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Mitteilungen der Universität Regensburg

Leyb Kvitko-Ausstellung an der UR eröffnet

Jiddischer Autor erstmals im deutschsprachigen Raum ausgestellt


28. April 2023

Am Mittwochabend wurde im Oberen Foyer der Universitätsbibliothek die Ausstellung „Kürbis, Kätzchen, kecke Kinder – der jiddische Kinderbuchautor Leyb Kvitko” eröffnet. Die Ausstellung stellt erstmalig im deutschsprachigen Raum den Schlüsselautor der jiddischen (später sowjetischen jiddischen) Literatur, Leyb Kvitko, vor. Kvitko war treibende Kraft der jiddischen Kulturrenaissance und wurde am 12. August 1952 mit weiteren Schriftstellern und Intellektuellen, darunter zwei Frauen, in der sogenannten „Nacht der ermordeten Dichter” in Moskau hingerichtet. Die noch bis zum 30. September 2023 laufende Ausstellung richtet sich an die breite Öffentlichkeit und möchte die Regensburger Stadtbevölkerung allen Alters erreichen. 

Ausstellungsplakat unter Verwendung einer Zeichung von Josef Dayts zu „Dos ketsele“ (Das Kätzchen), ©  Bearbeitung: UB Regensburg / Original: 1935 Kinder-Farlag fun USSR / Aus den Archiven des YIVO Institute for Jewish Research, New York


Die Inhalte der Ausstellung sind aus dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschungsprojekt: „Leyb Kvítko oder Lev Kvitkó? Ein jiddischer (Kinderbuch-)Autor zwischen jüdischer und sozialistischer Revolution" hervorgegangen. Das Projekt ist an der Professur für Slavisch-Jüdische Studien von Prof. Dr. Sabine Koller angesiedelt, wo Koller seit rund drei Jahren gemeinsam mit Caroline Emig, M.A., am Menschen, Dichter und Kinderbuchautoren Leyb Kvitko forscht. Durch die Ausstellung verbindet das Projekt Forschung, Lehre und Transfer auf besondere Weise.

Prof. Dr. Sabine Koller (li.) und Caroline Emig, M.A., begrüßen die Gäste der Ausstellungseröffnung. © Schmidt/Universität Regensburg


Die Ausstellung, in der neben zahlreichen Replikaten der Werke Kvitkos unter anderem auch eins der wenigen erhaltenen Originale zu begutachten sind, richtet sich an die breite Öffentlichkeit jeden Alters und wird um ein Begleitprogramm in Form von jiddisch-deutschen Lesungen ergänzt, bei dem die Wissenschaftlerinnen eng mit der Jüdischen Gemeinde kooperieren. Zudem bietet Prof. Koller im Sommersemester ein Seminar zum Thema Jüdisches Kinderbuch an. „Im Wissen um die Schoa und um die versuchte Löschung jiddischer Kultur und ihrer Träger*innen während Stalins Terror-Regime hat das Projekt für uns zusätzlich zu den wissenschaftlichen Erkenntniswerten höchste ethische Bedeutung“, erklärt Prof. Koller.

 

Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel (li.) und Dr. André Schüller-Zwierlein, Direktor der Universitätsbibliothek bei ihren Grußworten zur Eröffnung der Ausstellung. © Schmidt/Universität Regensburg


„Ausgehend von und basierend auf dem von der DFG-geförderten Projekt stellt die Ausstellung die Forschungsstärke des Schwerpunktes östliches Europa und der slavischen Kulturen hier an der Universität Regensburg unter Beweis. Dies verkörpert die federführende Professur von Prof. Dr. Sabine Koller, ist aber auch verbunden mit dem universitären und – dank des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung – auch außeruniversitären Schwerpunkt auf das östliche und südöstliche Europa hier in Regensburg“, erklärte Universitätspräsident Prof. Dr. Udo Hebel in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung. Dabei lasse sich das Projekt nicht nur in den Jewish Studies, sondern zugleich in den interdisziplinären Memory Studies und Area Studies verorten und leiste in seiner Ausrichtung so einen Beitrag zu einem sich immer dynamischer entfaltenden Forschungsschwerpunkt an der UR, so Prof. Hebel weiter. 
„Wer durch die Ausstellung wandert, und ich hatte das Privileg, dies vorab ganz allein zu tun, kommt in intensiven Kontakt mit Kvitkos Bildern der heilen und der zerbrechenden Kinderwelt, mit seinem Leben zwischen Eigenständigkeit und Anpassung, dem Kampf gegen Regimes und dem Leben mit dem Regime, bis hin zu seinem Tod in Stalins ‚Nacht der ermordeten Dichter‘. Ich bin dankbar dafür, dass Ihre Forschungen und diese Ausstellung den vergessenen Schriftsteller Kvitko und seine Welt wieder zum Leben erwecken. Denn unter vielen anderen ist dies die zentrale Aufgabe von Geisteswissenschaft und Bibliotheken gemeinsam: Die einzigartige Welt, die ein Mensch ist, wieder zum Leben zu erwecken, die Realität der Vergangenheit zu vermitteln, als kontrastives Gedächtnis zur Gegenwart zu fungieren, den Menschen und Objekten der Vergangenheit ein Gesicht zu geben, das zur Gegenwart spricht“, zeigte sich auch Dr. André Schüller-Zwierlein, Direktor der Gastgebenden Universitätsbibliothek bewegt von der Ausstellung.

Die Ausstellung „Kürbis, Kätzchen, kecke Kinder – der jiddische Kinderbuchautor Leyb Kvitko” in der Universitätsbibliothek ist eröffnet. © Kloth/Universität Regensburg


Über Leyb Kvitko
Leyb Kvitko (ca. 1890-1952) gilt als einer der führenden Autoren der jüdischen Kulturblüte des frühen 20. Jahrhunderts im östlichen Europa. In jiddischer Sprache schuf er eine bunte, phantasievolle und virtuos gereimte Lyrik für Kinder. Dies war sein Lebenstraum und sein Beitrag für eine autonome jüdische Kultur, von den ersten Jahren der ehemaligen Sowjetunion bis zu seiner Verhaftung Anfang 1949 während der Terror-Herrschaft unter Stalin. Im deutschsprachigen Raum ist Leyb Kvitko nahezu unbekannt.

Die Ausstellung
Die Ausstellung beleuchtet erstmals das facettenreiche Schaffen Leyb Kvitkos. Mit Bild- und Tondokumenten möchte sie an diese Schlüsselfigur der sowjetisch-jiddischen Kinderliteratur erinnern. Neben Einblicken in Kvitkos Leben und in den kulturellen Kontext der Zeit liegt der Schwerpunkt auf seinen jiddisch-sprachigen Kinderbüchern, deren mal farbenfrohen, mal minimalistisch gestalteten Illustrationen – und den Illustratoren, die sie entwarfen. Die Ausstellung versteht sich als Einladung, in eine von zwei Totalitarismen fast völlig ausgelöschte jüdische Welt voller Charme, Witz, Vielfalt und kindlicher Freude einzutauchen. Sie möchte die Besucher*innen mitnehmen in eine Bilderwelt, die erwachsen ist aus Kvitkos Dichterwort „vielfarbig wie der Regenbogen, wie der Tautropfen im Sonnenaufgang”, so die liebevolle Formulierung von Leyb Kvitkos Ehefrau Betti.
Die Besucher*innen sind herzlich eingeladen, zu schauen, zu blättern, zu hören, zu entdecken und wie einst als Kind zu staunen. 

Die Ausstellung kann barrierefrei erreicht werden und verfügt über Sitzgelegenheiten.

Begleitprogramm:
Lesung: „Zug des Lebens – die jiddische Literatur in der Sowjetunion” mit Prof.in Dr. Sabine Koller, Dr. Alexandra Polyan und Caroline Emig am 29. Juni 2023 in der Jüdischen Gemeinde Regensburg.

Vortrag im Rahmen der Regensburger Universität für Kinder mit anschließender Führung durch die Ausstellung: 11.Juli 2023, 17:00 Uhr (Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung).

Buchpräsentation mit szenischer Lesung: „Tollpatsch Lemmel” mit dem Übersetzer Peter Comans, der Verlegerin Myriam Halberstam (Ariella Verlag), Projektleitung Prof.in Dr. Sabine Koller und Mitarbeiterin Caroline Emig am 12.  Juli 2023.

Barrierefreiheit: 
Sollten Sie zusätzliche Hilfsmittel oder Unterstützung für den Besuch der Veranstaltung in Anspruch nehmen wollen, melden Sie sich bitte frühzeitig per E-Mail an: barrierefreiheit.ub@uni-regensburg.de

Ausstellungsdauer: 26. April bis 30. September 2023

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 08:00 bis 19:30 Uhr, Samstag: 09:00 bis 18:00 Uhr

Weitere Infos unter: 

https://www.uni-regensburg.de/bibliothek/veranstaltungen/kalender/index.html?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5BhideDate%5D=0&tx_news_pi1%5Bnews%5D=19092&tx_news_pi1%5BsimpleList%5D=0&cHash=0dcd4b4fef91f77c3821da0b1486e8a2


Informationen/Kontakt

Prof. Dr. Sabine Koller
Institut für Slavistik
Professur für Slavisch-Jüdische Studien
Tel.: +49 (0)941 943-1665
E-Mail: sabine.koller@ur.de
 

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