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Materialität des Erfindens. Medien- und Designpatente

Panel S4.08 mitorganisiert von Prof. Dr. Bernhard Dotzler, Prof. Dr. Christiane Heibach und Dr. Solveig Ottmann auf der GfM-Jahrestagung 2019

https://gfm2019.de/donnerstag-26-09/#s4_08


Beschreibung

Mit der Technisierung der Produktion Mitte des 18. Jahrhunderts ändern sich die Voraussetzungen, unter denen der vom Menschen geschaffene Gegenstand entsteht. Resultierten gestaltete Objekte vormals aus der Tätigkeit des Handwerkers, der die platonische Ähnlichkeitsrelation zwischen Idee und Gegenstand garantiert, so ist es nun das Individuum, das Kraft seines Ingeniums den Gegenstand entwirft oder das technische Objekt erfindet. Zudem werden die Gegenstände von der Maschine produziert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird damit ein epistemischer Bruch manifest: Die «Ordnung der gestalteten Dinge» kehrt sich insofern um, als nun anstatt der platonischen Idee das Material zum Ausgangspunkt des Produktionsprozesses wird. Holz, Stein, Metall werden mechanisch bearbeitet, physisch verfremdet und chemisch umgewandelt. Aus diesen Prozeduren treten neuartige Objekte hervor, die das weite Feld des Designs und der technischen Medien konstituieren. Anfänglich sind es mechanische Apparaturen (z.B. der Webstuhl), kraftgenerierende Maschinen (z.B. Dampfmaschine), synthetisch gewonnene Substanzen (z.B. Farben). Spätestens zum Fin de Siècle treten zu diesen Erfindungen vermehrt elektrische Geräte (z.B. Batterie, Telegraphie, Glühbirne) und neuartige Fortbewegungsmittel (z.B. Eisenbahn, Luftschiff, Tauchboot) hinzu, die im 20. Jahrhundert die technischen und medialen Infrastrukturen sowie die Gegenstandswelt insgesamt grundlegend wandeln. 

Es ist das im 18. Jahrhundert eingeführte Patent, mit dem man diesen Veränderungen begegnet: Das bis dahin vom König oder Landesherren verliehene Privileg erhält mit der Einführung der Beschreibung (engl. specification) eine grundlegende Modifikation. Mit dieser Beschreibung steigt das Patent zu einem Instrument rechtlicher Regelung auf, das fortan einerseits die Ökonomie kontrolliert, andererseits aber auch den Handlungsbereich des erfindenden Subjekts eröffnet. Das Erfundene wird mittels Beschreibung, Zeichnung und Modell identifizierbar und reproduzierbar. Gleichzeitig liefert es wiederum Voraussetzungen für das Entstehen von Modifikationen und neuen Erfindungen. Das Patent zeigt sich in seiner Eigenart als Akteur. 

These des Workshops ist, dass Patente ein Aufzeichnungssystem darstellen, das die epistemologischen und ökonomischen Kriterien im sonst verborgenen Erfindungsprozess sichtbar macht. Daher widmet sich der Workshop ausgewählten Patenten, die auf ihre Aussagekraft als Akteure hin überprüft werden sollen, z.B. im Hinblick auf den Einsatz bestimmter Materialien und Konstruktionen, auf die sich in ihnen manifestierende spezifische Ökonomie der Gegenstände und Medien und/oder auf die Darlegung eines bestimmten Erfindungsverlaufs. Zur Diskussion stehen Materialien (z.B. Stahlrohr, Kunststoffe, Wandfarben) genauso wie Designobjekte (z.B. Möbel, Leuchten) und technische Medien (z.B. Telefon, Radio, Schreibmaschine). Gleichzeitig stehen die Patente in vielfältigen Relationen zueinander: Das einzelne Patent – und damit die Erfindung – wird erst verständlich, wenn diese Relationen sichtbar gemacht werden. Die Konsequenzen solcher Vernetzungen zu diskutieren soll ebenfalls Aufgabe des Workshops sein.



  1. Fakultät für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften
  2. Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur (I:IMSK)

Medienwissenschaft


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