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Mensch Musik Maschine: Johann Nepomuk Mälzel (1772–1838) – ein Symposium zum 250. Geburtstag

Regensburg, 4. November 2022, Haus der Musik (Bismarckplatz 1)

Organisation: Dr. Michael Wackerbauer und Prof. Dr. Katelijne Schiltz


Ausstellung - Presse-Archiv


Bildergalerie zur Mälzel-Tagung und zum Mälzel-Konzert (Fotos: Frank Ebel)


Abstracts

Tagungsplakat

Konzertplakat


Zeitplan zum Symposium am 4. November 2022

9.00-9.15 Dr. Michael Wackerbauer und Prof. Dr. Katelijne Schiltz (Universität Regensburg, Institut für Musikwissenschaft), Begrüßung und Einführung in das Thema
9.15-10.00 Dr. Rebecca Wolf (Berlin, Staatliches Institut für Musikforschung), Maschinenräume und Musikbühnen bei Johann Nepomuk Mälzel und E.T.A. Hoffmann
10.00-10.30 Kaffeepause
10.30-11.15 Prof. Dr. Bernhard Dotzler (Universität Regensburg, Lehrstuhl für Medienwissenschaft), Maschinist und Impresario: Mälzels Automaten
11.15-12.00 Dr. Michael Wackerbauer (Universität Regensburg, Institut für Musikwissenschaft), „Wir gewöhnen uns an Automaten!“. Mälzel, Hindemith und die mechanische Musik
12.00-13.30 Mittagessen
13.30-14.00 Dr. des. Katharina Preller (Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Musikwissenschaft), Mälzels Metronome (1815–1838)
14.00-14.30 Silke Berdux und Alexander Steinbeißer (Deutsches Museum, München), „Check“, „Échec“ und „Mama“, „Papa“. Johann Nepomuk Mälzel und die Sprachsynthese
14.30-15.00 Kaffeepause
15.00-15.45 Prof. Dr. Klaus Bengler und M.Sc. Birte Emmermann (Technische Universität München, Lehrstuhl für Ergonomie), Von Menschen und Maschinen. Rollenverteilungen für lebenswerte Interaktion
15.45-16.00 Schlussbemerkungen
16.00 Spaziergang zum Historischen Museum mit anschließender Führung durch die Ausstellung
18.30 Abendessen
20.00

Konzert im Audimax unter der Leitung von Arn Goerke

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Konzept

Mit unserem Symposium zum 250. Geburtstag Johann Nepomuk Mälzels feiern wir wohl eine der bekanntesten unbekannten Regensburger Persönlichkeiten der Beethoven-Zeit. Auch wenn man über Mälzels Lebensweg noch vergleichsweise wenig weiß, besitzt doch fast jeder Musiker eine seiner Maschinen. Denn bis heute findet man in Notenausgaben weltweit als Tempoeinheit das Kürzel MM, das für „Metronom Mälzel“ steht und das Tempo musikalischer Werke vorgibt.

Mälzel wurde in eine Regensburger Orgelbauer- und Mechaniker-Familie hineingeboren, deren Werkstatt „Unter den Schwibbögen“ im Schatten des Domes angesiedelt war. Dort erhielt er auch seine Ausbildung, bevor er sich mit zwanzig Jahren in die benachbarte Musik-Metropole Wien aufmachte, um sein Glück als Erfinder und Vermarkter von Musikautomaten und anderen spektakulären Maschinen zu suchen. Sensation machte er mit mehreren Versionen eines gigantischen Orchestrions, das er Panharmonikon nannte und zu einer Zusammenarbeit mit Beethoven führte: Mälzel, der während der Napoleonischen Kriege Prothesen produzierte, konstruierte Hörrohre für den weitgehend Ertaubten und Beethoven komponierte im Gegenzug für das Panharmonikon das musikalische Schlachtengemälde „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“, das allerding nie von der Maschine zum Erklingen gebracht wurde. Aufsehen erregte auch sein Trompeterautomat, der Vorbild für weitere Androiden dieser Art wurde. Zu den Höhepunkten der Schauen, mit denen Mälzel auf Reisen ging, gehörte insbesondere das Diorama „Der Brand von Moskau“, das optische und akustische Effekte geschickt miteinander verband. Am meisten beschäftigte die Zeitgenossen ein Schachautomat mit einer spielenden Puppe, den Mälzel von seinem Konstrukteur Wolfgang von Kempelen übernahm, in Schloss Schönbrunn gegen Napoleon antreten ließ und Edgar Allen Poe motivierte, dem Rätsel seiner Funktionsweise in einem längeren Essay auf den Grund zu gehen. Sein nachhaltigster und finanziell größter Erfolg blieb aber das Metronom, bei dem er eine Idee des Amsterdamer Mechanikers Dietrich Nikolaus Winkel aufgriff, fortentwickelte und in der uns heute bekannten Form zur Serienreife brachte.

Der Hofkammermaschinist Mälzel arbeitete präzise, nahm es aber mit den Urheberrechten anderer nicht so genau. Er war hervorragend vernetzt und kannte die wichtigen Vertreter aus Kunst und Wissenschaft, die er entweder für sich gewinnen konnte oder zumindest zu einer Auseinandersetzung mit seinen Erfindungen zwang. Auf Reisen schaffte er es stets, mit spektakulären Präsentationen große Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – und dies nicht nur in Europa: 1825 begab er sich mit seinen Automaten in die USA und später nach Kuba und Südamerika, wo er 1838 bei einer Schiffspassage verstarb.

Die kurze Skizze zu Mälzels Interessens- und Tätigkeitsfeldern zeigt eine Vielzahl verschiedenster Anknüpfungspunkte für Forschungsfragen, die weit über historische Interessen hinausreichen und ganz grundsätzlich den Umgang des Menschen mit einer zunehmend technisierten Welt berühren. Um diese Chance zu ergreifen, plant das Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg am 4. November 2022 ein Symposium, das dieses multidisziplinäre Spektrum mit folgenden Themenkreisen in den Blick nimmt:

An Mälzels Erfindungen als historisch wirksame Artefakte lassen sich Fragen der Organologie, der Medien- wie auch der Wissenschafts- und der Medizingeschichte knüpfen. Wie lassen sich die von ihm entworfenen Automaten und medizinischen Hilfsmittel ideengeschichtlich einordnen und wo bestehen Verbindungen zu ähnlich motivierten Erfindungen in seiner Zeit? Mit den ästhetischen und kompositionstechnischen Konsequenzen, die durch die spezifischen Möglichkeiten wie auch die Limitationen der Musikmaschinen gesetzt werden, befasst sich die Musikwissenschaft in Werkanalysen. Zu einem wichtigen Thema musikästhetischer Debatten avancierte die theoretische und künstlerische Auseinandersetzung mit sogenannter „mechanischer Musik“ nach einer ersten Phase objektorientierter Faszination im 19. Jahrhundert insbesondere dann Anfang des 20. Jahrhunderts, als nach radikalen Möglichkeiten gesucht wurde, mit der Musiksprache der Romantik und ihren subjektiven Interpretationsansätzen zu brechen und an ihrer Stelle eine zunehmend technisierte Lebenswelt in der Kunst abzubilden. Der Umgang mit dem omnipräsenten Metronom und seinen starren Vorgaben ist darüber hinaus Thema der musikalischen Interpretationsgeschichte und der Aufführungspraxis.

Das Verhältnis Mensch-Maschine und sein Nutzen wurde seinerzeit schon anhand der Androiden und Automaten aus Mälzels Werkstatt heftig diskutiert, wenn etwa ein Korrespondent der Allgemeinen musikalischen Zeitung 1810 angesichts des Panharmonikons schrieb: „Die Erfindung greift übrigens sichtlich ein in die Weise der jetzigen Welt: man braucht keine Menschen, nur gute Maschinen, wofür dann jene anders verbraucht werden können.“ Heute beschäftigen sich die die Disziplinen Psychologie, Soziologie und Philosophie mit solchen Fragen, die auf die gegenwärtig virulenten Debatten über das Selbstverständnis und die Gestaltungsspielräume des Menschen in einer von Technik durchdrungenen Welt verweisen.

Flankierend zum Symposium ist eine Ausstellung mit Musikautomaten aus den Sammlungen des Historischen Museums und der Universität Regensburg geplant, sowie ein Konzert des Symphonieorchesters der Universität Regensburg (Leitung: Arn Goerke), in dem anhand von Kompositionen von Beethoven bis Ligeti der Einfluss Mälzels auf die Musikgeschichte klingend erfahrbar gemacht wird.


Adressen

Haus der Musik (Symposium)
Bismarckplatz 1

Audimax der Universität Regensburg (Konzert)
Albertus-Magnus-Straße 2

Historisches Museum (Ausstellung)
Dachauplatz 2-4


Kontakt

Dr. Michael Wackerbauer
Universität Regensburg
Institut für Musikwissenschaft
Universitätsstraße 31
93053 Regensburg
michael.wackerbauer@ur.de


Anmeldung

Die Teilnahme ist kostenlos, es wird jedoch um Anmeldung (zur Ermittlung des Bedarfs) bis zum 31. Oktober 2022 gebeten: patricia.hahn@ur.de.


Diese Veranstaltung wird durch die Unterstützung folgender Institutionen ermöglicht:


  1. Fakultät für Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften

Mälzel-Tagung 2022




Regensburg, 4. November 2022