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Mitteilungen der Universität Regensburg

Wie erkennen Pflanzen, wann Wasser knapp wird?

Prestigeträchtiger ERC Synergy Grant für die Aufklärung eines universellen Mechanismus zur Wasser-Wahrnehmung in Pflanzen

Wissenschaftler*innen aus Regensburg, Nottingham, Tel Aviv und Trondheim erforschen, wie Pflanzen Wasserknappheit messen können und so während Dürreperioden Wasserverluste minimieren.


26. Oktober 2023

Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat der Biophysikerin Professorin Dr. Christine Ziegler von der Universität Regensburg und den Biologen Professor Dr. Malcolm Bennet von der Universität Nottingham, Professor Dr. Eilon Shani von der Universität Tel Aviv und Professor Dr. Thorsten Hamann von der Norwegischen Universität für Wissenschaft & Technologie für die Erforschung der Wasserstress-Wahrnehmung in Pflanzen eine der höchsten europäischen Auszeichnungen zugesprochen.

Für das auf sechs Jahre angelegte Projekt HYDROSENSING stellt der ERC 10 Millionen Euro bereit. Die besondere Auszeichnung des Europäischen Forschungsrates ist nur im Team zu gewinnen und fördert etablierte Spitzenforscher*innen mit wissenschaftlich bahnbrechenden Vorhaben, die von einer Arbeitsgruppe allein nicht adressiert werden können. Universitätspräsident Professor Dr. Udo Hebel gratulierte zum ERC Synergy Grant: „Das Forschungsprojekt HYDROSENSING ist nicht nur inhaltlich und methodisch einzigartig – es unterstützt in direkter Weise die globalen Nachhaltigkeitsziele.“

Pflanzen brauchen genau wie Menschen Wasser zum Überleben und Gedeihen. Die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels verstärken die Wasserknappheit auf der Erde mit dramatischen Folgen für die globale Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. Um eine notwendige Klima-Resistenz in Pflanzen zu erreichen, ist es wichtig, zu verstehen, wie Pflanzen erkennen, ob genügend Wasser vorhanden ist. Das internationale HYDROSENSING-Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese grundlegende Fragestellung zu beantworten. Zu verstehen, wie Pflanzen Wasserstress wahrnehmen, ist eine Grundvoraussetzung für die nachhaltige Entwicklung klimaresistenter Nutzpflanzen.

ERC Synergy Grant 2023 für HYDROSENSING, Projekt des Forschungsteams (v. l.)  Prof. Dr. Thorsten Hamann, Prof. Dr. Christine Ziegler, Prof. Dr. Eilon Shani und Prof. Dr. Malcolm Bennet. Foto: Thorsten Hamann

Das HYDROSENSING-Team will untersuchen, wie Pflanzen Wasser - das wichtigste Molekül auf unserem Planeten - auf molekularer Ebene wahrnehmen können. Mit Hilfe einer einzigartigen Methodenkombination aus innovativer CRISPR-Technologie und Multi-Skalen-Mikroskopie will Biophysikerin Ziegler gemeinsam mit ihren Kollegen die Schlüsselproteine in der Wasserstress-Wahrnehmung identifizieren, hochaufgelöste Bilder von den Vorgängen während des Wassertransports im Inneren von Pflanzen generieren und die regulatorische Interaktion der Wasserstress-detektierenden Proteinkomplexe auf molekularer Ebene aufklären. Dabei streben die Wissenschaftler*innen die Aufdeckung grundlegender Mechanismen an, die erklären, wie Pflanzen erkennen, wann Wasser „knapp“ wird.

Dramatische Dürren in Europa

„Europa hat in den Jahren 2022 und 2023 schwere Dürren erlebt,“ erläutert Forscher Malcolm Bennet. „Trotz der dramatischen Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft bleibt es unklar, wie Pflanzen Wasserstress wahrnehmen. Die wissenschaftlichen und technologischen Expertisen, um dies herauszufinden, liegen außerhalb der Grenzen eines einzelnen Forschers und erfordern stattdessen eine Partnerschaft zwischen mehreren weltweit führenden Gruppen.“

„Um herauszufinden, wie Pflanzen Wasserstress wahrnehmen, ist Interdisziplinarität und Methodenentwicklung unabdingbar,“ ergänzt Forscherin Christine Ziegler. „Dies erfordert eine intensive wissenschaftliche Partnerschaft. Wir haben bereits während der Antragsstellung unglaublich synergetisch zusammengearbeitet, um unsere Hypothese auszuarbeiten, dass Wasserstress durch mechanische Stimuli über die Zellwand den Transport des Wasserstress-Hormons Abscisin-Säure (ABA) steuert.“
 

HYDROSENSING in Pflanzen: Wasserstressreize werden über Zellwand-Plasmamembran-Wechselwirkungen in mechanische Signale umgewandelt. © Grafik: Christine Ziegler, E. Shani et al.

Die Strukturbiologin Christine Ziegler, Leiterin des Lehrstuhl Biophysik II und Direktorin am neuen Regensburger Zentrum für Ultraschnelle Nanoskopie (RUN), forscht seit langem, wie Transport-Vorgänge über die Zellmembran unter Stress reguliert werden. Dazu nutzt sie u. a. Kryo-Elektronenmikroskopie zur Bestimmung von atomaren Strukturen von Membranproteinen in unterschiedliche Transportzuständen. „Pflanzen sind wahre Überlebenskünstler, wenn es um Stress-Adaptation geht, aber wegen ihrer großen genetischen Redundanz sind molekulare Mechanismen für Pflanzenproteine schwer zu formulieren,“ führt sie weiter aus. „Erst die bahnbrechenden Arbeiten von Eilon Shani, der mittels CRISPR-Technologien gleichzeitig ganze Gen-Familien gezielt ausschalten kann, erlauben eine eindeutige Zuordnung von Wasserstress-Proteinen zu einem Phänotyp der Pflanze. Die Zusammenarbeit mit meinen Partnern im HYDROSENSING-Team stellt eine einzigartige Chance dar, molekulare Mechanismen im zellulären Kontext zu untersuchen.“

Beitrag zu globaler Ernährungssicherheit

Der Multi-Skalen-Mikroskopie-Ansatz des HYDROSENSING-Teams umfasst neben der Kryo-Elektronenmikroskopie konfokale Brillouin-Mikroskopie, welche es erlaubt, mechanische Stress-Signalleitung über die Pflanzenzellwand im Detail zu untersuchen. Diese Expertise bringt der norwegische Partner Thorsten Hamann ins Team, dessen Arbeiten an der Zellwand-Rezeptor-Kinase THESEUS 1 maßgeblich zur Idee des mechanischen Wasserstress-Signalling beigetragen hat.   

Die innovative Stimulated-Raman-Scattering-Technologie zur Abbildung von Wasserbewegungen in der Pflanze wird im Labor des britischen Partners Malcolm Bennet entwickelt, dessen jüngste Untersuchungen zeigten, dass die Wurzeln von Pflanzen eine entscheidende Rolle haben, wenn es darum geht, die Auswirkungen von Wasserstress zu reduzieren. Malcolm Bennett erklärt: „Wir verwenden modernste Bildgebungstechniken, um die Wasserbewegung im Inneren von Pflanzenzellen zu verfolgen. Dies sind die ersten Bilder dieser Art, die jemals erstellt wurden. Diese Bilder ermöglichen es, den Prozess des Wassertransports in Echtzeit zu beobachten.“

Der Koordinator des Teams, Eilon Shani, ergänzt: „Mit unserem Projekt wollen wir universelle Designprinzipien aufdecken, die den Kernmechanismus für die Signalisierung von Wasserstress in Pflanzen erklärt. Dieses neue Wissen ist von entscheidender Bedeutung für die internationalen Bemühungen, klimaresistente Nutzpflanzen zu entwickeln und die globale Ernährungssicherheit zu stärken. Möglich wird das nur dank der Synergie im HYDROSENSING Team“.

Publikationen zum Thema

Mehra P, et al. Hydraulic flux-responsive hormone redistribution determines root branching. (2022) Science. 378:762-768. doi:10.1126/science.add3771.

Hu Y, et al. Multi-Knock-a multi-targeted genome-scale CRISPR toolbox to overcome functional redundancy in plants. (2023) Nat Plants. 4:572-587. doi: 10.1038/s41477-023-01374-4.

Bacete L, et al. THESEUS1 modulates cell wall stiffness and abscisic acid production in Arabidopsis thaliana. (2022)  PNAS 119:e2119258119. doi: 10.1073/pnas.2119258119.

Informationen/Kontakt

Prof. Dr. Christine Ziegler
Lehrstuhl für Biophysik II
Direktorium RUN
Universität Regensburg
Telefon:  +49 941 943-3030, -3004
E-Mail: christine.ziegler@ur.de
 
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