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Mitteilungen der Universität Regensburg

Die USA und Deutschland bei der Paartherapie

Ein Diskussionsabend mit der Journalistin Madeleine Schwartz


17. Mai 2019, aktualisiert am 29. Mai 2019 | von Margit Scheid, Fotos von Julia Dragan

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Zu einer Diskussion mit der für den European Press Prize 2019 nominierten* Journalistin Madeleine Schwartz hatte CITAS – das „Center for International and Transnational Area Studies“ – für Donnerstag, den 16. Mai 2019, eingeladen. Durch den Abend leiteteten Tamara Heger vom REAF (Regensburg European American Forum) und CITAS-Geschäftsführer Dr. Paul Vickers. Madeleine Schwartz studierte “Classics” (vergleichbar mit Klassischer Altertumskunde) in Harvard und Oxford. Ihre Reportagen und Artikel erschienen bei Agence France Press, in The Guardian, The London Review of Books, The New York Review of Books und Die Zeit. Ihre journalistische Arbeit wurde von der Robert Bosch Stiftung, der International Women’s Media Foundation und der Fulbright Foundation gefördert. Madeleine Schwartz lebt zurzeit in Berlin, wo sie über europäische Politik und Kultur schreibt und das aktuelle Zeitgeschehen regelmäßig in Printmedien und im Rundfunk kommentiert. Für Ihren Artikel „The End of Atlanticism: Has Trump killed the ideology that won the Cold War?“, der im September 2018 in The Guardian erschienen ist, wurde Madeleine Schwartz für den European Press Prize 2019 nominiert.

Die Krise in den transatlantischen Beziehungen – ein aktuelles Phänomen?

Eine der vielen Verfehlungen, die Präsident Donald Trump zur Last gelegt wird, ist die Unterminierung der transatlantischen Partnerschaft zwischen den USA und Europa. Das Ende politischen Beziehungen stehe unmittelbar bevor, so wird befürchtet. Madeleine Schwartz stellt zu Beginn des Abends klar, dass die Furcht vor dem unmittelbar bevorstehenden Ende der transatlantischen Beziehungen kein neues, erstmals durch Trumps Verhalten vorhergesagtes Phänomen ist. Vielmehr seien seit den 1960er Jahren immer wieder journalistische Beiträge und Bücher erschienen, die die transatlantische Zusammenarbeit in Frage stellen oder ihren Untergang voraussehen (etwa das 1965 erschienene Buch „The Troubled Partnership“ von Henry Kissinger). Die transatlantische Partnerschaft – oder kurz: der Atlantizimus – entwickelte sich nach 1945 als ein politisches Bündnis, das darauf ausgelegt war, Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufzubauen und den Frieden und die Sicherheit in der westlichen Welt zu garantieren. Das Publikum konnte insofern beruhigt werden, als es Donald Trump bislang nicht gelungen ist, das transatlantische Zusammengehörigkeitsgefühl auszulöschen – doch man müsse sich die Frage stellen, ob der Atlantizismus noch die richtige Grundlage sei, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern.

Im Dialog mit Madeleine Schwartz wurde die Frage nach der Qualität der Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland diskutiert – Prof. Dr. Jochen Mecke aus dem CITAS-Vorstand etwa wollte nicht so weit gehen, diese Beziehung als Freundschaft zu bezeichnen. In der wissenschaftlichen Betrachtung solle man nicht von einer emotionalen Verbundenheit ausgehen, sondern von den politischen Interessenslagen, die hinter der transatlantischen Zusammenarbeit stehen: Politische Bündnisse seien nicht mit Freundschaften zu verwechseln.

Die Diskussion berührte schließlich auch die Rolle von Journalisten bei der Konstruktion der Wirklichkeit. Madeleine Schwartz bedauerte, dass es gegenwärtig nicht vielen Journalisten vergönnt ist, sich intensiv in ein Thema einzuarbeiten – zu drängend wären oftmals die gesetzten Deadlines und das Interesse der Medienhäuser an schnell produzierten Inhalten. Mit Sorge beobachtet sie den Trend, bestimmte Aussagen ungeprüft zu wiederholen, was ihrer Meinung zur Entstehung von Fake News beitrage.

Ein weiteres Thema des CITAS Dialogs war der zunehmende Einfluss der Populisten. Natürlich, so Schwartz, sähen sich Journalisten in der Pflicht über deren Machenschaften zu informieren. Gleichzeitig laufe man dadurch Gefahr, diesen Tendenzen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als ihnen zusteht. Ein Beispiel sei die Bundestagswahl 2017: Aufmacher für viele Zeitungen sei am Tag nach der Wahl der „Sieg“ der Partei "Alternative für Deutschland" gewesen, die mit einem Ergebnis von 12 % erstmals in den Bundestag einzog. Doch, so Schwartz, die AfD mit einem Stimmanteil von 12 % zum Wahlsieger zu erklären, verzerre die Wirklichkeit.

Auf die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen den USA und den europäischen Staaten in Zukunft entwickelt wird und ob abseits einer politischen Zusammenarbeit eine neue Verbundenheit auf Basis einer gemeinsamen (Pop)Kultur entstehen kann, wurde an diesem Abend keine abschließende Antwort gefunden. Halten wir es daher mit Madeleine Schwartz‘ Empfehlung: „Make no predictions of the future, because you will always be wrong.”


* Am 23. Mai 2019 wurde bekannt gegeben, dass Madeleine Schwartz mit dem European Press Prize in der Kategorie "Opinion Award" ausgezeichnet wurde: 

Opinion Award – For a remarkable textual interpretation of the world we live in.
‘The end of Atlanticism: has Trump killed the ideology that won the cold war?’ By Madeleine Schwartz, published by The Guardian (UK).

This piece shows transatlanticism through a new and transformative lens. Drawing on original reporting, archival history and close examination of documents not considered in the contemporary debate, it shows that the transatlantic alliance has long been a convenient myth.

vgl.: https://www.europeanpressprize.com/winners-european-press-prize-2019/

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