das Forschungsprogramm unsere Ausrichtung auf dem Bereich Digitalisierung. Hier haben wir drei Tenure-Track-Juniorprofessuren erhalten, von denen die erste gerade besetzt wurde und die zweite in Kürze ausgeschrieben werden wird. Ein neuer Masterstudiengang und die Einführung eines Bachelor-Abschlusses in diesem Bereich sind derzeit in Arbeit.“
Weiterführende Informationen
Ansprechpartner für Medien
Prof. Dr. Alexander Hellgardt
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Grundlagen des Rechts
Fakultät für Rechtswissenschaften
Universität Regensburg
Telefon 49 941 943-2641
E-Mail alexander.hellgardt@ur.de