Byzantine Talks, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Klassische Archäologie
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Klassische Archäologie
Zugleich Mittelaltergespräch des Forum Mittelalter
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Klassische Archäologie
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Klassische Archäologie
Zugleich Mittelaltergespräch des Forum Mittelalter
In Kooperation mit dem Centre for Advanced Studies „Beyond Canon_“
Das Kolloquium findet, sofern nicht anders angegeben, jeweils in der Zeit von 16-18 Uhr c.t. als Präsenzveranstaltung statt.
Weitere Informationen zum Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs unter https://go.ur.de/metropolitaet
Sprecher: Prof. Dr. Jörg Oberste | Wissenschaftl. Koordination: Dr. Arabella Cortese (Kontakt: Arabella.Cortese@ur.de)
Ringvorlesung SoSe 2024
"Fakt oder Fake? Kulturen des Fälschens von der Antike bis zur Gegenwart"
in Kooperation mit dem DFG-GRK 2337 "Metropolität in der Vormoderne" und der Katholischen Erwachsenenbildung in der Stadt Regensburg e.V.
Mi 14-16 Uhr, H 10
Anmerkung: Nähere Informationen zu diesen Veranstaltungen sind dem Campusportal der Universität Regensburg zu entnehmen.
Rede für Preisverleihung
Wenn ich hier in Berlin vor Ihnen stehe, tue ich das mit gemischten Gefühlen. Denn freilich freut mich der wundervolle Anlass, aus dem ich hier sein darf, unseres Zusammenkommens;1 zugleich befinde ich mich im Herzen von Preußen, in der Stadt, von der aus der große, „bitterböse Friederich“2 gen Dresden loszog und ohne dessen unheilvolles Wirken meine Masterarbeit mit dem Titel „Die Akkulturation sächsischer Kriegsflüchtlinge in Warschau während des Siebenjährigen Krieges und unter Stanisław August Poniatowski (1756–1795)“ nicht möglich gewesen wäre.
Die Besetzung Dresdens durch preußische Truppen 1756 löste eine der interessantesten Perioden der polnisch-sächsischen Union aus. Der Fluch des besetzten Sachsens wandelte sich in den Segen des neubeseelten Warschaus. Manch ein Beobachter bedauerte zum Kriegsende 1763 sogar die Rückkehr des Königs, war doch zu befürchten, die polnische Residenzstadt könnte wieder in ihre alte Lethargie zurückfallen.3
Doch ist die Regierungszeit Augusts III. ein weitgehend weißer Fleck in der polnischen Geschichte – sogar im Vergleich zum schillernden August II., dem Starken; dem siebenjährigen Aufenthalt des Hofes in Warschau wurde sowohl in der sächsischen wie auch in der polnischen Historiographie bis auf wenige Einzelbiographien kaum Beachtung geschenkt. In der Warschauer Stadtgeschichtsschreibung besteht die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts meist nur aus dem letzten Drittel, bis die neue Lichtgestalt Stanisław August Poniatowski den Thron bestieg und die sächsische Dunkelheit vertrieb. Stattdessen wurde der zweite Wettiner auf dem polnischen Thron leichtfertig abgetan, wenn etwa Andrzej Zahorski in einer Warschauer Stadtgeschichte über seinen Mangel an Intelligenz und seine einzige Tugend, seine Liebe und Treue zu seiner „hässlichen und unintelligenten Ehefrau“, schrieb.4
Nachdem August weitgehend aus Dresden regiert hatte und nur nach Polen gekommen war, wenn es notwendig war, wurde er 1756 nach Warschau ausgewiesen und mit ihm wechselten in zwei Wellen hunderte Angehörige des Dresdener Hofes von der Elbe an die Weichsel – erst in Gefolgschaft des Königs, dann aus einer tatsächlichen, breiten Gefahrensituation heraus. Bei den Flüchtlingen handelte es sich um hohe Minister bis zu niedrigen Hofrängen, also ein heterogener, vertikaler Querschnitt der höfischen Gesellschaft. Sie selbst waren sich ihrer Situation bewusst und bezeichneten sich als „refugies“, Flüchtlinge. In Warschau bezogen sie überwiegend das rechtlich exterritoriale Sächsische Palais und andere im wettinischen Besitz befindlichen Quartiere, wo sie zentral versorgt wurden. Gesprochen wurde Französisch und, vor allem unter den Bediensteten, Deutsch. Personen, die kein Deutsch konnten, hatten kaum eine Möglichkeit, eine Anstellung bei Hofe zu erhalten, sodass der Hof auch nach sieben Jahren seinen deutschen Charakter behielt. Dennoch begaben sich die Ankömmlinge in die städtische Außenwelt und trafen an verschiedenen Orten – den Redouten, der Oper, Bällen, Märkten – auf ein Stadtbürgertum und den in der Stadt lebenden polnischen Adel.
Aus diesem Kontakt speisten sich vielfältige Akkulturationsprozesse der beteiligten Akteure, die angesichts des Krieges unter ganz neuen Vorzeichen verliefen. Bedingt wurden diese Prozesse von kultureller, sprachlicher und persönlicher Vorkenntnis, der eigenen Motivation sowie zahlreichen anderen förderlichen und hinderlichen Faktoren. Auf sächsischer, wie auf polnischer Seite kam es zu Separierungs- und Integrationsprozessen. So finden sich Personen, wie Johann bzw. Jan Benjamin Steinhäuser, Michael Gröll bzw. Michał Grell, Lorenz Christoph bzw. Wawrzyniec Krzysztof Mizler de Kolof oder Marcello Bacciarelli, die sich integrierten, fast assimilierten – teilweise das polnische Indigenat erhielten, in die Dienste des neuen „polnischen“ Königs traten, deren Kinder schon vollständige Polen waren und mit Kościuszko für die Freiheit fochten. Diese Liste ließe sich noch ausbauen. Anreize zur Integration boten vor allem Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten in polnischen Diensten, die insbesondere nach dem für Sachsen ungünstigen Kriegsverlauf und -ende sowie dem daraufhin einsetzenden Rétablissement ernstzunehmende Optionen wurden.
Doch war der überwiegende Teil des Hofes stets vom Ende des Krieges und der Rückkehr nach Dresden überzeugt, was einen Sonderfall der Akkulturation begünstigte, nämlich den Sojourner. Sojourner sind Personen, die vorrübergehend in einem anderen Umfeld leben, jedoch um ihre sichere Rückkehr wissen, was in ein feines Austarieren von Separations- und Integrationsprozessen abseits von Integrationszwänge mündet. In diesem konkreten Fall bedeutete es, dass man etwa an Feierlichkeiten teilnehmen, aber die schweren Seiten des Warschauer Stadtlebens auslassen konnte. Die Ankömmlinge schufen sich ihre Rückzugsräume, die hauptsächlich ihnen vorbehalten waren, wie etwa Jagden oder eine eigene Kapelle. Gleichzeitig nahmen sie rege am Stadtleben teil. In ihrer Korrespondenz zeigten sich die Sachsen beeindruckt vom Glanz und Prunk des polnischen Adels und seiner Feste. Was nach Urlaub klingt, war dennoch bisweilen belastend, wenn etwa Graf Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour seinem in Dresden zurückgebliebenen Schützling Kurprinz Christian Friedrich klagt, man tanze schwer in Ketten zum Chor der Gefangenen und sein Gaumen sei trotz all der Warschauer Köstlichkeiten ermattet.
Zugleich gibt es auch auf polnischer Seite zahlreiche Hinweise, dass der Aufenthalt des königlichen Hofes zu reichhaltigen und nachhaltigen Kulturkontakten und -transfers führte – Jędrzej Kitowicz bemerkte wiederholt neue Gewohnheiten und Moden, die in den letzten Jahren der Union in Polen aufgekommen seien. Besondere Akribie bei Transferprozessen legte August III. selbst an den Tag, hatte er es zu seiner persönlichen Aufgabe erklärt, den Warschauern seine Begeisterung für Opern nahezubringen – was jedoch weniger erfolgreich war als der Einfluss der königlichen Tafel. Die Anwesenheit des Königs und seines Hofes zog verschiedene Gruppen aus dem ganzen Land an und belebte das öffentliche Leben ungemein. Die polnischen Adligen erneuerten ihre Paläste und luden die Sachsen regelmäßig zu üppigen Festivitäten ein; Frauen aus gemischten Ehen taten sich dabei als Brückenbauerinnen hervor. Es finden sich auch Missverständnisse, etwa mit der Missbilligung der Geschenke des Warschauer Magistrats durch den König.5 Brüche verliefen dagegen mehr entlang politischer Grenzen. Steinhäuser schrieb etwa, im Zwist zwischen der Familia der Czartoryski und der Hofpartei meide man sich.
Die tiefen Kontakte und Verflechtungen, die zwischen Sachsen und Polen in Warschau über sieben Kriegsjahre gewachsen waren, rissen nach Kriegsende und dem baldigen Tod des Königs nicht ab. Der neue König Stanisław August Poniatowski wusste die Expertise vieler ehemaliger Feinde zu schätzen und nicht selten führte der Weg zurück in die so gut bekannte Sirenenstadt. In Verwaltung, Kultur und nicht zuletzt Militär zeigen sich viele Kontinuitäten. Ein interessantes Beispiel ist Alois bzw. Alojzy von Brühl; zuvor noch von Poniatowski unter Waffen vom Sejm vertrieben, fand er fortan seine Stellung am Hof – und darf sich zu den wenigen sächsischen Gestalten zählen, denen der sonst so sachsenkritische Józef Ignacy Kraszewski wohlgesonnen war.6 Der vermeintliche epochale Bruch zwischen der epoka saska und der epoka stanisławowska kann mit den personellen Fäden vernäht werden. Viele Errungenschaften, die unter dem letzten polnischen König zu ihrer Blüte fanden, haben ihre Knospen in der Sachsenzeit und insbesondere in den sehr intensiven letzten Unionsjahren.
Die Vertreibung des Dresdener Hofes nach Warschau hatte folglich für Warschau erquickliche Folgen. Sowohl kurz- als auch mittel- und langfristig resultierte die Flucht im Aufschwung der Stadt, der sich in Kultur, Wirtschaft und nicht zuletzt Demographie niederschlug und auf dem Poniatowski aufbauen konnte. Damit muss dem Narrativ widersprochen werden, dass die Aufklärung in Polen-Litauen trotz der Sachsen eingetreten sei.
Die Untersuchung der Flüchtlinge und der Stadtgesellschaft bietet weitreichende, neue Perspektiven auf verschiedene Felder – die Gruppen, die Stadt Warschau, die polnisch-sächsische Union sowie die Geschichte Sachsens und Polens.
(Fotos und Text: Filip Emanuel Schuffert)
Noten:
1- An dieser Stelle möchte ich meiner Familie, meinen Freunden, meinen beiden Betreuern, Herren Professor Dr. Hans-Jürgen Bömelburg und Herren Professor Dr. Horst Carl, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen, und nicht zuletzt den Jurorinnen und Juroren sowie dem Botschafter der Republik Polen, S. E. Dariusz Pawłoś, für die Auswahl und Würdigung meiner Arbeit danken.
2- Heinrich Hoffmann: Der Struwwelpeter, oder lustige Geschichten und drollige Bilder für Kinder von 3—6 Jahren, Frankfurt am Main 1917, S. 3.
3- Stanisław Roszak: Środowisko intelektualne i artystyczne Warszawy w połowie XVIII wieku. Między kulturą sarmatyzmu i oświecenia, Toruń 1997, S. 44.
4- Andrzej Zahorski: Część trzecia (1720–1795), in: Maria Bogucka u. a. (Hrsg.): Warszawa w latach 1526–1795, Warszawa 1984 (Dzieje Warszawy, 2), S. 245–442, hier S. 251.
5- 1759 gingen die Mazurki, ein traditionelles österliches Geschenk des Magistrats an den König, statt an die königliche Tafel an Wachmannschaften. Weitere Geschenke des Magistrats an den König blieben in der Folge aus.
6- Józef Ignacy Kraszewski: Starosta Warszawski, Warszawa 2021.
Martin Berger, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Graduiertenkolleg „Metropolität in der Vormoderne“ und Promovend am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft, erhält für seine Masterarbeit in den „Kulturgeschichtlichen Mittelalterstudien“ den Christian Gottlieb Gumpelzhaimer-Preis 2023 des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg (HVOR). Seine Arbeit „Zur Liturgie des Adventus von König und Kaiser: Der Einzug Karls V. 1532 in Regensburg vor dem Hintergrund der Ritengeschichte" schließt mit der erstmaligen Transkription und Analyse liturgischer Quellen zum Adventus Karls V. in Regensburg und einer Übersicht zu dessen Ritengeschichte von der Antike bis zum Spätmittelalter eine Lücke in der Erforschung zu spätmittelalterlichen Herrschereinzügen und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte zu weiteren interdisziplinären Untersuchungen.
Am 22. Mai 2023 fand im Rahmen des Promotionsverfahrens die erfolgreiche Disputation von Mercedes Och statt. Unter dem Titel ihrer Dissertation "Die antike Metropole Rom und der Fleischkonsum zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 4. Jh. n. Chr." wurde das Forschungsvorhaben, das Mercedes Och von 2017 bis 2021 auch als Mitarbeiterin des Graduiertenkollegs 2337 "Metropolität in der Vormoderne" verfolgte, abgeschlossen.
Die englische Fassung des Paris-Buchs von Jörg Oberste, The Birth of the Metropolis. Urban Spaces and Social Life in Medieval Paris, Leiden: Brill 2021, ist von der französischen Académie des Inscriptions et Belles-Lettres (Paris) mit der Médaille Jean-Jacques Berger ausgezeichnet worden.
Am 30. März 2023 hielt unsere Koordinatorin und Post-Doc Dr. Arabella Cortese in Istanbul am Deutschen Archäologischen Institut einen Vortrag über ihr Forschungsthema: "Die Inszenierung des heiligen Wassers in der Spätantike und Byzantinischen Zeit: Sensorische Erfahrungen an den lieux de mémoire christlicher Heilstraditionen".
Herzlichen Dank an dem DAI Istanbul für die großartige Gastfreundschaft und den Aufenthalt im Institut zu Forschungszwecken!
Am 01. Februar 2023 hat Dr. Bernhard Lübbers, Direktor der Staatlichen Bibliothek Regensburg, eine Gruppe von Promovierenden und Dozierenden des Graduiertenkollegs 'Metropolität in der Vormoderne' zunächst in die Bibliotheksgeschichte von St. Emmeram eingeführt und im Anschluss durch die Staatliche Bibliothek Regensburg geführt, um dort einige der wertvollsten Bücher der dortigen Sammlung zu zeigen.
Eine Auswahl an Impressionen dieser Exkursion finden Sie hier.