Zu Hauptinhalt springen

DaF - Theatergruppe Babylon - Aufführungen - 2008

Die Ehe des Herrn Mississippi

eine Komödie in zwei Teilen

von Friedrich Dürrenmatt

im Theater an der Uni

von 1. bis 5. Juli


inhalt

Der erste Teil beginnt damit, dass der Staatsanwalt beim Kaffeetrinken Anastasia, die Witwe eines Rübenzuckerfabrikanten, des Giftmordes an ihrem Mann beschuldigt. Sie gibt auch zu, dass sie ihn aus Eifersucht getötet hat, da er sie - mit der Gattin des Staatsanwalts - betrogen hat. Mississippi möchte Anastasia aber keineswegs vor Gericht stellen, er bittet sie um ihre Hand, da auch er seine Frau vergiftet hat und die Ehe zwischen ihm und Anastasia als eine Sühne ihrer Verbrechen sieht. Nachdem dem Publikum so der Anfang der Ehe zwischen Mississippi und Anastasia gezeigt wurde, folgt nun die Aufdeckung des Vorlebens der beiden - vor dem Hintergrund einer Revolution, die allerdings niedergeschlagen wird und dem Justizminister Diego, einem früheren Freund von Mississippi, zur Macht verhilft. Diego sagt sich von Mississippi los, da jener, beflügelt von der fixen Idee, das Gesetz Moses wieder einzuführen, durch seine dreihundertfünfzig Todesurteile für die Politiker absolut untragbar geworden ist. Angestiftet wird die Revolution von dem Kommunisten Saint-Claude, der sein gemeinsames Vorleben mit Mississippi aufdeckt: Sie stammen beide aus der Gosse, haben ihr Geld als Strichjungen und mit der Leitung eines Bordells verdient; und sie haben auf unterschiedliche Art, geprägt durch die Bibel und „Das Kapital“, Karriere gemacht. Anastasia, die sowohl die Geliebte des Ministers als auch des Kommunisten ist, bekommt am Ende des ersten Teils Besuch von ihrem Jugendgeliebten, dem Grafen Bodo von Übelohe-Zabernsee, der als idealistischer Arzt sein gesamtes Vermögen und seine Gesundheit in einem Tropenspital verloren hat. Auch ihm verspricht sie ihre Liebe.
Der zweite Teil beginnt mit der Konfrontation von Mississippi und dem komplett betrunkenen Grafen, der dem Staatsanwalt seine Affaire mit Anastasia enthüllt, die diese aber leugnet. Mississippi wird ins Irrenhaus gebracht, der kommunistische Aufstand niedergeschlagen, so dass Saint-Claude fliehen muss. Er plant, Anastasia mitzunehmen, welche verzweifelt versucht, außer Landes zu fliehen und dazu die Verbindungen zu allen Männern spielen lässt, sich aber gegen den Plan von Saint-Claude wehrt, indem sie vergeblich versucht, ihn zu vergiften. Währenddessen ist Mississippi aus dem Irrenhaus ausgebrochen, kehrt noch einmal zurück und vergiftet Anastasias Kaffee, um - während sie stirbt - die Wahrheit von ihr zu erfahren. Allerdings trinkt er versehentlich den Kaffee, den Anastasia für Saint-Claude vergiftet hat - und stirbt beruhigt, da Anastasia noch im Sterben den Meineid geschworen hat, sie habe ihn nie betrogen. Saint-Claude könnte entkommen, hätte er nicht das Hinrichtungskommando der kommunistischen Partei übersehen ...


interpretation

In dieser Kriminalkomödie Dürrenmatts, die auch - wie bemerkt wird - „Frau Anastasie und ihre Liebhaber“ heißen könnte, wird die Unmenschlichkeit von starren Ideologien diskutiert und vorgeführt. Dabei wird eines schnell klar; die Ideen, die hinter den Ideologien stehen, sei es der Kommunismus, das alttestamentarische, strafende Christentum mit seinem Glauben an rigide Gesetze und drakonische Strafen oder der aufopfernde, neutestamentarische
Altruismus, sind tödlich, unmenschlich im Sinne des Wortes und beliebig austauschbar; in dieser Umsetzung führen sie alle in die Katastrophe.
Verkörpert durch die Figuren des Staatsanwalts Florestan Mississippi mit seiner absonderlichen Vorliebe für das Gesetz Moses und seiner Rekordjagd nach immer mehr Hinrichtungen, dem zugleich kalten und schwärmerischen Kommunisten Saint-Claude und dem heruntergekommenen Idealisten Bodo von Übelohe-Zabernsee werden diese Ideologien als nicht lebbar und nicht lebenswert entblößt. Zugleich wird dem Zuschauer in dem Gegenpart der drei Männer mit Anastasia eine Frau vorgestellt, die leben will und sich so mit den fixen Ideen derer, die Macht über sie haben, arrangieren muss. Sie ist die Figur, die lebt, die aus Gefühlen und einem starken Überlebenstrieb heraus handelt - und an ihr wird nachgewiesen, dass das Leben immer vorzuziehen wäre - und selten nach Ideen und Plänen verläuft.
Der machtbesessene und skrupellose Pragmatiker Diego - der Politiker im ganzen Sinne - ist der, der am Ende gewinnt. So tödlich die Ideologien wirken, so vergiftet ist auch die „Moral“ des Stücks. Die Menschen ändern sich nie - und nur, wer sie zu seinem eigenen Vorteil zu manipulieren versteht, gewinnt. Und hier ist vielleicht ein bisschen Hoffung zu sehen - denn Anastasia überlebt, allerdings nur, indem sie sich der skrupellosen Weltsicht des Ministers anschließt.
Dass wir dennoch eine Komödie spielen und dass das Lachen nur manchmal im Hals stecken bleibt, liegt an den Kunstgriffen Dürrenmatts, der den ewigen Kreislauf der Welt in der zyklischen Struktur des Stücks ausstellt und ad absurdum führt. Und in seiner Überspitzung der Brechtschen Verfremdung,
in der die Schauspieler ihre Rolle vor dem Publikum diskutieren und kommentieren und so aus der Eifersuchts-, Macht- und Ideentragödie eine bitterböse, verzerrte, satirische, grelle und unglaublich absurde Moritat wird, ist das Publikum gut aufgehoben in seiner Rolle als Betrachter des „Welttheaters aus dem Zeitalter der Ideologien“ - gestört nur manchmal durch die Frage, ob diese Komödie um die Tödlichkeit blinden Glaubens nicht erschreckend real und aktuell ist ...


Rollen

Anastasia
Florestan Mississippi
Frederic Rene Saint-Claude
Graf Bodo von Übelohe-Zabernsee
Der Minister Diego
Das Dienstmädchen
Drei Geistliche
Drei Männer in Regenmänteln, die rechte Hand in der Tasche
Zwei Wärter
Professor Überhuber
Irrenärzte


Autor

Der Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 als Sohn eines protestantischen Pfarrers und Enkel des Politikers und Subvikars Ulrich Dürrenmatt in Konolfingen bei Bern geboren und starb am 14. Dezember 1990 an den Folgen eines Herzinfarkts in Neuenburg.
Dürrenmatt studierte Philosophie, Germanistik und Naturwissenschaften in Zürich
und Bern; er arbeitete zunächst als Zeichner und Graphiker und schrieb Literatur- bzw. Theaterkritiken für die Zürcher Zeitung.

Dürrenmatt erhielt neben zahlreichen anderen Preisen 1983 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur und 1986 den Georg-Büchner-Preis.
Mit seinen von Frank Wedekind und Thornton Wilder beeinflussten avantgardistischen und grotesken Dramen sowie mit den von Simenon und Glauser geprägten Kriminalromanen gehört Dürrenmatt zu den bedeutendsten Schweizer Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.
In einer Interpretation und Weiterführung der Dramentheorie Bertolt Brechts bediente er sich in seinen Theaterstücken bevorzugt des Stilmittels der Verfremdung und tragisch-grotesker Elemente. „Die Ehe des Herrn Mississippi“ entstand 1952 und wurde in mehreren Fassungen überarbeitet, von denen Babylon die von 1980 spielt. Dürrenmatts bis heute wohl populärste und bekannteste Stücke „Der Besuch der alten Dame“ (1956) und „Die Physiker“ (1962, Neufassung
1980) zeigen auf unterschiedliche Weise das Problem der absurden Existenz des Individuums in der modernen Gesellschaft.




  1. Universität Regensburg

Theatergruppe Babylon

Andreas Legner
Christine Kramel
Dr. Armin Wolff

Babylonlogo 2018

Kontakt

E-Mail