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Mitteilungen der Universität Regensburg

Aufbruch zu neuen Ufern

Wissenschaftler:innen entwickeln neue Prüfungskonzepte


24. Mai 2023 | Fotos: Sophie Erbsner, Jonas Würdinger

Strahlender Sonnenschein, schwankende Schiffsplanken und ein leichter Dieselgeruch in der Luft – das weckt vermutlich nicht unmittelbar Assoziationen an ein Symposium. Doch an einem frühen Donnerstagmorgen Anfang Mai bot das „ScholarSHIP“, das sich auf eine Reise entlang der Donau von Regensburg nach Passau machte, genau diese Kulisse für eine Tagung der besonderen Art. Auf die Fahne geschrieben hatte sich das Schiff den Veranstaltungstitel „Analog | Digital | Integriert: Kompetenzorientiertes Prüfen der Zukunft“. Im Rahmen des Projekts „Qualität digitaler Lehre steigern“ (QUADIS), das von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert wird, gingen gut 100 mit Prüfungsthemen betraute Mitarbeitende von Universitäten und Hochschulen quer durch die Bundesrepublik an Bord. Im Gepäck hatten sie im Vorfeld eingereichte Problemstellungen mit Bezug zu realen Prüfungsszenarien. Mit an Bord war außerdem ein Team aus Expert*innen, die sich in didaktischer, rechtlicher oder organisatorischer Sicht mit dem Thema des kompetenzorientierten Prüfens bestens auskannten.


Die Idee hinter dem besonderen Tagungsort schildert Florian Greiner von der Universität Regensburg, der das Symposium zusammen mit Kolleg*innen der Universität Passau und der Technischen Universität München organisierte: „Wir wollten einen Retreat-Charakter schaffen, der Menschen aus dem typischen Unialltag herausholt und ihnen die Möglichkeit bietet, in besonderem Ambiente zu arbeiten. Ein Schiff bewegt sich im Fluss progressiv nach vorne, genauso hoffentlich die Themen, die an diesem Tag bearbeitet werden.“


Post-Its mit der Donau im Hintergrund



Mit dem Tagungsort gingen ungewohnte Arbeitsbedingungen einher: Wann sonst hat man die Möglichkeit, zehn Stunden ohne Ablenkungen durch das Internet in Klausur zu gehen? Auf dem Schiff gab es zudem nur wenige Steckdosen, was dazu führte, dass elektronische Geräte kaum zu sehen waren. Stattdessen prägten Post-Its, Moderationskarten und Textmarker das Bild.


Einer der ersten sonnigen und warmen Tage des Jahres bot die Möglichkeit, dass sich die Teilnehmenden des Symposiums nicht nur im Hauptraum des Schiffs sammelten, sondern auch das Sonnendeck für ihr konzentriertes Arbeiten nutzen konnten. So waren an verschiedenen Ecken des Schiffs Diskussionen dazu zu hören, wie die erste juristische Staatsprüfung computergestützt geschrieben werden kann oder inwiefern elektronische Prüfungen dabei helfen können, hochwertige Leistungsnachweise für große Kohorten an Studierenden zu schaffen. Martina Göhring vom Bayerischen Zentrum für Innovative Lehre – einer Einrichtung, die sich um die Weiterentwicklung der Hochschuldidaktik an allen bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften kümmert – war ebenfalls an Bord. Sie widmete sich gemeinsam mit ihrer Arbeitsgruppe der Frage, wie durch hochschuldidaktische Weiterbildungsangebote, die mit einem Zertifikat abschließen, tatsächliche Kompetenzen nachgewiesen werden können und nicht nur die reine Teilna hme bescheinigt wird.


Strukturiert wurde die Schifffahrt anhand vier unterschiedlicher Arbeitsphasen, durch die Dr. Birgit Hawelka, Geschäftsführerin des Zentrums für Hochschuldidaktik an der Universität Regensburg, mit ihrer Moderation navigierte: In einem ersten Schritt wurden die Probleme definiert und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Göhring vom Bayerischen Zentrum für Innovative Lehre schildert zum Vorgehen ihrer
Gruppe: „Wir haben unser Anliegen, mit dem wir uns beworben haben, konkretisiert und unsere Ziele für den heutigen Tag definiert. Neben ersten möglichen Lösungsansätzen sind wir aber auch neuen Problemen begegnet, die es zu diskutieren gilt.“



Nach einem stärkenden Mittagessen ging es dann in Phase 2 darum, Lösungsansätze zu finden – zunächst ohne das Einbeziehen von Beschränkungen und Hürden aus dem
Hochschulalltag. Immer wieder wurden hier auch die an Bord anwesenden Expert*innen konsultiert. Sie deckten verschiedene Schwerpunkte ab – so half Alexander Besner, Experte für Prüfungsrecht, bei verschiedenen Problemstellungen aus, die sich häufig um die Frage der Zulässigkeit von Datenverarbeitung bei digitalen Prüfungen drehten. „Mich freut, dass das Thema Digitalität im Prüfungswesen auch nach der Pandemie weiterhin mitgedacht wird. So erlangen Studierende digitale Kompetenzen auch in Prüfungssituationen – das ist fortschrittlich und  zukunftsträchtig,“ berichtet Besner über den Austausch mit den Teilnehmenden.


In der dritten Phase machten sich die Teams daran, Lösungen für ihre  Problemstellungen weiter auszuarbeiten. Dr. Andreas Fleischmann, Leiter der hochschuldidaktischen Abteilung ProLehre | Medien und Didaktik an der Technischen Universität München, wurde in dieser Phase besonders häufig konsultiert. Er war als Experte für alle Didaktikfragen rund um das digitale Prüfen an Bord des ScholarSHIPs und wurde insbesondere zu Themen wie ChatGPT um Rat gebeten. Im Kern ging es darum, wie Prüfungen mit dem Wissen, dass eine künstliche Intelligenz zum Lösen  vieler Aufgaben fähig ist, überhaupt noch funktionieren können. „Spätestens im Arbeitsleben werden die jetzigen Studierenden im Mensch-Maschine-Tandem arbeiten. Schon jetzt kann man damit beginnen, Prüfungen für solche Tandems zu konzipieren – das wird ein Lösungsansatz für die Zukunft sein,“ fasst Fleischmann einen seiner Experten-Inputs zusammen.


Die letzte Phase diente dem Feedback der Gruppen untereinander. Durch die Rahmenbedingungen des Schiffs wurde der Austausch gestärkt – immer wieder bot sich die Gelegenheit, aus der eigenen Blase auszubrechen und Problemstellungen mit Mitgliedern anderer Universitäten zu diskutieren – eine metaphorische Horizonterweiterung, flankiert vom dem sich tatsächlich ausbreitenden Horizont, den das Schiff passierte. Martina Göhring, die mit ihrem Team an der Fragestellung der
Kompetenzorientierung von hochschuldidaktischen Kursen arbeitete, resümiert: „Wir haben unsere Fragen sortiert und erste Lösungsansätze gefunden. Uns ist wichtig, dass der erarbeitete Fortschritt nun nicht im Alltag untergeht – wir wollen unsere Ideen an unsere Kolleg*innen herantragen, sobald wir wieder an Land sind.“


Das abschließende Abendessen bot eine weitere Gelegenheit, sich auszutauschen: Auf dem Deck des Donau-Dampfers, das von der langsam untergehenden Sonne in ein herrliches Licht getaucht wurde, sammelten sich die Teilnehmenden und führten ihre Gespräche im lauen Ambiente dieses Vorsommer-Abends fort – im Hintergrund die sich langsam nähernde Stadtkulisse des Zielortes Passau.


Konkrete Ergebnisse und weiterführende Diskussionen in Passau

Am nächsten Morgen machten sich die Teilnehmenden auf einem malerischen Weg entlang des Inns auf den Weg von der Passauer Altstadt zum IT-Zentrum. Hier fand die Ergebniskonferenz des Symposiums statt, moderiert von Dr. Susanne Günther, der ehemaligen Leiterin der Hochschuldidaktik der Universität Passau.


Der Vormittag begann mit Grußworten von Georg Eisenreich aus dem Staatsministerium der Justiz und von Prof.in Bettina Noltenius, der Vizepräsidentin für Studium, Lehre, Ethik und Qualitätssicherung an der Universität Passau. Im Fokus standen dann jeweils zweiminütige Pitches der Projektgruppen des Schiffs, die ihre Arbeitsergebnisse des Vortags präsentierten.


Eine Keynote, die hochaktuelle Entwicklungen aus dem Bereich des Prüfens aufgriff, folgte: Die von der Universität St. Gallen zugeschalteten Professor:innen Siegfried Handschuh und Sabine Seufert referierten über „Möglichkeiten und Grenzen künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich: Automatisches Assessment als
Fallbeispiel“, was auf besonderes Interesse und angeregte Diskussionsfragen aus dem Plenum stieß. Auch die aufgrund des hybriden Veranstaltungsformats online zugeschalteten Zuhörenden beteiligten sich rege an der Diskussion.


Zum Abschluss lud die Moderation zu einer Podiumsdiskussion – auf der Bühne fanden sich Entscheidungsträger*innen aus Politik und Universität ein, um Erwartungen und Forderungen, die im Kontext von Prüfungen der Zukunft aufkommen, zu erörtern.
Einig waren sich alle, dass die Digitalisierung des Prüfens nicht zum Nulltarif zu haben ist – es braucht personelle Ressourcen sowie organisatorische, rechtliche und didaktische Bemühungen.


Mit neu gewonnenen Eindrücken und konkreten Arbeitsergebnissen verabschiedeten sich die Teilnehmenden dann am Freitagmittag in alle Himmelsrichtungen, um an ihre Heimatuniversitäten zurückzukehren.


Julia Rupprecht, Koordinatorin von QUADIS, in dessen Rahmen das Symposium stattfand, zeigte sich mit dem Verlauf des Symposiums mehr als zufrieden: „Ich bin begeistert von der Vielfältigkeit der vorgestellten Prüfungskonzepte. In den letzten beiden Tagen hat sich gezeigt, dass wir es mit einem hochkomplexen und sich rasant entwickelnden Thema zu tun haben – wir blicken in eine spannende Zukunft des Prüfungswesens in den verschiedenen Fächern.“


Ein besonderer Dank gilt der Stiftung Innovation in der Hochschullehre, ohne deren Förderung das Symposium nicht hätte stattfinden können.

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