Die Mobilität junger Talente
Migration im Donauraum – Erkenntnisse aus dem EU-Projekt TalentMagnet am IOS vorgestellt
15. Dezember 2022
Die Mobilität junger Talente birgt gesellschaftlich, demographisch und arbeitsmarktpolitisch gerade für kleine und mittelgroße Städte in den Donauanrainerstaaten Herausforderungen - dort, wo die Menschen wegziehen, ebenso wie dort, wo sie hingehen. Die Abwanderung hochqualifizierter junger Berufstätiger aus Südosteuropa untersucht das EU-geförderte Projekt TalentMagnet, in dessen Rahmen das Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) im Rahmen einer Studie mit dem Regensburger Institut für sozialwissenschaftliche Beratung GmbH (ISOB) zusammenarbeitete.
In den vergangenen beiden Jahren hat das IOS mit verschiedenen Projektpartnern Migrant:innen zu ihren Abwanderungsgründen und Rückkehrabsichten befragt. Von August bis Dezember 2022 interviewten die Wissenschaftler:innen Migrant:innen aus dem Donauraum in Stadt und Landkreis Regensburg. Die Ergebnisse der 2020 begonnenen Untersuchungen präsentierten nun Dr. Kathleen Beger (IOS) und Dr. Alice Buzdugan (ISOB), beide Absolventinnen der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien der Universität Regensburg. Das Projekt bildet die Grundlage für die Vorbereitung einer vertiefenden wissenschaftlichen Studie über die Migration aus dem Donauraum in Regensburg, die derzeit am IOS entsteht.
Projektpartner:innen aus IOS und ISOB zum Thema Migration im Donauraum im Rahmen des EU-Projektes TalentMagnet: (v. r.) Dr. Kathleen Beger, Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, Dr. Alice Buzdugan und Alexander Krauss. Foto: twa
Der Donauraum als Migrationsraum
„Der Donauraum ist ein Migrationsraum“, konstatierte Professor Dr. Ulf Brunnbauer, Wissenschaftlicher Direktor des IOS und Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg, der gemeinsam mit ISOB-Geschäftsführer Alexander Krauss einleitend die Kontexte der Projektpräsentation skizzierte. Eine deutliche Botschaft aller Projektbeteiligten: Mobilität ist im Donauraum zur Selbstverständlichkeit geworden. Die meisten Migrant:innen, die 2021 nach Bayern kamen, stammen aus Südosteuropa, aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Kroatien. Während eine Donaustadt wie Regensburg in den vergangenen zehn Jahren durch Zuwanderung deutlich gewachsen ist, hat eine in vielerlei Hinsicht vergleichbare Stadt wie das bulgarische Ruse Einwohner:innen verloren. Viele hochqualifizierte Arbeitskräfte aus kleineren und mittleren Städten wählten Regensburg als neuen Lebensmittelpunkt – und nicht Hauptstädte wie München oder Berlin.
Warum? Können diese Migrationsprozesse als „brain drain“, „brain gain“ oder „brain waste“ bewertet werden? Welche Faktoren bewegen Zugewanderte zu einer Rückkehr in ihr Herkunftsland? In den Fokus ihrer Befragungen von Migrant:innen nahmen die Forscher:innen Erwartungen, Biografien und eventuelle Muster. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse machen laut Projektbeteiligten deutlich, dass Städte Impulse für die Entwicklung von Toolkits benötigen. Einen Werkzeugkasten, politische Instrumente und praktische Maßnahmen, die sie attraktiv genug machen, junge Talente zu gewinnen und zu binden.
Forschung und Politikberatung
Ziel dieser Studien ist es, der Politik auf Basis von Forschungsergebnissen beratend zur Seite zu stehen: So lassen sich Maßnahmen für eine bessere Integration der Zugewanderten aus dem Donauraum nicht nur in Regensburg ermitteln. Exemplarisch lässt sich aufzeigen, wie mittelgroße Städte in den Donauanrainerstaaten junge Talente, die sogenannten Young Professionals, gewinnen oder binden können. Alice Buzdugan fand in ihren Interviews mit jungen gutqualifizierten Migrant:innen in Stadt und Landkreis Regensburg heraus, dass sie sich schnell integrierten - im lokalen Bildungssystem, im Arbeitsmarkt, im Sozialleben. Zwar kämpfen sie mit der Problematik der enorm hohen Mieten und den Lebenshaltungskosten, etwa für den öffentlichen Personennahverkehr. Zugleich aber sind diese Migrant:innen mit ihrer Arbeit und deren Inhalten recht zufrieden. Das große Plus der Stadt Regensburg: ihre junge Atmosphäre, ihre Willkommenskultur und ihr touristisches Flair.
Daraus lassen sich Schlüsse ziehen. „Städte können lernen, dass sie auch in ihre weichen Faktoren investieren müssen“ ist ein Fazit, auf das die Projektbeteiligten verweisen. Das gilt nicht zuletzt für die Städte im südöstlichen Europa: In vielen südosteuropäischen Herkunftsländern der Migrant:innen steigen die Einkommen. Doch in einer Stadt wie Regensburg zu leben ist gesamtheitlich betrachtet für viele trotzdem attraktiver. Kostenfreie Studien-, Kultur-, Freizeitangebote sind ihnen wichtig. Und: Junge Migrant:innen sind zunehmend weniger bereit, schlechte Regierungsformen zu akzeptieren. Sie wollen nicht zurück in politische Systeme, in denen essentielle Bereiche wie das Gesundheitswesen von Korruption geprägt sind oder in denen sie im beruflichen, oft auch privaten Alltag, von informellen Netzwerken abhängig sind.
Die Donauanrainer-Regionen, in denen Fachkräfte fehlen, profitieren wiederum deutlich von der Zuwanderung junger Hochqualifizierter. Doch um Talente zu gewinnen, reicht es nicht, sie zu holen. Es gilt Rahmenbedingungen zu schaffen, die den zuwandernden jungen Menschen auch das Bleiben attraktiv macht. Die Forscher:innen verweisen beispielhaft auf den Fachkräfte-Report des IHK-Bezirks Oberpfalz-Kelheim. Er prognostiziert für 2030 einen Mangel von etwa 56.000 qualifizierten Fachkräften.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die "Befragung von MigrantInnen aus dem Donauraum in Stadt und Landkreis Regensburg im Rahmen des Projekts Talent Magnet" lässt sich hier nachlesen.
twa.
Informationen/Kontakt
TalentMagnet: Improved Institutional Capacities and New Multilevel Governance for Talent Attraction and Retention in the Danube Region
Leibniz-Institut für Ost -und Südosteuropaforschung (IOS)
Institut für sozialwissenschaftliche Beratung GmbH (ISOB)
Ansprechpartnerinnen zu TalentMagnet:
Dr. Alice Buzdugan, ISOB, buzdugan@isob-regensburg.net
Dr. Kathleen Beger, IOS, beger@ios-regensburg.de