Forschungsschwerpunkte
Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Digital Humanities kooperiert dabei mit verschiedenen geisteswissenschaftlichen Fachbereichen, etwa der Germanistik, der Anglistik, der Romanistik, der vergleichenden Kulturwissenschaft, der Medienwissenschaft, der Musikwissenschaft und der Wissenschaftsgeschichte. Beispielhafte Kooperationen sind hier etwa durch das DFG-geförderte Projekt PaLaFra („Le passage du latin au français“) sowie auch durch Kooperationsprojekte mit dem Haus der Bayerischen Geschichte belegt.
Bereits verfolgte Forschungsrichtungen der Arbeitsgruppe umfassen unter anderem:
- Korpuslinguistische Verfahren und historische Sprachwissenschaft
- Analyse digitaler Medien (Social Media, Video Games, Social TV)
- Computergestützte Analyse in der Kunstgeschichte
- Sentiment Analyse (literarischer Texte, Fachtexte, Unternehmenskommunikation)
- Quantitative Dramenanalyse
- Digitalisierung und quantitative Analyse von Musik
- Computergestützte Analyse von Filmen und Fernsehserien
- Analyse von Alltagskultur und Erfassung historischer Quellen mithilfe von Crowdsourcing
- Untersuchung typischer Nutzerpraktiken und dem damit verbundenen Einsatz digitaler Methoden in den Geistes- und Sozialwissenschaften („humanist computer interaction“)
- Einsatz von virtual und augmented reality in kulturwissenschaftlichen und musealen Kontexten
Über diese Einzelprojekte hinaus lassen sich zwei größere Forschungsschwerpunkte identifizieren:
Sentiment Analyse
Die Sentiment Analyse befasst sich mit der automatisierten Erkennung und Interpretation von Haltungen, Meinungen und Stimmungen in unterschiedlichen Medienformaten – etwa in Texten, Bildern oder audiovisuellen Inhalten. Sie deckt ein breites Spektrum an Anwendungsgebieten ab und ermöglicht unter anderem tiefere Einblicke in Kommunikationsprozesse auf Social Media sowie in die öffentliche Wahrnehmung von Produkten, Unternehmen oder Personen.
Auch am Lehrstuhl für Medieninformatik ist die Forschung im Bereich der Sentiment Analyse vielfältig und interdisziplinär ausgerichtet: Geisteswissenschaftliche Perspektiven werden mit computergestützten Methoden zur Textanalyse aus der Informatik verknüpft. Die Arbeiten umfassen sowohl methodenzentrierte Projekte, die sich auf Natural Language Processing (NLP) und die Evaluation unterschiedlicher Analyseverfahren konzentrieren, als auch explorative Studien, bei denen die Untersuchung der Daten und der darin enthaltenen Stimmungsstrukturen im Vordergrund steht.
Ein besonderer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Aspekt-basierten Sentiment Analyse (ABSA). Im Gegensatz zur globalen Bestimmung des Sentiments eines gesamten Textes ermöglicht ABSA eine differenzierte Bewertung einzelner Aspekte oder Eigenschaften einer Entität – etwa einer Person, eines Produkts oder eines Unternehmens – und verbindet damit die Sentiment Analyse als klassische NLP-Aufgabe der Textklassifikation mit der Extraktion von Inhalten, Wörtern und Phrasen.
Aktuelle Arbeiten widmen sich insbesondere dem Einsatz von ABSA in ressourcenarmen Szenarien, wie z.B. in Sprachen wie dem Deutschen oder in spezialisierten Domänen, für die kaum oder keine annotierten Datensätze existieren. Dabei werden moderne Entwicklungen im Bereich großer Sprachmodelle (LLMs) aufgegriffen, beispielsweise die Leistungsfähigkeit überwachter oder unüberwachter Modelle bei komplexen Extraktionsaufgaben.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Wolff, Thomas Schmidt, Jakob Fehle, Nils Hellwig
Social-Media-Analyse
Die Social-Media-Analyse befasst sich mit der systematischen Auswertung digitaler Kommunikationsräume auf Plattformen wie Twitter/X, Reddit, Instagram oder Twitch.tv. Sie ermöglicht Einblicke in textbasierte und visuelle Kommunikationsformen und trägt zum Verständnis politischer, gesellschaftlicher, kultureller und popkultureller Phänomene bei.
Auch am Lehrstuhl für Medieninformatik ist die Forschung im Bereich der Social-Media-Analyse interdisziplinär ausgerichtet: Sozial- und geisteswissenschaftliche Perspektiven werden mit computergestützten Analyseverfahren verknüpft. Ein Teil der bisherigen Arbeiten knüpft an den in der Forschung stark etablierten Bereich der Twitter/X-Analyse an, etwa zur politischen Kommunikation im Bundestagswahlkampf 2021 mithilfe von Topic Modeling und Sentiment Analyse. Diese Projekte stehen in enger Verbindung zum übergreifenden Forschungsschwerpunkt der Sentiment Analyse.
Daneben wurden auch Plattformen untersucht, die bislang seltener im Zentrum der Forschung stehen. Dazu zählen unter anderem Reddit-Foren zur Analyse religiöser Diskurse, Twitch.tv-Chats zur Untersuchung von Geschlechterunterschieden sowie der Aufbau eines Meme-Korpus als empirische Grundlage für visuelle und popkulturelle Analysen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Analyse politischer Kommunikation auf Instagram, bei der Text- und Bildinhalte gleichwertig berücksichtigt werden. In verschiedenen Arbeiten wurden Instagram-Posts und -Stories sowohl textbasiert als auch visuell ausgewertet, etwa durch die Klassifikation anhand von Bildtypen aus der Forschungsliteratur oder durch die automatische Erkennung von Calls to Action. Ergänzend wurden Methoden zur Sammlung und Archivierung von Instagram Stories entwickelt und erprobt, um auch vergängliche Inhalte systematisch in die Analyse einbeziehen zu können.
Viele dieser Arbeiten sind methodisch geprägt. Im Mittelpunkt stehen der Aufbau annotierter Datensätze, die Evaluation automatisierter Analyseverfahren sowie der Einsatz von Machine-Learning-Methoden und zuletzt auch großer Sprachmodelle (LLMs) für Text-, Bild- und Multimodaldaten. Daraus ergeben sich enge Querverbindungen zur Sentiment Analyse, insbesondere im Bereich der Modellbewertung und der Qualitätssicherung.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Wolff, Thomas Schmidt, Michael Achmann-Denkler, Nils Hellwig
Lehre und Studium
Erste Belege für Digital Humanities-Lehraktivitäten an der Universität Regensburg finden sich bereits in den frühen 1970er Jahren, damals unter dem Begriff der „nicht-numerischen Datenverarbeitung“. So wurden etwa erste Lehrveranstaltungen in diesem Bereich im WS 1971 / 72 durch den späteren Professor für linguistische Informationswissenschaft, Jürgen Krause, angeboten. Die Etablierung von Fächern mit Bezug zur angewandten Informatik hat in Regensburg insofern eine lange Tradition, die sich mit der Informationswissenschaft und der Medieninformatik bis heute fortgesetzt. Mit dem Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur (I:ISMK) sowie durch das 2-Fach-BA-System sind sehr gute Voraussetzungen für interdisziplinäres Arbeiten in den digitalen Geisteswissenschaften gegeben, da Studierende Medieninformatik mit einem geisteswissenschaftlichen Fach kombinieren können.
Master Medieninformatik (M. Sc.)
Formal etabliert wurden die Digital Humanities durch ein Studienmodul, das im Masterstudium der Medieninformatik als Vertiefungsschwerpunkt gewählt werden kann, und sich seit 2012 starker Nachfrage erfreut. Weiterhin finden sich im Bachelorstudium einzelne thematisch Übungen, die interdisziplinär mit Kollegen aus der Germanistik, etwa zum Thema „digitale Lexikographie“ durchgeführt werden, sowie auch Forschungsseminare mir einschlägigen Digital Humanities-Themen, etwa „Museumsinformatik und Kulturportale“.
Master Digital Humanities (M. A.)
Eine neu hinzugekommene zentrale Komponente in der DH-Lehre ist seit dem Wintersemester 2017/2018 der Masterstudiengang „Digital Humanities“. Der Studiengang richtet sich an Geisteswissenschaftler. Neben grundlegenden Kenntnissen im Bereich der Informatik, Programmierung, im maschinellem Lernen und Natural Language Processing (NLP), digitalen Medien und Empirie werden praktische Projekte und Forschungsstudien im Kontext der DH umgesetzt.
Master Public History und Kulturvermittlung (M. A.)
Gemeinsam mit den Lehrstühlen für Bayerische Landesgeschichte (Prof. Löffler), Vergleichende Kulturwissenschaft (Prof. Drascek) wurde ein interdisziplinärer Studiengang entwickelt, für den die Medieninformatik das Thema Digitalisierung verantwortet. Auch in diesem Studiengang werden Themen und Methoden der digitalen Geisteswissenschaften vermittelt und in Projekten eingesetzt.
Aktuelle Projekte und Kooperationen
Von Epistemic Injustice zu Epistemic Awareness. Prozessbasierte Methoden-forschung zu Missbrauch an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche
Entwicklung eines Informationssystems zum Missbrauch an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche. Dazu Sammlung, Analyse einschlägiger Textsorten. Annotation von Texten zur Vorbereitung des Tranings maschineller Lernverfahren. Identifikation einschlägiger Textpassagen mit aktuellen KI-Verfahren. Analyse und Visualisierung größerer Textcorpora zu diesem Thema.
Kooperationspartner: Prof. Dr. Ute Leimgruber, Universität Regensburg und ein thematisches Partnernetzwerk weltweit.
Finanzierung: DFG -Sachbeihilfe, https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/539293243 (externer Link, öffnet neues Fenster) (externer Link, öffnet neues Fenster)
Zeitraum: 2025-2028
hand.gemacht – 3D-Technologie für handgemachte Objekte der Alltagskultur
In Kooperation mit dem Oberpfälzer Freilandmuseum Neusatz-Perschen (Direktor Dr. Hammerl) und dem Lehrstuhl für vergleichende Kulturwissenschaft (Prof. Drascek) werden 3D-Techniken und die vollständige Prozesskette von der Erfassung (Scan) bis zur interaktiven Präsentation handgemachter Objekte der Alltragskultur anhand konkreter Artefakte aus der Oberpfalz untersucht.
Kooperationspartner: Oberpfälzer Freilandmuseum Neusatz-Perschen (Direktor Dr. Hammerl), Lehrstuhl für vergleichende Kulturwissenschaft (Prof. Drascek)
Finanzierung: Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Finanzen und Heimat im Rahemen der Förderrichtlinie Heimt-Digital-Regional, https://handgemacht.bayern/projekt (externer Link, öffnet neues Fenster) (externer Link, öffnet neues Fenster)
Zeitraum: 2022-2025
Emotions in Drama
Aufbau und Analyse eines historischen Dramenkorpus mit Methoden der Sentiment Analysis. Einsatz aktueller KI-Modelle für das Training auf der Basis annotierter Dramentexte. Entwicklung eines fachlich und zeitlich angepassten Emotionsmodells für die Analyse der Dramen in Varock und Klassik. Entiwcklung von Analysekompontenen und Visualisierungsverfahren für die Aufbereitung der Analysergebnisse.
Kooperationspartner: PD Dr. Kartin Dennerlein, Universität Würzburg
Finanzierung: DFG / SPP Computational Literary Studies, https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/424207618 (externer Link, öffnet neues Fenster) (externer Link, öffnet neues Fenster)
Zeitraum: 2019-2024