Lebenslauf
Maria Protima Hiltl studierte Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Regensburg. In ihrer fächerübergreifenden Bachelorarbeit (2017) mit dem Titel: „Regensburger Patrizierwappen als öffentliche Kommunikationssymbole im städtischen Raum des Spätmittelalters. Die Familien Runtinger und Zant“, dokumentierte sie die zum Teil noch im Regensburger Stadtkern vorhandenen Wappen der beiden berühmten Regensburger Kaufherrn- und Ratsfamilien Runtinger und Zant, verortete diese im Stadtraum in ihrem topographischen Kontext und wertete sie als sichtbare Akteure machtpolitischer Kommunikation und Repräsentation im spätmittelalterlichen Regensburg aus. (Erstbetreuer Prof. Dr. Albert Dietl, Zweitbetreuer Prof. Dr. [em.] Wolfgang Schöller) Nach einem Fachstudienwechsel (Geschichte M.A.) absolvierte sie den interdisziplinären Masterstudiengang Public History und Kulturvermittlung (PHKV) an der Universität Regensburg. Das Thema der empirischen Masterarbeit im Fach Vergleichende Kulturwissenschaft lautete: „Die Regensburger Dult. Drei biografische Erzählungen über ein raumbezogenes Identitätsbewusstsein seit den 1960er Jahren.“ (Erstbetreuer: Prof. Dr. Daniel Drascek, Zweitbetreuer Prof. Dr. Christian Wolff) Im Rahmen des PHKV-Studiums wirkte sie zudem bei integralen Projektseminaren mit innerstädtischen und regionalen Kooperationspartnern mit. Während ihrer Studienzeit arbeitete sie als wissenschaftliche Hilfskraft sowohl am Lehrstuhl für Kunstgeschichte (bei Prof. Dr. Albert Dietl) als auch am Graduiertenkolleg „Metropolität in der Vormoderne“ (bei Prof. Dr. Jörg Oberste).
Seit 2023 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Graduiertenkolleg „Metropolität in der Vormoderne“ beschäftigt und promoviert über das Thema „Wiener Stadtveduten in Kupferstichwerken als Kommunikationsmedium zur Konstruktion von metropolitanen Raum im 18. Jahrhundert“.
Forschung
Forschungsinteressen
- Bildkünste und -medien; Kunst- und Wunderkammern und Kuriositätenkabinette (Frühe Neuzeit / 19. Jahrhundert - Westeuropa)
- Stadtgeschichte, Alltagsgeschichte und Lebenswelten, Kulturgeschichte, Wirtschaftsgeschichte und Sozialgeschichte, Ritus und Heiligenkult (Hochmittelalter / Frühe Neuzeit - Westeuropa)
- Entstehungsgeschichte, Rezeptionsgeschichte, Museumsgeschichte
- Bayerische Landesgeschichte mit Schwerpunkt Regensburg und Regionalgeschichte Oberpfalz; die Wittelsbacher / die Habsburger (Mittelalter / Frühe Neuzeit / 19. Jahrhundert)
- Historische Hilfswissenschaften (Heraldik / Paläografie)
- Empirische Forschung sozialer Milieus in historisch kulturellen Kontexten (Oral History); Biografie- und Erzählforschung (Identität / Erinnerung / Emotion / Raum)
- Eine zielgruppenorientierte Aufbereitung von komplexen Forschungsthemen aus der Kunstgeschichte, Geschichte und Kulturwissenschaft und ihre konzeptionell verständliche und unterhaltsame Vermittlung (visuell/medial)
Forschungsprojekt
"Wien illustrativ und „wahrhafftig“ Wahrnehmen und Verstehen im 18. Jahrhundert. Kupferstichwerke als Kommunikationsmedium zur Konstruktion von metropolitanen Raum" (vorläufiger Arbeitstitel)
Doktorvater: Prof. Dr. Albert Dietl, Professur für Kunstgeschichte (Bildkünste MA)
In meinem Dissertationsprojekt beschäftige ich mich mit repräsentativen und identitätsstiftenden Konstruktionsmechanismen von Metropolität im 18. Jahrhundert am Beispiel Wien. Im Kern widme ich mich Kommunikationsmedien und machtpolitischen Konfliktlinien aus kunsthistorischer Perspektive, die im öffentlichen Raum der Wiener Obrigkeit aufeinandertreffen. Übergeordnet soll gezeigt werden, dass sich im europäischen Kontext der Vorbilds- und Konkurrenzfunktion sowohl das historiografische Verständnis von Urbanität und Metropolität in der Vormoderne als auch die visuelle Wahrnehmung, also die Darstellung der abgebildeten Stadt verändert haben.
Mit Johann Adam Delsenbach (1687-1765) - „Prospecte und Abriße, einiger Gebäude von Wien / Man ist bedacht das übrige nächstens herauszugeben. Vuës et façades de Vienne / On est pret a continuer cet ouvrage“, Salomon Kleiner (1703-1761) - „Prospecte. Wahrhaffte und genaue Abbildung...(von Klöstern, Kirchen, Palästen usw.)“ und Carl Schütz (1745-1800) - „Sammlung von Aussichten der Residenzstadt Wien von ihren Vorstädten und einigen umliegenden Oertern / Collection des vues de la Ville de Vienne, de ses Fauxbourgs, et quelques Environs.“, stehen drei prominente Künstler (Vedutisten) und ihre umfangreichen Stichwerke in Buchbänden zur Residenzstadt Wien um 1800 im Fokus meiner Analyse. Alle Exemplare werden sowohl in der Sammlung des Wien Museums als auch in der Wienbibliothek im Rathaus aufbewahrt.
Aufgrund des Bekanntheitsgrades aller drei Stichwerke in der druckgraphischen Historie der Kunstgeschichte und somit innerhalb der städteplanerischen Architekturgeschichtsforschung von Wien, besteht nun der Reiz und zugleich das Ziel meines Forschungsvorhabens darin, die rein architektonischen Fragen an die umfangreichen Kupferstich-Blätter in den Hintergrund zu rücken und dagegen zum einen ganz zentral den Entstehungskontext der Stichwerke, ganz klassisch die Künstlerbiografien, das Herstellungsverfahren und die mediale Verbreitung durch Kunstverleger voranzustellen. Zum anderen werden die Auswahlkriterien der Bildmotive für die einzelnen Kupferstich-Blätter durch die ausführenden Künstler und ihre Auftraggeber einen entscheidenden Anteil im Projekt einnehmen. Innerhalb der ersten methodischen Schritte erfolgt eine thematische Kategorisierung, eine topografische Verortung und schließlich eine Systematisierung nach Bedeutungszuschreibungen. Als Resultat hieraus schließen sich neuartige Fragenkomplexe zur künstlerisch illustrativen und (ir-)realen Darstellungsweise der Residenzstadt Wien im machtpolitischen Dreiecks-Interessenskonflikt aus kunsthistorischer Perspektive im metropolitanen Kontext an: Auftraggeber / Sammler – ausführende Künstler – Kunstverlag / Produktionsstätte. Als konzeptionelles Raster werden die Analysekategorien „öffentlicher Raum“, „Kommunikation“ und „theatrum mundi“ greifen. Außerdem sollen Forschungsaspekte wie Umweltbedingungen, Klima und Migration neben Repräsentation, Identität, Raum und mediale Kommunikation für die Gegenwart fruchtbar gemacht werden.
Um die Fragestellungen hinsichtlich der Konstruktionsmechanismen von Metropolität im 18. Jahrhundert unter allen oben genannten Aspekten beantworten zu können, sollen schriftliche Quellendokumente wie Briefwechsel, Auftragsbücher, Vorskizzen, Zeichenentwürfe, Werkstatt- Verträge, Produktionsprotokolle, Reisetagebücher und Lobestexte auf die Stadt Wien gewinnbringende Erkenntnisse, aussagekräftige Beweise und fortführende Anknüpfungspunkte liefern. Abschließend soll eine kunsthistorische Verortung von urbaner Erweiterung und architektonischer Umstrukturierung von Zentralität im nationalen und europäischen Raum unter dem vergleichenden Rückgriff der Großmalerei der europäischen Veduten skizziert werden, welche mit den Künstlern Canaletto (Bernardo Bellotto) und Jan Vermeer entscheidende Vorbild- und Adaptionsfunktion für die drei hier im Zentrum stehenden Kupferstichwerke besitzen. Dagegen soll aber auch die gesamteuropäische Konkurrenzsituation gleichwertiger Stichwerke zu anderen Städten mit Vorbildsfunktion wie beispielsweise Rom, Venedig, Paris oder Amsterdam Beachtung finden.
Das florierende Wien erweist sich um 1800 als théâtre double à deux égards (doppeltes Theater in zweierlei Hinsicht): Einerseits als staffiertes innerstädtisches Architektur-Ensemble und andererseits als gesellschaftlich lebhafte Bühne. Mit dem geschichtsträchtigen Jahr 1683 (die Sicherung des Abendlandes vor dem Siegeszug des Osmanen Reichs) nahm für die beteiligten Adelsfamilien der europäischen Herrscherdynastien eine triumphale Selbstbehauptung innerhalb der Wiener Stadtgestaltung Einzug. Dieses Wetteifern kam nicht nur im gesellschaftlich selbstinszenierten Auftreten und in rituellen Verhaltensweisen zum Ausdruck, sondern schlug sich in einem architektonischen „Bau-Boom“ im Wiener Stadtkern und in den Vorstädten nieder. Man ließ monumentale Platzanlagen, repräsentative Adelspaläste, Triumphsäulen und dekorreiche Brunnenanlagen errichten sowie kunstvoll streng-geometrische Lustgärten anlegen. Dieses Architektur-Ensemble prägt in großen Teilen bis heute nachhaltig das Wiener Stadtbild. Dabei setzten Architekten, Bildhauer, Maler und Kupferstecher vornehmlich aus dem Ausland im Auftrag der adeligen Mäzene künstlerische „Trends“ in ihren Skizzen und detaillierten städteplanerischen Vorzeichnungen. Spielt nämlich in den Stadtdarstellungen des 17. Jahrhunderts noch die Wehrhaftigkeit Wiens als nahezu unüberwindbare Fortifikation die zentrale Rolle aus europäischer Perspektive, ändert sich die Wahrnehmung und der künstlerische Blickwinkel auf die Metropole im Laufe des 18. Jahrhundert im Zuge der gesellschaftlichen Selbstinszenierung und Repräsentation radikal.