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DaF - Theatergruppe Babylon - Aufführungen - 2009

Dr. med. Hiob Prätorius

ein Lustspiel in sieben Teilen

von Curt Goetz

im Theater an der Universität

von 30. Juni bis 4. Juli


Inhalt

Im ersten Bild – der Rahmenhandlung – sieht man Sherlock Holmes und seinen Freund im typischen Kriminalromangespräch über ein Autounglück, bei dem der berühmt-berüchtigte Frauenarzt Prätorius und seine Gattin den Tod fanden. Holmes entdeckt auf einer Photographie Spuren, die darauf schließen lassen, dass bei dem Unglück ein Dritter anwesend war. Dieser ist nach dem Unglück verschwunden. Holmes und Watson bekommen Besuch von einem Herrn Shunderson, der bestätigt, das langjährige, geheimnisumwitterte Faktotum von Prätorius zu sein, und als jener Dritte die Geschichte des Unglücks von Anfang an erzählen möchte.

Das zweite bis sechste Bild stellen das Schicksal von Dr. med. Hiob Prätorius dar:
Im zweiten Bild verirrt er sich in den Anatomiesaal und hält an Stelle seines verspäteten Kollegen Spiter eine Rede auf die Liebe und das Leben. Den zahlreich versammelten Mädchen rät er, lieber zu leben, statt sich mit der Anatomie, der Medizin und den Toten abzugeben. Auch legt er hier seine zwei großen Themen als Forscher und Arzt dar: Er möchte die Mikrobe der menschlichen Dummheit entdecken und den Humor als Heilmittel in die ärztliche Praxis einführen.

Im dritten Bild wird Prätorius in seiner Praxis als Frauenarzt gezeigt. Eine Studentin, Maria Violetta, kommt zur Untersuchung zu ihm. Als er ihr eröffnet, dass sie schwanger ist, stellt sich heraus, dass sie nicht verheiratet ist und der Vater des Kindes als Pilot abgestürzt ist. Sie versucht, Prätorius dazu zu überreden, eine Abtreibung vorzunehmen. Als dieser sich weigert, unternimmt Maria Violetta einen Selbstmordversuch. Prätorius rettet sie in einer Notoperation und steht nun vor der Frage, ob er bei der noch bewusstlosen Patientin auch eine Abtreibung durchführen soll ...

Das vierte Bild spielt in einem Krankenzimmer in Prätorius’ Klinik. Bei der Visite muntert der vielbeschäftigte Arzt jeden seiner Patienten, sei es nun ein Kind, eine sterbende Großmutter oder die schöne verhinderte Selbstmörderin Violetta, die kein Kind haben wollte, mit seinem Humor wieder auf – ohne dass der Großmutter und dem Mädchen allerdings klar wird, dass er in seinen Witzen sehr zynisch agiert. Maria Violetta erzählt er, sie bekäme kein Kind, um ihre Heilung zu beschleunigen und ihren Lebenswillen wiederherzustellen.

Im fünften Bild sieht man Prätorius als Privatmann. In der Zwischenzeit glücklich mit Maria Violetta verheiratet, bekommt er Besuch von seinem Freund Nack, der ihn vor einem Ehrenrat gegen ihn warnt. Prätorius nimmt diese Warnung nicht ernst und zeigt sich als souverän über diese Bedrohung seines nur gesellschaftlichen Ansehens erhaben. Ein Besuch von Professor Spiter enthüllt, dass dieser an dem Zustandekommen des Ehrenrats beteiligt war. Am Ende des Bildes löst sich ein Rätsel aus dem vierten Bild: Maria Violettas Schwangerschaft wurde ihr von Prätorius nur verschwiegen – sie trägt immer noch das Kind ihres toten Geliebten.
Im Bild sechs wird Prätorius verschiedener Vergehen – unter anderem der Kurpfuscherei – verdächtigt. Prätorius aber versteht es in seiner ironisch-brillanten Art, sich gegen alle Vorwürfe zu verteidigen. Zuletzt wird auch die Stellung und Geschichte seines Faktotums Shunderson geklärt, den Prätoruis gerettet hat. Bevor der Ehrenrat sein Urteil fällen kann, wird Prätorius von seiner Frau abgeholt. Auf dem Weg in die Oper ereignet sich dann der tödliche Unfall.

Im Bild sieben erzählt Shunderson als Ende der Rahmenhandlung Holmes und Watson das Ende der Geschichte, lässt allerdings den Grund für den Unglücksfall im Dunkeln. Prätorius sei zwar gegen den Baum gefahren, weil seine Frau ihm etwas ins Ohr geflüstert habe, er hätte aber nicht gehört, was ...
Die Lösung verrät Shunderson nur dem Publikum.

AUSGABEN: Rostock 1934. – Bln. 1937 (in GW, 3 Bde., 3). – Bln. 1952 (in Ges. Bühnenwerke). – Stg. 1963 (in Sämtl. Bühnenwerke); ern. Mchn. 1977.

VERFILMUNG: BRD 1949 (Regie: C. Goetz). – People Will Talk, USA 1951 (Regie: J. L. Mankewiecz). £- BRD 1964 (Regie: K. Hoffmann).


interpretation

DR. MED. HIOB PRÄTORIUS – Facharzt für Chirurgie und Frauenleiden.
Eine Geschichte ohne Politik nach alten, aber guten Motiven neuerzählt.
Ein Stück, dessen Untertitel eine der vielen Arztgeschichten in der heilen Welt impliziert. Eine Verfilmung mit Heinz Rühmann. Von einem Autor, der wegen seiner versöhnlich bürgerlichen Haltung vor allem in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts populär war.
Es ist Boulevardtheater – keine Frage.
Aber was bringt uns 2009 dazu, so ein Stück 75 Jahre nach dem Erscheinen der Erstfassung zu spielen?
Auch wenn Studentinnen in der Zwischenzeit keine Ausnahme und ein uneheliches Kind keine Katastrophe mehr sind, Prätorius’ großes Thema, die Suche nach der Mikrobe der menschlichen Dummheit, ist leider immer noch aktuell. Man kann sogar sagen, aktueller denn je. Und damit hat dieses Stück seinen Platz an einer Universität, die ja als solche der Bekämpfung der menschlichen Dummheit verpflichtet ist. Die menschliche Dummheit ist auch ein zutiefst politisches Thema, denn sie ist schuld an sehr vielen großen und kleinen Katastrophen auch unserer Gegenwart.
Also ein zutiefst aktuelles Stück? Nun, Goetz hat auf Pointen, auf Bühneneffekte hin geschrieben, die manchmal etwas reißerisch anmuten. Aber wenn wir die Handlung der äußeren Niedlichkeiten entkleiden und die Figuren vor den Hintergrund unserer modernen Welt stellen, dann verschwimmen die eindeutigen Schwarz-Weiß- Zuweisungen.
Wir müssen uns fragen, ob die Sentimentalität von Maria Violetta im dritten Bild wirklich altmodisch ist oder sich doch in den Soap-Operas des Vorabendprogramms wiederfindet? Wo zwischen Dr. House und Emergency Room ein Arzt wie Prätorius angesiedelt ist? Wer in diesem Stück eigentlich noch uneingeschränkt sympathisch erscheint? Und ob eine gut formulierte und schonungslos zynische Sicht auf die Welt und die Gesellschaft und die Menschen nicht die einzige Art ist, seinen Humor zu bewahren – und weiter auf der Suche nach der Mikrobe der menschlichen Dummheit zu bleiben ...


Rollen

Sherlock Holmes
Dr. Watson
Jacky
Frau Smith
Herr Shunderson
Dr. med. Hiob Prätorius
Prof. Dr. Nack
Ellen
Jack, ein Student
Professor Spiter
Der Assistenzarzt
Die Oberschwester
Die Schwester
Die Großmutter
Maria Violetta
Der Präsident des Ehrenrates
Professoren
Hörer und Hörerinnen

Über den Ort der Handlung ist sich der Autor nie klargeworden.


Autor

Der Schweizer Schauspieler und Schriftsteller Curt Goetz wurde am 17.11.1888 als Sohn eines Kaufmanns in Mainz geboren und starb am 12. September 1960 in Grabs im Kanton St. Gallen.
Nach dem Tod seines Vaters zog die Mutter nach Halle und eröffnete dort eine Privatklinik – Goetz’ Traum, Arzt zu werden, konnte aber aus finanziellen Gründen nicht in Erfüllung gehen.

Stattdessen wurde er Schauspieler und nach kurzem Schauspielunterricht in Berlin bei Emanuel Reicher ging er für sein erstes Engagement nach Rostock und kam dann über Nürnberg 1911 nach Berlin an das “Kleine Theater”. Es folgten Engagements am Kleinen Theater, Lessingtheater und Deutschen Künstlertheater; darüber hinaus spielte er in Stummfilmen mit – er wurde in dieser Zeit zu einem sehr beliebten Schauspieler.
Schon in Rostock fing er an, eigene Sketche für die Theaterbühne zu schreiben; in Berlin verfasste er sowohl Gesellschaftskomödien wie auch Drehbücher für Stummfilme.
Nach dem Scheitern seiner ersten Ehe heiratete er 1923 Valérie von Martens, die seine Partnerin in Komödien und Filmen wurde.
Ausgehend von seiner Erfahrung als Schauspieler konstruierte er auch seine Theaterstücke, deren tragende Rollen er selbst spielte – und die so eine hohe Bühnenwirksamkeit aufwiesen.
1927 ging er mit seinem eigenen Ensemble auf Tournee; 1933 übersiedelte er mit seiner Frau in die Schweiz.
Von 1939 bis 1946 lebten sie in den USA, da sie auf einer Amerikareise – um in Hollywood das „Filmemachen“ zu lernen – von dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht wurden und in Beverly Hills blieben. Dort arbeitete er bei MGM an verschiedenen Drehbüchern mit und leitete mit seiner Frau eine Hühnerfarm.
Nach seiner Rückkehr nach Europa wohnte das Ehepaar wieder in der Schweiz und nahm auch die Schweizer Staatsbürgerschaft an. Ab Ende der 1950er-Jahre zog sich Goetz in sein Haus in Schaan in Liechtenstein zurück. Goetz starb 1960 in der Schweiz.

Mit Stücken wie „Das Haus in Montevideo“ (1953) oder „Dr. med Hiob Prätorius“ (1934) wurde Goetz zu einem bekannten und beliebten Autor. Er galt als einer der brillantesten Komödienschreiber im deutschsprachigen Raum und wird oft mit Oscar Wilde und Bernhard Shaw verglichen.
Seine Verdienste wie auch seine Grenzen zeigen sich in folgendem Zitat:
„Während in den frühen Einaktern ein mitunter zynischer Ton herrscht, bestimmt versöhnlicher Humor die großen Gesellschaftskomödien [...]. Am französischen Boulevardstil geschult, ist der Handlungsablauf bühnenwirksam, einfallsreich und voller Situationskomik. Geistreiches Parlieren und souveräne Ironie prägen die Dialoge.“ (Killys Literaturlexion)

(nach: www.theater-am-lindenhofe.de/CurtGoetzseinLeben.pdf und de.wikipedia.org/wiki/Curt_Goetz, jeweils eingesehen am 9.06.2009 und Killy, Walther, Kühlmann, Wilhelm: Killy-Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, 2., vollst. überarb. Aufl., Gütersloh)



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