In einer Einrichtung wie der Saatgutbank Regensburg wird Samenmaterial von Pflanzen so eingelagert, dass es für lange Zeit (Jahre bis Jahrzehnte) lebensfähig bleibt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das Saatgut eine Vielzahl von Schritten durchlaufen:
Aufsammlung
Bevor Samen in die Saatgutbank eingelagert werden können, müssen sie aufgesammelt werden. Dieser Vorgang ist, obwohl es sich recht einfach anhört, vergleichsweise kompliziert, da hierbei internationale Standards eingehalten werden müssen. Vor Beginn der Sammlungstätigkeit werden in Rücksprache mit den zuständigen Behörden stets eventuell erforderliche Genehmigungen bzw. durch Kontaktaufnahme mit lokalen Kennern Informationen zum Standort eingeholt. Erst danach wird die Entnahme der Samen durchgeführt. Oberstes Ziel der Besammlung ist es dabei die genetische Variation einer Art bzw. ihrer Populationen abzubilden. Dazu müssen möglichst viele repräsentativ über das Verbreitungsgebiet einer Art verteilte Populationen bzw. möglichst viele Individuen innerhalb einer Population beprobt werden. Mehr als 20% der vorhandenen Samen werden jedoch dabei insgesamt nie entnommen, um die Population in situ nicht zu gefährden. Die Samen müssen im optimalen Reifegrad gesammelt werden, um eine möglichst große Langlebigkeit und Keimfähigkeit zu erreichen, was oft eine mehrfache Anfahrt der Wuchsorte erforderlich macht. Informationen zur Aufsammlung und zu den Bedingungen am Standort werden in einem Sammelbogen dokumentiert.
Aufreinigung und Portionierung
Vor der Einlagerung in die Saatgutbank muss das gesammelte Saatgut zunächst aufgereinigt werden. Das bedeutet, dass umgebendes Pflanzenmaterial, leere Samen, Verunreinigungen und Insektenbefall entfernt werden. Die große Vielfalt unterschiedlicher Samenformen erschwert automatisierte Abläufe, sodass das Saatgut in der Regel manuell mit Präparierbesteck, Stereolupe, Reinigungssieben und Luftstrom aufgereinigt wird. Im Anschluss wird die Anzahl der Samen bestimmt (dies geschieht manuell oder mit Hilfe einer Samenzählmaschine) und das Tausendkorngewicht ermittelt. Anschließend wird das Samenmaterial in drei Portionen unterteilt. Eine Portion dient der Langzeiteinlagerung, eine zweite als Sicherheitsduplikat zur getrennten Lagerung und eine dritte Portion dient der Kurzzeitlagerung zur regelmäßigen Überprüfung der Lebensfähigkeit und zur Abgabe an potentielle Naturschutzakteure.
2 Feststellung der Lebensfähigkeit
Die Samenqualität wird zunächst mit Hilfe eines Samenröntgengeräts untersucht, mit dem der Anteil ungefüllter Samen ermittelt werden kann. Um die Lebensfähigkeit der gefüllten Samen zu bestimmen, werden dann Keimungsexperimente und Tetrazoliumtests durchgeführt. Für die Keimungsexperimente werden artspezifische Bedingungen ausgewählt, um herauszufinden unter welchen Bedingungen die maximale Keimfähigkeit erreicht wird. Dafür werden Klimaschränke mit verschiedenen Temperatur- und Lichtregimen verwendet. In Abhängigkeit von der Art werden die Samen für das Keimungsexperiment zusätzlich mechanisch oder chemischen vorbereitet.
3 Trocknung, Verpackung und Einlagerung
Im Anschluss werden die Samen in Vorbereitung für die Einlagerung getrocknet. Rund 92% der mitteleuropäischen Arten bilden austrocknungstolerante Samen, während tropische Pflanzen überwiegend austrocknungsempfindliche Samen haben. Samen mitteleuropäischer Arten können daher gut in Saatgutbanken gelagert werden. Für eine effektive und sichere Lagerung sollten die Samen etwa einen Wassergehalt von 5 % besitzen, was einer Gleichgewichtsfeuchte der Umgebung von 15 % entspricht. In der Saatgutbank Regensburg werden die Samen daher in einer speziellen Samentrockungskammer bei 15 °C und einer Umgebungsfeuchte von 15 % getrocknet bevor sie eingelagert werden. Zur Einlagerung in die Saatgutbank werden die Samenportionen in Papiertüten verpackt. Die Tüten werden danach pro Portion getrennt in licht-, wasser- und luftdichte Aluminiumverbundbeutel gepackt, die dann in einem Vakuumkammer-Schweißgerät unter Luftabschluss versiegelt werden. Die Aluminiumbeutel werden entsprechend etikettiert und mit Informationen zu Art, Sammelort und -datum, sowie einer eindeutigen Akzessionsbezeichnung versehen. Die Aluminiumbeutel werden dann zusammen mit Silikagel in luftdicht verschlossene Glasbehälter gegeben und bei -18°C in Gefrierschränken eingefroren.
4 Fotos: 1, Theresa Lehmair; 2, Lina Begemann; 3, Judith Lang/Lina Begemann/Lina Begemann; 4, Lina Begemann