Forschungsschwerpunkte in der Rechtsinformatik
Die Regensburger Medieninformatik hat bereits seit den 1990er Jahren einen Arbeitsschwerpunkt im Bereich der Rechtsinformatik, der ursprünglich von informationswissenschaftlichen Fragestellungen zu Themen der Fachinformation, des Information Retrieval im Rechtsbereich sowie von Problemen der juristischen Informationskompetenz (Mielke & Wolff, 2007, 2012) und des Informationsverhaltens von Juristen ausgegangen ist. Ebenfalls vergleichsweise frühzeitig stand die Nutzung kryptographischer Anwendungen und ihre rechtliche Einordnung im Fokus (Mielke & Wolff, 1998).
Seit längerem gibt es auch einen Schwerpunkt zu Fragen der (deutschen) Rechtssprache und ihrer Varietäten mit offenkundigen Querbezügen zu den digitalen Geisteswissenschaften (Digital Humanities) sowie zur angewandten Linguistik bzw. Korpuslinguistik (Berteloot, Mielke & Wolff, 2018, Mielke & Wolff 2021, Mielke & Wolff 2024A). Eine förmliche Kooperation besteht mit dem Regensburger Arbeitskreis Sprache und Recht (externer Link, öffnet neues Fenster).
Weitere Arbeiten haben sich mit der Entwicklung und Nutzung von Visualisierungen im rechtlichen Bereich auseinandergesetzt (Nutzung von Comics in der juristischen Ausbildung; empirische Studien zum Einsatz von Rechtsvisualisierungen in der wissenschaftlichen Fachliteratur sowie in der juristischen Arbeitspraxis, Einsatz von Virtual Reality im Rechtswesen) (Mielke, Walser Kessel & Wolff, 2019, Mielke & Wolff, 2024B).
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt im Bereich Legal Technology widmet sich der Nutzung von Krypto-Infrastrukturen. Hier wurde unter anderem das Anwendungsspektrum juristischer Unterstützungswerkzeuge sowie das Potenzial von Blockchain-Technologien und darauf aufbauenden Anwendungen wie Smart Contracts untersucht (Mielke & Wolff, 2018.
Natürlich zählt auch der Kernbereich der Medieninformatik, die (gebrauchstaugliche) Gestaltung interaktiver Informationssysteme, zu den relevanten Arbeitsthemen in der Rechtsinformati. Ein aktuelles Beispiel dazu ist die Gestaltung eines digitalen Basis- oder Verfahrensdokumentes als Grundlage des Informationsaustauschs im Zivilprozess (Althammer et al., 2025).
Die Auseinandersetzung mit Fragen der Künstlichen Intelligenz hat eine lange Tradition in der Rechtsinformatik. Durch die jüngeren Entwicklungen im Bereich Deep Learning und Large Language Models hat diese neue Aktualität erfahren. Die Regensburger Rechtsifnormatik befasst sich dabei unter anderem mit der Frage, welche Einsatzbereiche für KI im Rechtswesen entwickelt werden können und wie sich aktuelle KI-Systeme systematisch evaluieren lassen (Mielke & Wolff, 2023, 2025).
Literatur
Althammer, C., Bauer, J., Mielke, B., & Wolff, C. (2025). Digitaler Parteivortrag im Basisdokument. Ergebnisse aus dem bundesweit ersten Reallabor zur Digitalisierung des Zivilprozesses. Neue Juristische Wochenschrift, 78(43), 3132-3136.
Berteloot, P., Mielke, B., & Wolff, C. (2018). Deutsches, österreichisches, europäisches Deutsch? Deutschsprachige Fassungen von Urteilen des europäischen Gerichtshofs im Vergleich. In E. Schweighofer, F. Kummer, A. Saarenpää, & B. Schafer (Eds.), Datenschutz / LegalTech. Data Protection / LegalTech. Tagungsband des 21. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2018. Proceedings of the 21st International Legal Informatics Symposion IRIS 2018 (pp. 319-324). Editions Weblaw.
Mielke, B., Walser Kessel, C., & Wolff, C. (2019). Rechtsvisualisierung in der juristischen Arbeitspraxis – eine empirische Studie. In E. Schweighofer, F. Kummer, & A. Saarenpää (Eds.), Internet of Things. Tagungsband des 22. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2019. Proceedings of the 22nd International Legal Informatics Symposium IRIS 2019 (pp. 545-552). Editions Weblaw. https://jusletter-it.weblaw.ch/issues/2019/IRIS/rechtsvisualisierung_5ea1c964f8.html (externer Link, öffnet neues Fenster)
Mielke, B., & Wolff, C. (1998). Kryptographiebasierte Kommunikationsformen für Vereine und Verbände. LDV-Forum, 15(1), 29-44. https://epub.uni-regensburg.de/6845/1/29-44_MielkeWolff.pdf (externer Link, öffnet neues Fenster)
Mielke, B., & Wolff, C. (2007). Juristische Informationskompetenz: Freie Quellen im WWW vs. professionelle Informationsdienste. In E. Schweighofer, A. Geist, & G. Heindl (Eds.), 10 Jahre IRIS: Bilanz und Ausblick. Tagungsband des 10. Internationalen Rechtsinformatik-Symposium IRIS 2007 (pp. 238-248). Boorberg.
Mielke, B., & Wolff, C. (2012). Ausbildungskonzepze zur Verbesserung juristischer Informationskompetenz. In E. Schweighofer, F. Kummer, & W. Hötzendorfer (Eds.), Transformation juristischer Sprachen. Proceedings 15. Internationales Rechtsinformatik-Symposion (IRIS 2012) (pp. 73-81). Österreichische Computer Gesellschaft (ÖCG). http://jusletter-it.weblaw.ch/issues/2012/IRIS/jusletterarticle_1067.html (externer Link, öffnet neues Fenster)
Mielke, B., & Wolff, C. (2018). "Klar ist der Aether und doch von unergründlicher Tiefe" – Smart Contracts als interdisziplinäres Problem. In E. Schweighofer, F. Kummer, A. Saarenpää, & B. Schafer (Eds.), Datenschutz / LegalTech. Data Protection / LegalTech. Tagungsband des 21. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2018. Proceedings of the 21st International Legal Informatics Symposion IRIS 2018 (pp. 139-148). Editions Weblaw.
Mielke, B., & Wolff, C. (2021). Korpuslinguistik in der Rechtswissenschaft. Eine webbasierte Analyseplattform für EuGH-Entscheidungen. Jusletter IT(27. Mai 2021). https://doi.org/10.38023/9b2a8ae5-fcc9-4df4-a599-3d2a59868ba5 (externer Link, öffnet neues Fenster)
Mielke, B., & Wolff, C. (2023). Künstliche Intelligenz und Large Language Models in der Rechtsprechung. LRZ - E-Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Digitalisierung. https://lrz.legal/2023Rn560 (externer Link, öffnet neues Fenster)
Mielke, B., & Wolff, C. (2024A). Verständliche Rechtstexte mit Hilfe grosser Sprachmodelle? Sprachmodelle: Juristische Papageien oder mehr? / Language Models: Legal Parrots or more? Proceedings des 27. Internationalen Rechtsinformatiksymposions IRIS 2024, Salzburg. https://jusletter-it.weblaw.ch/issues/2024/15-Februar-2024/verstandliche-rechts_777eb37871.html__ONCE (externer Link, öffnet neues Fenster)
Mielke, B., & Wolff, C. (2024B). Von Legal Design Thinking bis Virtual Reality. Aktuelle Trends der Rechtsvisualisierung Sprachmodelle: Juristische Papageien oder mehr? / Language Models: Legal Parrots or more? Proceedings des 27. Internationalen Rechtsinformatiksymposions IRIS 2024, Salzburg. https://jusletter-it.weblaw.ch/issues/2024/28-Maerz-2024/von-legal-design-thi_788ecc25ee.html__ONCE (externer Link, öffnet neues Fenster)
Mielke, B., & Wolff, C. (2025). „KI, lös‘ mir den Fall!“ Zur Evaluierung grosser Sprachmodelle für Anwendungen im deutschsprachigen Rechtswesen Der Mensch im Zentrum - KI, Ethik & Recht / Human-Centred AI for Good - AI, Ethics & Law. Proceedings des 28. Internationalen Rechtsinformatiksymposions IRIS 2025, Wien. jusletter-it.weblaw.ch/issues/2025/20-Februar-2025/-ki_-los--mir-den-fa_599a01672b.html
Lehre und Studium der Rechtsinformatik / LegalTech
Rechtsinformatik wird u.a. im Rahmen des Vorlesungszyklus "Digitalisierung und Digitale Gesellschaft" behandelt. In Teil II des Zyklus (Anwendungen) wird Legal Technology anhand typischer Beispiele (z. B. in den Bereichen e-Democracy oder e-Government) eingeführt, in Teil IV des Zyklus werden juristische Probleme im Umfeld der Digitalisierung angesprochen (Daten- und Algorithmenethik, Regulierung von Algorithmen und Verfahren der künstlichen Intelligenz) behandelt. Ein Überblick über das Europäische Datenrecht (Digital Services Act, Digital Markets Act, KI-Verordnung, Data Act) erfolgt ebenfalls in diesem Kontext.
LL. B. Digital Law
Begleitend zum Staatsexamensstudium Rechtswissenschaft wird2021 ein LL. B. Digital Law angeboten, in dem die Medieninformatik wesentliche Teile des Informatikprogramms anbietet. Neben einführenden Veranstaltungen zur Informatik und zur Entwicklung webbasierter Informationssysteme gehört dazu vor allem die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung im Rechtswesen und dem Einsatz von maschinellen Lernen und künstlicher Intelligenz im Recht (Logik für Juristinnen und Juristen).
LL. M. Legal Tech
Bereits seit 2020 existiert der Weiterbildungsmaster LL. M. Legal Tech, eines der ersten derartigen Programme in Deutschland. Dieser berufsbegleitende Executive Master bildet Juristinnen und Juristen sowohl im Bereich der für die Digitalisierung einschlägigen Rechtsgebiete als auch im Bereich der angewandten Informatik (Digitalisierung, Legal Tech, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz) weiter.
Forschungsprojekte und Kooperationen
Das digitale Basisdokument
Das gemeinsam von den Justizministerien Bayerns und Niedersachsens mit den Lehrstühlen für Deutsches Verfahrensrecht (Prof. Dr. Althammer) (externer Link, öffnet neues Fenster) und für Medieninformatik (Prof. Dr. Wolff) der Universität Regensburg durchgeführte Projekt dient der Gewinnung von Erkenntnissen über die digitalen Möglichkeiten einer formellen Strukturierung des Parteivortrags im Zivilprozess.
Es wurde im Rahmen eines Reallabors (externer Link, öffnet neues Fenster) in ausgewählten Zivilverfahren praktisch erprobt werden, in welcher konkreten Ausgestaltung und in welchen Fällen sich die Arbeit mit einem sog. Basisdokument als einer Form der strukturierten Aufbereitung des Prozessstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für die Prozessbeteiligten – Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Richterinnen und Richter, Parteien – als vorteilhaft erweist. Die Erprobung erfolgte anhand eines eingeschränkt funktionsfähigen Prototypen, der nach den Methoden des Legal Design im Projekt iterativ entwickelt wurde. Insgesamt wurden an vier Landgerichten Bayerns und Niedersachsens von 60 teilnehmenden Richterinnen und Richtern über einhundert Verfahren für die Erprobung des Basisdokuments gemeldet. Aus diesen Verfahren konnten u.a. in 51 Interviews umfassende qualitative Erkenntnisse zur Praktikabilität des Basisdokuments in der zivilprozessualen Praxis gewonnen werden.
Der Abschlussbericht zum Projekt ist hier (externer Link, öffnet neues Fenster) zu finden. Der eingesetzte Basisdokument-Prototyp steht weiterhin hier (externer Link, öffnet neues Fenster) zur Verfügung.
Kooperationspartner:
Prof. Dr. Christoph Althammer (Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Verfahrensrecht, Internationales Privatrecht sowie außergerichtliche Streitbeilegung)
Prof. Dr. Bettina Mielke (Honorarprofessur für Rechtsinformatik und Recht der Digitalisierung)
Finanzierung: Justizministerien der Länder Bayern und Niedersachsen
Zeitraum: 2022-2024 und fortlaufend